(M)eine einfache(n) Vorstellungen zu Yoga – heute

Wer heute ein Yogastudio aufsucht, erwartet in der Regel, das dort rein körperliche Übungen praktiziert und gelehrt werden. Dazu zählt besonders die Sparte Asana, etwas weniger oft das Pranayama und selten die meditativen Techniken. Das Yoga viel mehr enthält, es theoretisch gesehen eine gesamte Weltenlehre [1. Unter Weltenlehren verstehe ich die großen Zivilisations-prägenden Gedankengebäude, wie zum Beispiel das Christentum, den Islam, den Buddhismus oder der Hinduismus einnehmen, die es heute jeweils in mehreren Ausprägungen gibt, die aber innerhalb dieser im Kern eine gemeinsame Grundlage haben.] enthält und zu nahezu zu allen Problemfeldern des menschlichen Lebens Lösungswege anbietet, ist weniger bekannt. Nun sind die indischen Vorstellungen zu Gesellschaft und Kultur der voreuropäischen Zeit in Indien damals wie heute nicht einmal annähernd mit dem Christentum Europas kompatibel. Ich beschränke mich daher in diesem Artikel auf die drei erstgenannten Felder, wobei Asana einen sehr großen Raum, Pranayama einen kleineren Raum und Meditation nur einen kleinen Raum der Praxis, wie ich sie verstehe und unterrichte, einnehmen können.

Beginnen möchte ich mit einer Beobachtung, die immer wieder kehrt. Am Beginn der Yogastunde stehe ich meist vor den Teilnehmern und frage: „Was machen wir denn heute?“. Die Antwort erfolgt meist zögerlich, aber dann, nachdem jemand den Anfang gemacht hat, folgt eine Aufzählung der Körperpartien, die gerade mal stören, Schmerzen bereiten oder sich in einer Verfassung befinden, die nicht mehr normal beweglich [2. Die zur Normalbeweglichkeit gehörenden Übungen können bequem gemeistert werden, zum Beispiel in der Vorwärtsbeuge im Sitzen die Zusammenführung von Handgelenk und Zehenspitzen bei gestreckten Beinen. Näheres siehe Intensivstreching und Ausgleichsgymnastik von Gerd Schnack (ISBN 3-7692-0239-8).] genannt werden kann. Ich möchte das jetzt nicht bewerten, aber Yoga und seine Praxis beschränkt sich ganz und gar nicht darauf, Unpässlichkeiten auszubügeln. Die Yoga-Therapie [3. Die Behandlung von Störungen durch gezielte Bewegungsintension…] ist eigentlich nur ein kollaterales Feld, das eine Sonderstellung einnehmen sollte. Vielmehr sehe ich im Yoga und seiner körperlichen Praxis vor allem anderen eine präventive Praxis, was nichts anderes heißt als das man übt und verinnerlicht, solange man gesund und munter ist, um bei Auftreten von bewegungsstörenden Problemen Übungen zur Verfügung zu haben sprich die zu beherrschen, mit denen eine Störung beseitigt werden könnte. Natürlich kann Yoga auch dazu dienen, solche Probleme erst gar nicht aufkommen zu lassen. Leider ist der letztgenannte Satz eher die Ausnahme und das gesunde Menschen mit dem Ziel der innovativen Körpergestaltung in eine Yogastunde kommen eher eine Seltenheit.

Beschäftigen wir uns mit Asana, den Körperübungen. Die Yoga-Sparte Asana enthält eine Sammlung von Übungen, Haltungen und Posen, die den Körper eines Menschen in den Bereichen Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer in all seinen Möglichkeiten zu fordern in der Lage sind. Mit anderen Worten: Yoga-Asana ist ein komplett durchgestaltetes Körpertraining, das sich je nach Körperzustand variabel ausführen lässt. Das zeigt sich schon darin, das oft die Praxis zu Beginn als schwer und herausfordernd empfunden wird und mit zunehmender Erfahrung immer leichter zu werden scheint. Das gilt für alle Bereiche innerhalb der schon oben erwähnten Normalbeweglichkeit. Die Übungen enthalten aber auch Praktiken, die für Europa zumindest eine Überbeweglichkeit als Voraussetzung haben, was, wenn zügig angestrebt, dehnen und kräftigen erfordert und sicherlich nicht als entspannt ausführbar angesehen werden kann. Ich zum Beispiel wollte unbedingt im Lotus sitzend meine Meditationspraxis ausüben können und habe sehr fordernd ausgeführte Übungen über einen längeren Zeitraum hindurch dafür in Kauf genommen. Das ist aber meist nicht die normale Praxis, sondern die größere Beweglichkeit von Yoga-Übenden kommt mit der Zeit und nahezu automatisch nach Jahren des Übens. Die Übungen, die in vielen Büchern dargestellt werden, sind meist schon das Ergebnis dieser jahrelangen Praxis und können daher einem Einsteiger nicht immer empfohlen werden. Ich selbst verwende im Einsteiger-Segment eher abgeschwächte und vereinfachte Ausgestaltungen und versuche, einen übertriebenen Ehrgeiz bei den Teilnehmern zu zügeln. Eine angemessene Übungsgestaltung, die weder unter- noch überfordert zeitigt meiner Erfahrung nach die besten Ergebnisse und Fortschritte.

Schauen wir während des Haltens in eine Asana hinein, so werden wir nach und nach die Körperpartien (Muskeln, Gewebe, Teile) spüren, die zur Ausführung derselben notwendig sind. Das allein ist das wichtigste Rüstzeug, mit dem Erfahrungen in Asana gesammelt werden können. Den Körper entdecken und seine Teile in und auswendig kennen lernen ist die wesentliche Grund-Essenz von Körperübungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der, nach dem Spüren seine Möglichkeiten in Bezug zu Bewegungen innerhalb des Haltens oder Einrichtens auszuloten. Dafür empfehle ich Mini- und Mikrobewegungen im Umfeldes der anzusprechenden Region nahe an der Grenze der Beweglichkeit, die jetzt und hier gerade zu Verfügung steht. Nicht jeder Tag ist gleich. Mit anderen Worten arbeiten, halten, stehen usw. tun wir immer an der Grenze unserer Möglichkeiten. Dafür verwende ich die Begrifflichkeit „noch schön“, „noch erträglich“ oder „noch angenehm“, und das bleibt solange bestehen, bis die Übung perfekt sprich nahezu kraftlos und leicht ausgestaltet werden kann. Tritt das letztgenannte ein, kann die Übung als ausgearbeitet angesehen werden. Bestimmt aber gibt es im Yogabuch weitere Variationen, die, falls gewünscht, weitere Herausforderungen bieten können. Oder aber wir sind zufrieden und glücklich mit dem Erreichten und verlassen das Üben und gehen zum einfachen Tun über, um das Erlangte zu festigen und zu sichern, auf das es lange erhalten bleibe. Das geht entspannt und ruhig und nimmt meist deutlich weniger Zeit in Anspruch als am Beginn der Praxis. Erhalten ist immer einfacher als erreichen. Auf diese Weise bleibt der Körper ausgearbeitet. Er zeigt dann keinerlei Verspannungen mehr, ist hoch beweglich, zeichnet sich bewegungstechnisch durch Eleganz und Leichtigkeit aus und wird aus sich selbst heraus keine Störungen mehr zulassen. Verletzungen durch Unfall und Fremdverschulden können wir aber nie ausschließen. Insoweit ist es sicher anzuraten, dran zu bleiben. Yoga-Asana ist eine Lebenspraxis, die bis ins hohe Alter nicht versiegen sollte. Auch Alt-Werden-Können mit seinen allseits bekannten Begleiterscheinungen – die werden kommen, früher oder mit Yoga vielleicht auch viel später – sollte ja ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Etwas anders gestalten sich die Atemübungen, die im Pranayama ausgeübt werden. Hier geht es nicht mehr allein darum, den Körper fit zu machen, sondern hier arbeiten wir einerseits an der wohl grundlegendsten Lebenserhaltungsvoraussetzung und andererseits beginnt hier die Arbeit an und mit der Körperenergie. Mit anderen Worten ist hier generell zu Vorsicht anzuraten. Unser Atem geschieht meist unbewusst, gelingt seit der ersten Lebensminute und bedarf keiner großartigen Änderung. Was mit Atemübungen erreicht werden kann ist im Prinzip daher schnell gesagt. Wir haben die Möglichkeit, dem Atem, so wie er ist, zu helfen, voller, langsamer und leichter seine Arbeit zu tun. Wir arbeiten daher lediglich an seiner Umgebung, also den Wegen, die manche Bewegungen im Körper gehen müssen, um Atem zu ermöglichen. Das heißt, das wir den Atem nicht pressen, ziehen oder blockieren, sondern auf seinen Wegen die Hindernisse zu beseitigen haben, die begleitende Körperpartien aufweisen. Der Yogaatem soll durch den gesamten Rumpf sprich vom Schulterdach bis zum Beckenboden hinunter ohne Hindernisse oder Anstrengungen gespürt und gestaltet werden können. Dann nämlich erst hat das Zwerchfell, das die Atembewegung überwiegend bewirkt, den Raum, um die Lunge vollständig bis in die untersten Spitzen füllen lassen zu können. Die Lunge füllt sich, wenn der Raum gegeben ist, und leert sich, wenn der Raum genommen wird. Atemübungen werden unter dieser Prämisse ausgeführt. Kein Drücken, Ziehen oder Pressen, sondern der freie Gang durch den Körper ist das Ziel. Außerdem sind die Atemgänge begrenzt im Durchmesser. Es ist daher sinnvoll, in den Übungen den verfügbaren Raum mit der Durchflussmöglichkeit der Ein-und Ausgänge zu koordinieren. Es gilt das Prinzip des Blasebalgs. Zu schnell ist daher immer weniger, nicht mehr. Ein Raum füllt sich auch nicht besser, wenn Druck ausgeübt wird. Druck erzeugt nur wieder Enge. Also Pranayama ist entspannt und locker zu üben.



Mit der Atembewegung bewegt sich auch unsere Körperenergie. Sie besitzt ihr Zentrum im Unterbauch und wird von dort aus in alle Körperregionen weitergeleitet. Das ist, wie die Pranayama-Übungen belegen, die Region, in der immerzu die Bewegungen des Atems gespürt werden können. Energie benötigt dieses andauernde Gefälle, um sich entfalten zu können. Mehr Bewegungsraum ermöglicht die Bereitstellung von mehr Energie, und mehr Energie macht den Körper leistungsfähiger und gibt ihm Sicherheit. Letzteres ist eine Komponente, die nicht unterschätzt werden sollte. Unsicherheit beengt, macht klein und drückt. Nicht nur der Geist, auch der Körper reagiert auf diese Weise. Wer kennt das nicht? Pranayama gestaltet so nicht nur den Atem leichter, auch die energetische Versorgung wird verbessert und das Stimmungsgewand des Menschen profitiert ebenfalls durch Sicherheit im Handeln.

Kommen wir jetzt zur dritten Sparte, die mit Meditation zu tun hat. Meditation ist ein Wort, das heute in sehr vielen Kontexten Verwendung findet. Das geht von einfach nur Still sein bis zum Erreichen einer religiösen Vervollkommnung sprich Erleuchtung. Dazwischen gibt es unendlich viele Praktiken, die alle ganz nett bis fördernd sind bzw. sein können, aber mit Meditation im yogischen Sinn nicht viel zu tun haben. Es geht darin eher darum, etwas zu erreichen, zu erhalten oder auch nur darum, sich für eine begrenzte Zeit gut zu fühlen. Für mich sind nur die beiden als Extrem ausgewiesenen Deutungen stimmig, allerdings müssen sowohl die Worte „Stille“ als auch „Erleuchtung“ genauer betrachtet sprich definiert werden. Wer sich jemals auf ein Kissen gesetzt und „Stille“ praktiziert hat, wird Stille nicht mehr allein als Abwesenheit von Geräuschen betrachten. Stille bezieht sich hier nämlich auf alle Sinne [4. In der yogischen Tradition gibt es sechs Sinne: Hören, Sehen Spüren, Riechen, Schmecken und Denken. Einschließlich aller Querverbindungen wie wahrnehmen, bedauern, ersehnen usw. einschließlich Angst und Zielstrebigkeit. Sie werden alle im Wort Cit oder Citta zusammengefasst.] und heißt nicht, das diese verstummen, sondern sie werden nicht mehr in Gefühle, Stimmungen, Angst, Handlung und dergleichen umgewandelt und entsprechend gelebt. Der zweite Begriff namens Erleuchtung hat mehr religiöse Bedeutungen und ist definiert als “das Beschauen der reinen Seele“, die im Nicht-Erleutungs-Zustand als verschmutzt, verunreinigt und verblendet gilt und die der religiöse Sucher zu befreien hat. Wer aber die Seele – in Indien ist das Atman – in Frage stellt bzw. diese als nicht vorhanden ansieht (im Buddhismus gilt Anatman), kann das Beschauen auch als „das Begreifen der Grundlagen des Lebens“ ansehen. Hier ist dann aber nicht Reinigen, sondern Erkennen das Mittel der Arbeit. Im Zen-Buddhismus zum Beispiel fällt auch jede Zielvorstellung weg, da alle Ziele, die erreicht werden könnten, bereits erreicht sind, nur das wir das nicht zu erkennen wagen. Es wäre daher von Vorteil, ausreichend Mut zum Erkennen aufzubringen.

Im westlichen Weltbild wird wohl der Großteil der Praktizierenden zur Begrifflichkeit „Stille“ neigen. Zu beschreiben, wie dabei Gesessen wird, wie darin dann diese Stille erreicht, gefestigt und kultiviert werden kann würde ganze Bücherregale füllen. Von Achtsamkeit bis Zen reichen hier die Beschreibungen aus aller Welt und allen Kulturen. In meiner Anschauung genügt es, das Sitzen in Stille als eine Betrachtung anzusehen. Betrachtet wird die mentale Wandlung der Sinnesinhalte und des Denkens im Bewusstsein und wirkt wie bei Asana und Pranayama über das Lernen am eigenen Selbst. Wir lernen hier aber nicht greifbare, sondern mentale [5. Zustandsform des Geists einer Person] Strukturen und Gewohnheiten kennen und versuchen auf diese Weise mehr über uns zu erfahren. Mehr zu sagen würde den Rahmen eines Artikel wie diesen mehr als sprengen, weil die Assoziationen dazu von Null bis Unendlich gehen können. Gelehrt werden kann eigentlich nur, wie man längeres Sitzen in Stille und Unbeweglichkeit aushält und wie durch Konzentration und Gelassenheit die Inhalte und deren Wahrnehmung erträglich gestaltet werden können. Alles andere bleibt individuell unterschiedlich und ist daher nicht geeignet zu Verallgemeinerungen, die sich in Anweisungen wie „wenn…, dann…“ ausdrücken lassen. Meditation ist und bleibt eine sehr persönliche Praxis. Einen Rat möchte ich aber noch anfügen: Der Mensch befindet sich zu jeder beliebigen Zeit in einer Stimmungslage, einer Gestimmtheit. Sich einzelne Stimmungen anzuschauen gelingt nur dann, wenn diese Stimmung in der Zeit des Schauens auch anwesend ist. Ich kann mir meine Wut nicht anschauen, wenn ich in mir voller Freude bin. Das werden dann nur neue Vorstellungen mit keinerlei Bezug zur Realität. Nur zu meditieren, wenn es toll und locker ist, ist daher keine Praxis, die Erfolg verspricht. Angeschaut werden müssen nicht nur Freude, Gelassenheit und Hochgestimmt-Sein, auch Angst, Wut, Zorn, Niedergeschlagenheit, Hass und andere heute als negativ betrachtete Stimmungen sind mit auf das Kissen zu nehmen, um sie zu beschauen. Nur was bekannt ist, kann auch kultiviert werden. Die Meditation wählt nicht, sondern nimmt, was gerade da ist.

Soweit geht meine Vorstellung zu dem, was ich heute in 2025 Yoga nenne. Ich möchte das bisher gesagte nochmal in einer etwas einfacheren Sprache zusammenfassen. Yoga heute im westlichen Kulturkreis hat viele Facetten. Das geht von eine nahezu religiösen Glaubenspraxis über Verehrungskulte (große Meister) bis hin zur einfachen Körper- und Bewusstseinsarbeit im Dienste der körperlichen und geistigen Gesundheit. Yoga wirkt mehr präventiv und ist in meinem Verständnis kein Allheilmittel gegen das Unbill der Welt. Das auch therapeutischen Möglichkeiten bestehen, mit Yoga heilend oder heilungsfördernd zu arbeiten beschränkt sich in meinem Verständnis auf Therapien, die mit Bewegung arbeiten (Asana) und/oder die eine beruhigende (Meditation) und/oder belebende (Pranayama) Wirkung zum Ziel haben. All das jedoch ersetzt weder den Arzt, den Heilpraktiker noch den Therapeuten gleich welcher Richtung. Ich bemerke allerdings, das die Praxis des Yoga oftmals den beunruhigenden Gang zum Heilberuf-Ausübenden überflüssig macht, weil intensiv übende Menschen – Ich kenne da schon eine große Schar – nicht mehr so schnell und oft von massiven Krankheiten heimgesucht werden, weil das aufkommende gesundheitliche Unbill sehr früh erkannt wird und in dieser Phase oft schon einfache Hausmittel reichen, um es abzuwenden. Aber diese Beobachtung eines Übenden ist sicherlich auch schon ein wenig vorgefärbt.

Mit Yoga zu arbeiten heißt auch „sich einzulassen“, einzulassen auf Neues, auf Entspannen, auf Ausprobieren und „in Frage stellen“. Aber auch das sollte mit Vernunft, Vorsicht und dem notwendigen Respekt vor dem Unbekannten – das uns überall begegnet – begangen werden. Man kann Narrative – das sind stimmungserzeugende Geschichten, denen nachgeeifert werden soll – nicht hinter sich lassen, indem man diese durch andere Narrative sprich Stimmungen ersetzt. Es ist zunächst der Eifer – das zielgerichtete vorhersehene Handeln -, der fallen muss, dann fallen die Narrative und dann erst ist der Mensch frei. Frei sein bedeutet, von Stimmungen frei zu sein. Und wohin er/sie sich dann wendet, bleibt offen, ist also weder vorbestimmt noch kann es in irgend einer Weise eingefordert werden. Das kann rational sein, irrational oder auch wieder einem oder mehreren gewählten Narrativen folgen. Frei ist frei, sonst nichts. Da gibt es keine Vorgaben. Auch eine frei erwählte Unfreiheit ist immer noch frei. Es gilt: „Nichts muss…, alles kann“.

Patanjali schreibt im zweiten Satz seiner Sutra: Yogaś citta-vritti nirodhah. Das übersetzt und erläutert Iyengar mit den Worten: Yoga ist das Unterbinden von Schwankungen im Bewusstsein. Dazu muss das Verhalten des Bewusstseins studiert werden… [8. BKS Iyengar – Der Urquell des Yoga – ISBN 3-502-61238-1, Seite 83] So erklärt sich der Inhalt des obigen wortreichen Textes in einem einzigen Satz. Wahrnehmungen des Körper, des Atems, des Kreislaufes und des Geistes sind der Inhalt des Bewusstseins, der von sich selbst handelt. Sie sind Schwankungen und Stimmungen unterworfen. Um sie zu genießen, zu zügeln und/oder zu kultivieren, muss der Übende sie im ersten Schritt zunächst einmal kennen lernen. Die weiteren Schritte ergeben sich daraufhin nahezu von selbst.




Verstand/Denken vs Intuition/Gefühl in der Spiritualität

Wer sich jemals mit Spiritualität, Esoterik oder den vielen Theorien und Methoden des Yoga und der Meditation beschäftigt hat, kann eine für unser Lebensgefühl im 3. JT seltsame Entdeckung machen: Es wird stets deklariert, das unser Verstand, unser Denken die Ursache allen Übels sei und wir diesen misstrauen und mehr Aufmerksamkeit dem Gefühl widmen sollten. Diese Überlegung halte ich durchaus für richtig, aber sehr oft ist die Absolutheit, mit der diese Aussage getätigt wird, mehr als deutlich überzogen und daher für den der Tradition folgenden Übenden gefährlich. Warum sehe ich das so?



Zunächst einmal hat uns schließlich erst unser Verstand in die Meditationsräume geführt, weil er dem Gefühl, das es mehr geben müsse als dieser Verstand uns normalerweise zugesteht, Rechnung trug. Mit anderen Worten: Der Verstand und sein Denken haben uns erst ermöglicht, uns Gedanken zu machen über die Kunst und Möglichkeit, den Verstand in seine Grenzen zu weisen und führt das dann auch in der Praxis aus. Absolut gedacht sagt uns also unser Verstand, folgten wir den übertriebenen Aussagen der Spiritualitätsliteratur, das wir auf ihn verzichten sollten und hilft uns auch dabei, sich selbst ruhig zu stellen. Das Gefühle und Intuitionen trügen können, ist aber doch allgemein bekannt und auch bewiesen. Die Scheidungsraten in freiheitlichen Gesellschaften sorgen da für ein mehr als deutliches Bild. Das aber auch der Verstand zu vollkommen unsinnigen Entscheidungen fähig ist, können wir ebenfalls tagein und tagaus in den Nachrichten erfahren. Wie also lösen wir dieses allzu offensichtliche Dilemma?

Wenn wir der Lösung auf die Spur kommen wollen müssen wir nicht die Spiritualität oder den Rationalismus, mit anderen Worten die Gegensätze des Problems, die sich scheinbar nicht in Einklang lassen, befragen, sondern uns zunächst einmal die Voraussetzungen der Dilemmabildung anschauen. Das Dilemma entsteht doch nur dann, wenn wir schon vor unseren Überlegung beschlossen haben, das sich Gefühl und Verstand unversöhnlich gegenüberstehen, wir also einen Gegensatz voraussetzen und diesen als Setzung absolut gültig zu verstehen gedenken. In unserer Logik, die meist ein Entweder-Oder verlangt, ist eine dritte Möglichkeit scheinbar nicht vorgesehen. Gerne berufen wir uns dabei auf den Dualismus und die Gesetze der Logik, denen wir folgen, aber: Erstens stimmt das mit dem Dualismus nicht, denn auch der Taoismus und andere spirituelle Traditionen folgen einem Dualismus (Yin – Yang), denn der hat per Definition…

Als Dualismus werden vor allem philosophische, religiöse, gesellschaftliche oder künstlerische Theorien, Lehren oder Systeme zur Deutung der Welt bezeichnet, die von zwei unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Grundelementen ausgehen, beispielsweise zwei Entitäten, Prinzipien, Mächten, Erscheinungen, Substanzen oder Seh- und Erkenntnisweisen. Beide Elemente stehen häufig in einem Spannungsverhältnis oder sogar Gegensatz zueinander, können sich aber auch als Polarität ergänzen. Wikipedia (DE)

…nichts mit Gegensätzen zu tun, und zweitens: Warum um alles in der Welt werden diese beiden denn als Gegensätze verstanden? Was wäre so schlimm daran, wenn die beiden, wie Dualität es zulässt, sich polar verhalten und vielmehr ergänzen statt trennen würden?

Denken wir den letzten Satz des vorherigen Absatzes einmal zu Ende. Dazu müssen wir uns den Begriff bzw. die Definition von Polarität in der Philosophie einmal genauer anschauen:

Polarität ist ein Ausdruck der Philosophie für das Verhältnis sich gegenseitig bedingender Größen. Sie unterscheidet sich vom Dualismus, bei dem die Größen als antagonistisch gesehen werden. Bei der Polarität geht es nicht um einen unvereinbaren Gegensatz, sondern um ein komplementäres Verhältnis. Eine Polarität besteht aus einem Gegensatzpaar und der Beziehung zwischen den Polen: hell – dunkel, kalt – heiß, schwarz – weiß, Mann – Frau, Liebe – Hass, arm – reich, krank – gesund usw. wobei einem einzelnen Pol nie eine Wertung zukommt. Die Pole sind die zwei gegenüberliegenden Enden derselben Sache, untrennbar zu einer Einheit verbunden und bedingen einander. Wikipedia (DE)

Wenn wir den Text richtig lesen und verstehen, sind die Pole lediglich die beiden Enden ein- und derselben Sache und darum keine Gegensätze. Sie sind komplementär [2. aus dem Franz.: (sich) ergänzend]. Wenn ich diese Konfiguration annehme und entsprechend verfahre, entsteht das oben genannte Dilemma einfach nicht, da sich die Pole sowohl ergänzen als auch gegensätzlich zueinander stehen. Es entsteht umgangssprachlich die logische Folgerung „sowohl als auch“. Ich sollte also aus einen jedem verständlich zu machenden Beispiel heraus der Tatsache, total „verliebt zu sein und für immer bei jemanden sein zu wollen…“ verbinden mit der Warnung des Verstandes, der erkennt: „Ich bin zwar verliebt…“, der aber auch die Folgen des „…für immer…“ abschätzen kann und dann die Warnung ausspricht, das die Chance des Gelingens im 3. JT. statistisch bei 50:50 steht. In Analogie dazu wäre die Aufforderung der spirituellen Literatur, den Verstand und das Denken aufzugeben und nur noch aus dem Bauchgefühl heraus zu leben, durchaus mit dem Hinweis zu verbinden, das der Mensch dabei eine wichtige, notwendig und auch brauchbare Erkenntnisweise verlieren würde, ohne die ein Bestehen in der heutigen Zeit gar nicht mehr machbar wäre.



Dann gibt es oft, wie in der Überschrift auch angemerkt, in der Literatur die häufig zu findende Gleichsetzung von Intuition und Gefühl oder zumindest die Betonung der Nähe der beiden Begriffsinhalte. Auch das scheint mir doch ein sehr verwegener Gedanke zu sein. Genau so, wie „versus“ nicht Gegensatz, sondern „gegenübergestellt“ bedeutet, ist Intuition und Gefühl nicht ein- und dasselbe. Schon die Definition in Wikipedia…:

Intuition (von mittellateinisch intuitio „unmittelbare Anschauung“, zu lateinisch intueri „genau hinsehen, anschauen“) ist die Fähigkeit, Einsichten in Sachverhalte, Sichtweisen, Gesetzmäßigkeiten oder die subjektive Stimmigkeit von Entscheidungen zu erlangen, ohne diskursiven Gebrauch des Verstandes, also etwa ohne bewusste Schlussfolgerungen. Intuition ist ein Teil kreativer Entwicklungen. Der die Entwicklung begleitende Intellekt führt nur noch aus oder prüft bewusst die Ergebnisse, die aus dem Unbewussten kommen. Kritisch ist hierbei zu sehen, dass bei positiver Wirkung einer – zunächst nicht begründbaren – Entscheidung gerne von Intuition gesprochen wird, während man im Falle des Scheiterns schlicht „einen Fehler gemacht“ hat, wobei es gerade keinen Mechanismus gibt zu prüfen, welche mentalen Vorgänge zur jeweiligen Entscheidung führten. Einige Wissenschaftler vermuten, dass dem Informationsaustausch zwischen dem enterischen Nervensystem und dem Gehirn auch eine Rolle bei den intuitiven Entscheidungen („Bauchentscheidungen“) zukommt.

…enthält einen klar formulierten Hinweis darauf, das Intuition und was damit gemeint ist, in der sprachlichen Verwendung einige Unschärfen erkennen lässt. Wenn der Verstand nur noch ausführt, was der Bauch sagt, erfüllt er seine Aufgabe nicht mehr. Wenn dann zutreffende oder richtige Entscheidungen durch „Positives Denken“ in den Himmel gehoben, im Falle des Scheiterns aber „nur“ zu einem Fehler gemacht werden, sind doch offensichtlich schon Vorurteile, Setzungen oder Narrative im Spiel gewesen. Im letzten Satz dann sehen wir dann auch genau die Ursache der Sprachverwirrung: Intuitive Entscheidungen werden mit Bauchentscheidungen gleichgesetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch beruhen Bauchentscheidungen auf Gefühl, ob Intuition aber im Bauch angesiedelt werden sollte, stelle ich in Frage. Denn sowohl Gefühl als auch Intuition leuchten einfach nur auf und müssen dann durch die Mitarbeit und Auslegung des Verstandes artikuliert und umgesetzt werden. Das dabei dann auch andere Funktionen des Geistes wie Narrative und andere Setzungen hinein strahlen können, ist sehr wahrscheinlich. Meiner Ansicht nach sind Verstand und Denken, Gefühl und Intuition vier Möglichkeiten der Wahrnehmung, die gleichberechtigt und ineinander verzahnt nicht voneinander getrennt werden können. Sie sind multipolar ausgelegt und sollten auch so gesehen werden.

Dieser letztgenannten Ansicht ist auch der Yoga, der sechs Sinne zählt und neben den bekannten fünf das Denken zu den Sinnesfunktionen zählt. Und zwischen Denken, Vernunft und Verstand sehe ich keine validierbare Unterscheidung. Wo hört Denken auf und Verstand und Vernunft beginnen? Und diese sechs Funktionen stehen dann im meiner persönlichen Wahrnehmung in der Übungspraxis sowohl polar als auch gegensätzlich nur der Stille gegenüber. In dieser Stille werden aber die Sinne nicht abgeschaltet, aber ihre Bedeutung und Wichtigkeit wird durch eine klar und eindeutig definierte Übungsweise massiv ab- bzw. eingegrenzt. Das erscheint in der körperlichen Praxis durch das unhinterfragte Befolgen der Anweisungen, wie der Körper zu bewegen und/oder zu halten sei, in der Meditation im Befolgen der Anweisung „nicht bewegen“ sowie im Verbleiben in der o.g. stillen Abgrenzung und/oder dem Verweilen in der vorgegebenen Konzentration. Der Begriff Stille bezieht sich also nicht auf das Hören oder Denken, sondern auf die Nicht-Umsetzung der durch die sechs Sinne erzeugten Impulse in Bewegung, Arbeit, Denken oder Spannung mit Ausnahme der durch den Lehrer oder die Tradition gegebenen Anweisungen für die Übung oder Übungsweise. Das könnte auch einfach mit einer Filterfunktion verglichen werden. Die sechs Sinne sind da und arbeiten ihrem Auftrag gemäß, aber nur die für die Praxis notwendigen Informationen werden den gesetzten Filter in Richtung Ausführung passieren können. Wir unterscheiden wie üblich in Übungs- und Unterrichtspraxis:

In einer Übungspraxis gibt es eine vorgegebenen Abfolge von Übungen, die über Verstand, Denken und Sinne gesetzt werden. Diese werden durch eine Vorlage, eine Erfahrung oder eine Zielvorstellung geprägt sein. Die Anweisungen werden genau befolgt und eingehalten. Es werden keine Bewertungen vorgenommen. Der Übende betritt den Übungsraum, er verlässt damit die alltägliche Sorgenwelt, durchlebt seine Übungen ohne Störung und kehrt mit dem Verlassen des Übungsraumes wieder ins Alltägliche zurück. Punkt. Üben ist ein Versuch, sich etwas zu erarbeiten, was seinen Platz noch nicht gefunden hat. Daher braucht es Führung, die zumindest auch schon durch eine Idee gelegt sein kann.

Eine Unterrichtspraxis wird im aktiven Teil wie die Übungspraxis durchlebt, enthält aber zusätzlich die Übermittlung von Wissen durch den Lehrer und die Möglichkeit, auch neue Anweisungen und/oder zugetragene Ideen zu erproben. Alles Weitere hat auch hier keinen Platz.

Die Meditationspraxis zeigt gewöhnlich einen in Bewegungslosigkeit gestellten Körper, der seine mentalen Bewegungen erfolgreich entweder in Stille (s.o.) oder in Konzentration eingrenzt. Da die Meditation kein Ziel kennt, kann man sie nicht üben. Man kann sie nur leben. Auch hier gilt das Verlassen des Alltäglichen und die Rückkehr zum Alltag nach Ende der Praxis als Erfolgsrezept.

Wenn ich das bisher geschriebene zusammenfassend bündeln wollte würde ich sowohl eine Unterteilung als auch eine Gegenüberstellung von Verstand/Denken und Gefühl/Intuition als unwirksam ablehnen. Die vier sind in meiner Vorstellung eine Multipolarität und daher nicht ein- oder abgrenzbar. Weiterhin halte ich die oft gehörte und gelesene Vorstellung, Yoga- und Meditationselemente in den Alltag übertragen zu wollen für eine Unzulänglichkeit, die als Verallgemeinerung nicht gelebt werden kann. Konzentrative, ausgrenzende und gefilterte Verfassungen sind im Alltag auch so zuhauf zu bemerken und müssen nicht mit den spirituellen Verfahren ähnlicher Prägung gleich gesetzt werden. Die Zeit der Übung in Yoga und Meditation sind begrenzte Zeiten und oftmals dazu nur in vor Störungen geschützter Umgebung angesiedelt. Sie in den Alltag tragen zu wollen verspricht wenig Erfolg. Trotzdem werden Yoga und Meditation den Alltag befruchten wie alles andere Erleben auch. Warum sollte es hier Ausnahmen geben. Gemachte Erfahrungen werden immer in die Gesamtheit des Empfindens eingearbeitet und wirken dort. Weiterhin ist zu bedenken, das jegliche Auswahl von Eindrücken und Auslegungen wie z.B. das „Positive Denken“ keine spirituelle Praxis genannt werden kann. Spiritualität leben heißt „Einen“ und „Zulassen“ und erlaubt weder Auswahl noch Bewertung. Einen heißt allen Sinnen [4. Die fünf klassischen Sinne plus Denken, einschließlich Verstand, Vernunft, Erfahrung, Intuition und mentales Fühlen, Unterbewusstsein, usw… ] ihren Raum geben und sie alle unbeschwert arbeiten zu lassen. Und die Entscheidung trifft nicht eine außen stehende oder intern übergeordnete Instanz, sondern die Summe der Sinnesfunktionen in innerer Abstimmung selbst. Sie alle tragen ihr Puzzleteil zur Entscheidungsfindung gleichberechtigt neben- und ineinander verzahnt bei. Welche Funktion dabei führend, bestimmend oder auch unberücksichtigt blieb ist dem Menschen selbst letztlich unbekannt. Die Einung entspricht sozusagen dem politischen Prozess eines Diskurses, der immer irgendwann zu einem Ergebnis führen muss. Die Sinne und deren Auslegung sind in politischer Systematik gesprochen Volk, Parlament und Regierung zugleich. Was in der Politik dann Demokratie genannt wird, ist in der Spiritualität zu „Innere Freiheit“.

Was folgt aus dieser Beschreibung für das Leben im Alltäglichen? Niemand kann genau und eindeutig bestimmen woher Empfindungen, Gefühle, Intuitionen und Visionen kommen und wie sie sich begründen. Wir haben nur gesicherten Zugriff auf erlebte aktuelle eigene Erfahrung. Eine gesprochene oder geschriebene Übermittlung ohne eigenes Erleben ist Halb-Wissen und daher immer mit Unsicherheit behaftet. Nun ist es so, das wir im 3. JT. nicht ohne Wissen und Halb-Wissen auskommen können, da niemand in einer so komplexen Gesellschaft alles was es gibt erlebt haben kann. Wir sind daher noch immer, auch wenn die Wissenschaften etwas anderes behaupten, neben Wissen auch auf Erkenntniswege angewiesen, die nicht bewiesen werden können und die ebenfalls mit Unsicherheit belegt sind. Aber das ist kein Dilemma, sondern die Wahrnehmung der purer Realität unserer Existenz. Unser Leben, unsere Entscheidungen, unser in der Welt sein ist mit Unsicherheit behaftet, denn es gibt kein Ewiges, auf das man sich berufen könnte. Alles ist vergänglich, das Leben selbst, das Wissen, die Erfahrung, das Erleben und alles Materielle ebenfalls. Sogar unser Planet, unser Sonnensystem und unsere Galaxis werden wohl nicht ewig existieren. Wir sollten, ja müssen uns mit der Endlichkeit und dem daraus folgenden Nicht-Wissen-Können abfinden, sonst wird unser Leben nicht gelingen. Wir machen sozusagen immer nur „das Beste daraus“. Mehr ist nicht möglich. Und wo Unsicherheit Standard ist, kann Gelingen, Sicherheit und Erfolg nicht garantiert sein. Und seien wir doch einfach mal ehrlich: Welche Funktion unserer mentalen Palette letztlich zu unseren Entscheidungen führt und warum … ist letztlich nicht von Belang. Entscheidung ist Entscheidung, und bereits deren Artikulation führt zu Konsequenzen. Wir sollten uns daher darauf einrichten, auch Misserfolge erleben zu können/müssen, und wir sollten lernen, auch die mit Haltung und in Würde zu überstehen. Das auch die Konsequenzen des Gelingens würdevoll und mit Haltung zu (er)tragen sind, muss nicht extra erwähnt werden. Auch das gehört zu gelebter Spiritualität.




Der innere Frieden

Immer mehr Menschen meiner Umgebung klagen über einen Mangel an innerem Frieden. Daher habe ich beschlossen, mich etwas mit diesem „Inneren Frieden“ zu beschäftigen. Zunächst einmal würde jeder vermuten, das wir mit einer Definition des inneren Friedens beginnen müssten. Doch das ist falsch. Denn wer seinen inneren Frieden noch nicht gefunden hat, weiß ja nicht, was dieser innere Friede überhaupt ist. Und da hilft definieren nicht weiter. Zäumen wir die Fragestellung aber von der Perspektive aus auf, was unserer Vorstellung gemäß den inneren Frieden stören könne, kommen wir sicherlich schon ein ganzes Stück weiter.



Was stört also? Zunächst einmal fallen mir so Emotionen ein wie Angst, Furcht oder Ekel, vielleicht sogar so etwas wie Hass oder Gier, und später dann vielleicht noch so schöne Stimmungen wie Liebe und Ehrfurcht, die, werden sie falsch umgesetzt, ebenfalls den inneren Frieden stören können. Zusammenfassend können wir daher sagen, das es nahezu immer Emotionen, zu deutsch Gefühle, sind, die störend wirken. Bei negativ besetzten Emotionen finden wir das auch immer bestätigt, aber bei so etwas wie Liebe und Ehrfurcht kommen leicht Zweifel auf. Wenn man aber bedenkt, das wir eine Liebe auch verlieren können, wie jeder bei Scheidungsverfahren oder nach großer Enttäuschung sehen kann, wird schnell klar, das auch die Liebe und die Ehrfurcht keine Ausnahme bilden. Schnell wandelt sich die Liebe mal in Abneigung oder sogar Hass um. Ähnlich ist es mit der Ehrfurcht, die, wenn wir sie verlieren, sich schnell in Langeweile oder sogar in Ablehnung wandeln kann. Was aber sind diese Emotionen, die scheinbar das Hauptproblem des inneren Friedens darstellen, und woher kommen sie? Darüber Aussagen zu machen füllt ganze Bücherregale, und wir müssten uns für die eine oder andere Theorie unter dutzenden entscheiden, um diese Frage zu beantworten. Wir müssen aber so gar nicht vorgehen. Es gibt einen anderen Weg. Dazu stellen wir zunächst einmal fest, das Emotionen nicht von irgendwoher von außen kommen können, sondern aus uns selbst erwachsen. Angst, Furcht, Abneigung, Zuneigung, Angezogen-Sein oder Abgestoßen-Sein sind immer unsere ganz persönlichen Stimmungen. Wie wäre anders zu erklären, das Einer zum Beispiel Angst vor Spinnen, Mäusen oder anderem Getier hat und der Nachbar nebenan diese Tiere liebt und sie sich in Terrarien hält. Kämen Emotionen von außen, müssten doch alle die gleiche Angst… haben. So geht es auch mit der Liebe, oder etwa nicht. Würde sie zum Beispiel von außen kommen, müssten alle in etwa gleich in die gleiche Person verliebt sein. Das geschieht so aber im praktischen Leben nicht. Emotionen sind also immer innere Prozesse, die von einer Person in sich selbst ausgelöst und wahrgenommen werden. Das es dazu Auslöser im Außen gibt oder geben kann, ändert daran letztlich nichts. Dann werden die Wahrnehmungen interpretiert, was nichts anderes heißt als das sie in Bezug gesetzt werden zur individuellen Erfahrung oder erzählten Geschichten, die in der Person einen Eindruck hinterlassen haben. Alle Kulturen bestehen aus Geschichten der Vergangenheit, die ausgelegt und/oder projiziert werden in eine nahe oder entfernte Zukunft. Auch das, was wir Visionen nennen, entsteht aus Erlebtem und dem Versuch, das Erlebte umzudeuten oder zu verhindern, das es wieder und wieder erlebt werden muss. Halten wir fest: Emotionen entstehen im Individuum aufgrund von Erlebtem oder Erzähltem in Verbindung mit der Gegenwartswelt und den Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben. In der modernen Psychologie werden unerwünschte Emotionen derart therapiert, das vom Patienten verlangt wird, diese Emotionen zunächst einmal anzuerkennen als „Meine Emotionen“, dann daran gearbeitet werden muss, sie auch als Mein anzunehmen und sie so nicht mehr als „von-außen-kommend“ zu betrachten. Die Projektion wird zurückgenommen. Dann erst können sie authentisch erlebt werden. Alles was Mein ist in Form von Gedanken, Gefühlen und Visionen kann die Person auch selbst ändern. So verlieren sie ihren Schrecken, kommen aus dem Schatten ins Licht des Bewusstseins und zeigen ihre ihnen eigene Substanzlosigkeit. Sie sind Produkte des Geistes, Geister sozusagen, die ihre Macht verlieren, sobald sie erkannt wurden, sonst nichts. Sie sind zwar da, aber als machtlos erkannt und daher nichts, was uns in Angst und Sorge und… zu versetzen in der Lage ist. So gewinnen wir unseren inneren Frieden. Menschen sind Individuen und daher als „für sich selbst stehende Wesen“ zu betrachten. Auch wenn sich Viele als Teil einer Gesellschaft, als Teil einer Kultur oder Ethnie oder sogar Teil einer Artengemeinschaft betrachten, sind sie doch in ihrem Inneren allein in der Welt. Ich kann meine Emotionen nicht mit anderen teilen, kann meine Furcht, meine Liebe nicht auf einen Anderen durch Kommunikation übertragen, ohne von dort eingelassen zu werden. Wird mir der Einlass verwehrt, stehe ich mit meiner Emotion allein da. Wir bilden zwar Gemeinschaften, die bis zur Verschmelzung reichen können, aber wir brauchen das Einverständnis des/der Anderen dafür. Jeder ist in diesem Bezug faktisch für sich selbst verantwortlich. Wird zum Beispiel meine Liebe nicht erwidert, kann ich nicht den Anderen dafür verantwortlich machen, sondern mit meiner Liebe stimmt wohl etwas nicht und sollte eher Begehren oder Hörigkeit genannt werden. Entsprechend geht es auch mit der Angst, mit der Sorge, und vielen anderen Gefühlen. Es ist meine Angst, meine Sorge, meine… und nicht die der Anderen.



In fast allen Gesellschaften moderner Art ist es so, das die Gemeinschaft jeden Mitbürger durch Androhung von Strafen vor Ereignissen zu schützen versucht, die Angst oder Sorge beinhalten könnten. Das gelingt leider nicht immer und ist oft mangelhaft ausgearbeitet. Aber das Prinzip, wie es sein könnte/sollte, ist erkennbar. Insofern gibt es auch realistische Angst, reale Sorge, aber das hält sich in Europa zumindest doch in ziemlich engen Grenzen. Das was gut erkennbar viele Mitmenschen zu belasten scheint gehört sicher nicht zu den Letztgenannten. Es handelt sich oft um Emotionen aus den verborgenen Kammern des Selbst, die unerkannt ihre Schatten verströmen. Und hier kann Abhilfe geschaffen werden, indem sie als das erkannt werden, was sie letztlich auch sind: Geister im Guten und Dämonen im Bösen. Unsere Sprache lebt diese Aussage, sind wir in ihr doch oft „be-geistert“, „ent-geistert“, „ver-geistigt“, „von allen Geistern verlassen“, von „einem Dämon besessen“ oder sogar von „einem Geist beseelt“. Vielleicht sollten wir des öfteren mal mehr auf unsere Sprache achten. Sie enthält viele Wahrheiten und drückt vieles aus, wovon wir unserem modernen Wissensverständnis nach nichts mitbekommen. Sie ist alt und schöpft aus den Erfahrungen längst vergangener Strukturen, die wir zwar überwunden zu haben glauben, die aber im Verborgenen noch immer wirksam sind, und das im Guten wie im Bösen. Das Gute zu achten und das Böse zu meiden ist die Empfehlung aller großen Religionen. Das hat/hatte seinen Grund, der auch heute noch wirk-mächtig ist. Die Definitionen haben sich zwar angepasst, wurden verändert, gewandelt und neu gestaltet, aber die Prinzipien sind doch gleich geblieben.

Als weitere Störung des inneren Friedens können Träume, Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche fungieren, die unerfüllt bleibend zu Hoffnungslosigkeit oder Antriebslosigkeit führen können. Auch diese Gruppe stellt sich vom Inhalt her als Geistgestalten heraus. Auch hier gilt es nicht zu erforschen, woher diese Geister wohl kommen könnten, sondern eher, was sie wirklich sind und sie als eigene Schöpfungen zu erkennen, sie anzunehmen und ihnen so ihre Macht zu entziehen. Und eine weitere Gruppe stellt sich oft als Störenfried dar, wenn nämlich geforderte Leistungen, Vorstellungen von Vorgesetzten, Arbeitgebern, Freunden und der Familie…, zu denen eine Abhängigkeitsbeziehung besteht, nicht zu erfüllen sind und wir (nicht) erkennen, das das nicht an uns, sondern an den verworrenen Vorstellungen von Mitmenschen zu liegen scheint. Das diese Erscheinungen den Betroffenen belasten können, ist wohl nicht zu vermeiden, aber, und hier sitzt „der Hase im Pfeffer“, es bleibt doch die Frage zu klären, warum uns die Vorstellungen anderer, die doch gar nicht unser Eigentum sind, belasten können. Ist es vielleicht nicht mehr der tief sitzende Wunsch in mir, doch anerkannt zu werden, doch gefeiert zu werden, oder die Angst, Nachteile zugemutet zu bekommen und, wenn sich das nicht erfüllt, wir an den unerfüllten Träumen erkranken. Oder ist es nicht doch mehr der Widerstand gegen die Überforderung, den wir durch diese Träume und Hoffnungen erzeugen, der letztlich die eigene Kraft bindet? Auch hier erscheint das Problem in ähnlicher Form, nämlich das wir die Störung erkennen müssen, die in uns wirkt und wir nicht allein auf den Mitmenschen als Verursacher projizieren dürfen. Es ist hier der Widerstand, der die Störung in mir verursacht, und mit dieser Erkenntnis können wir genauso verfahren wie mit Emotionen, Träumen oder Hoffnungen. Wir lösen den Widerstand auf, indem wir die Realität anerkennen. Das macht einerseits die Arbeit, auch wenn sie nicht gefällt, leichter, lässt uns mehr Kraft und Ruhe für unser Tun finden und löst den Druck in uns. Es löst das Problem zwar nicht an sich, aber wir erkranken nicht daran. Das ist zumindest schon mal ein Fortschritt. Probleme, die nicht die unsrigen sind, können wir auch nicht lösen. Wir können Hinweise geben, können durch Klarstellungen helfen, aber nicht die Geister in Anderen befrieden. Das muss der Vorgesetzte oder Freund schon selbst erledigen. Wir tun, was wir können, und gut ist. Worauf wir fokussieren müssen ist die Störung, und nicht auf den Verursacher oder den, den wir für den Verursacher halten. Beides geht nach hinten los, nennt sich Projektion und ist ein Krankmacher. Wir können nur die Störung beseitigen, die in uns allein oder in uns durch äußere Ereignisse ausgelöst werden. So kommen wir zu Kraft zurück und gewinnen inneren Frieden. Mehr geht nicht. Wir werden die Welt nicht bessern, sie erretten oder zum Guten wenden. Wir sind nur für uns selbst verantwortlich. Das klingt nach allein-sein müssen, ist es aber nicht. Krank, depressiv und verängstigt zu sein werden zum Allein-Sein führen. Der erreichte „Innerer Friede“ aber ist in Vollendung eins mit Allem, das ist logisch betrachtet zwar letztlich auch allein, aber auf einer ganz ganz anderen Ebene. Und im Dunkel und Hell der Evolution dazwischen gibt es viele viele Stufen. Allein ist da niemand, der offen und frei sein Leben gestalten kann, im Gegenteil: Er/Sie wird die ganze Welt um sich versammelt finden.




Eine vierte Ode an die Un-Entschiedenheit: Präventives Yoga

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Sports, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit, der ich damit den vierten Teil einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an Ansichten über Yoga, genau genommen über eine Form, die ich „Präventives Yoga“ nenne und deren Voraussetzungen erst erarbeitet sein müssen, bevor es begonnen werden kann.



Der Artikel ist ebenfalls wie sein Vorgänger deutlich länger geworden, als zunächst von mir beabsichtigt. Aber: Ich brauchte diese Länge, um ausdrücken zu können, was ich meine.

Die Unentschiedenheit, mit der wir leben müssen, …

… wenn wir Yoga praktizieren. Hierfür muss ich sehr viel weiter ausholen, als wenn ich schreiben würde: Yoga und seine Übungspraxis ist gut für die Gesundheit. Es kann Gesundheit fördern und diese auch wieder herstellen, so denn genügend Zeit zur Verfügung steht und die Übungen, die dazu notwendig sind, korrekt und zielführend angewendet werden. Aber, und das ist für mich hier in diesem Artikel entscheidend, dafür war und ist Yoga eigentlich nicht gedacht. In meiner Anschauung ist Yoga in seiner klassischen Prägung (Patanjali) präventiv ausgelegt und soll, wenn bereits als gesunder Mensch begonnen, die Gesundheit für eine lange Lebenszeit erhalten. Dazu werden bei Patanjali zunächst einmal Rahmenbedingen (yama, niyama: so etwa vergleichbar mit Moral und Ethik) formuliert, dann werden Körper und Atemübungen vorgestellt, die den gesund vorgefundenen Körper gesund erhalten können und dann geht es mit großer Konsequenz zur Einübung der Stille und weiterführend zur Meditation.

Exkurs: Natürlich helfen Yogaübungen wie Asana und Pranayama auch bei der Herstellung oder Wiedererlangung von Gesundheit. Dafür braucht es einen langen Atem, denn diese Gesundheit kann ja „nicht eingenommen“ werden, sondern müssen „durch Umgestaltung der ungesunden Anteile“ erarbeitet und in der Folge dessen auch gefestigt werden [1. Ich möchte es einmal mit einem Hausputz vergleichen. Zuerst einmal wird der Raum gründlich gereinigt, dann erfolgt die aufwendige Tätigkeit, die Sauberkeit auch für einen längeren Zeitraum zu erhalten. Den sauberen Raum zu erreichen ist ja kein in sich abgeschlossenes Ereignis, das Bestand hat, sondern es wird in seiner Folge ein Prozess angestoßen, die eigentlich nie zu einem Ende kommen kann, soll die Sauberkeit erhalten bleiben.] Im Yoga heißt das für einen Beginn der Praxis, das alle krankmachenden Anteile [1. Verspannungen, schlechte Gewohnheiten in allen Lebenslagen, falsche Nahrungsvorlieben, energetische Blockaden, Bewegungsmangel, häufiges stundenlanges Sitzen, usw.] dauerhaft umgestaltet werden müssen. Dazu werden die Stufen 3-5 verwendet, also Körper- und Atemübungen sowie die Fähigkeit, seine Sinne [1. Yoga kennt sechs Sinne. Zu den fünf bekannten kommt noch das Denken hinzu.] im Zaum halten zu können. Sind diese Aufgaben gelöst/erfüllt, kann mit dem „präventiven Yoga“ fortgesetzt werden.

Dieser Artikel beschäftigt sich ausschließlich mit dem präventiven Yoga. Dazu sollten als Voraussetzungen für den Beginn genannt werden:

1. Gesundheit, oder besser ausgedrückt die Abwesenheit von Krankheit.

2. Eine angepasste Ausformung der Lebensumstände und seiner Gewohnheiten.

3. Ein ausreichende bis gute Form des Alltags, die nicht-schädigend mit Körper und Geist umgeht.

4. Ein unbelastete Einbettung in eine Gesellschaft mit anderen Menschen.

Gewöhnlich sind Menschen in Mitteleuropa stets geneigt, diese Voraussetzungen bei sich selbst als gegeben anzusehen. Dem kann und werde ich nicht zustimmen können, und ich denke, das wird, so nicht ein Wunder geschieht, auch noch lange so bleiben. Warum schreibe ich das so? Die Menschen in unseren westlichen Gesellschaften werden doch älter als in allen anderen Lebensgefügen. Ja, das stimmt, aber sie werden nicht gesund älter, sondern können meist das hohe Alter nur mit eine Unzahl von Medikamenten und operativen Eingriffen erreichen. Häufig ist alt-werden mit Bewegungseinschränkungen, ärztlich verordneten Nahrungsrestriktionen, häufigen Einnahmen von Medikamenten, mangelnder Beweglichkeit sowie Kraftlosigkeit und allen Arten von Schwindel- und körperlichen und geistigen Degenerationserscheinungen verbunden. Ich bin der festen Überzeugung, das viele dieser Einschränkungen vermieden werden könnten, wenn die Menschen rechtzeitig, also noch in gesundem Alter, mit Präventionsaktivitäten beginnen würden. Aber, wie bereits gesagt, dafür müssten sie zunächst einmal zu einer relativen Gesundheit gelangen; relativ deshalb, weil Verletzungen und Behinderungen, die nicht gerichtet werden können, verbleiben müssen und sozusagen „das Best-Mögliche“ daraus gemacht werden muss.

Zu 1. Abwesenheit von Krankheit

In der Regel basiert unser Gesundheitssystem auf der Bekämpfung von bereits sich herausgebildeten Krankheiten, und das sehr oft erst dann, wenn diese bereits stark ausgeprägt sind, sich als chronisch erweisen und für wirksame Gegenmaßnahmen ohne Chemie oder Messer es bereits zu spät ist. Dann mit Yoga anzufangen, ist zwar nicht vergebens, aber eine mühsame und zeitaufwendige Angelegenheit. Eine sinnvolle Yogapraxis setzt voraus, das der Übende zumindest mit den Grundhaltungen der Asana- und Pranayama-Arbeit vertraut ist und über genügend Kraft, Ausdauer, Körperwahrnehmung und Beweglichkeit verfügt, um diese auch in einem geschwächtem Zustand einnehmen zu können. Das sehe ich heute meinen Beobachten zufolge bei vielen, die mit Yoga beginnen, als meist nicht gegeben an. Wenn sich also eine Einschränkung bereits etabliert hat, ist der Beginn mit Yoga sehr viel schwieriger, als wenn gesund begonnen wird. Woher kommen die ganzen Einschränkungen, die fälschlich zu lange als „noch“ gesund angesehen werden. Da ist der Arbeitsalltag, das sind einseitige Belastungen im Sport, da sind die Setzungen von Prioritäten wie Karriere und das Geld-verdienen-müssen usw. Und natürlich spielt auch Unwissenheit eine große Rolle. Ich empfehle, jung und gesund mit dem Übungen im Yoga zu beginnen. Dann sind die Grundlagen gesetzt, um bei Bedarf Unstimmigkeiten angehen zu können. Yoga so begonnen schafft ein hohes Maß an Körperwahrnehmung, was in der Folge den Menschen auch in die Lage versetzt, auch beginnende Schwierigkeiten mit Gesundheit/Krankheit frühzeitig erkennen zu können. So sind die Gegenmaßnahmen, die (noch) mit Yoga möglich sind, auch problemlos anwendbar.

Zur Gesundheit, wie sie für präventiv wirksames Yoga erforderlich ist, zählen auch eine normal ausgestaltete Beweglichkeit [1. Dazu gibt die Orthopädie folgende Normen vor: 1. Eine Vorwärtsbeuge im Stehen mit geraden Beinen, die mit den Fingern den Boden zu berühren imstande ist; 2. die Fähigkeit, die Hände hinter dem Rücken zu verbinden, wobei eine Hand über den Kopf geführt wird, 3. die Fähigkeit, im Sitzen mit ausgestreckten Beine die Zehen mit den Handgelenken berühren zu können; 4. in der Bauchlage einen Oberschenkel mindestens 10 Zentimeter ohne Mühe anheben zu können; 5. sich ohne Abheben der Fersen in die Hocke zu begeben; 6. in einem tiefen Ausfallschritt nach vorne sollten die Oberschenkel einen 180° Winkel zueinander erreichen; 7. in der Rückenlage sollte ein angewinkeltes Bein mit dem Knie auf der Gegenseite abgelegt werden können, ohne das sich die gegenüberliegende Schulterseite vom Boden abheben muss.], eine für den Alltag ausreichende Kraft [1. Beispiele: Treppensteigen können, einen Einkauf nach Hause tragen können, …] sowie eine ausreichende Ausdauer [1. Beispiel: …um einen langen Spaziergang machen zu können, um hier und da auch einmal eine Arbeit über einen längeren Zeitraum im Stehen durchführen zu können, …]. Mit anderen Worten gesagt: Es sollte ein ganz normaler aktiver Alltag bewältigt werden können. Die Beweglichkeit ist insofern besonders wichtig, da viele Organe, Gelenke, Faszien und andere Körperpartien Bewegung in ihrer Umgebung benötigen, um gut funktionieren zu können.



Zu 2. Lebensumstände und Gewohnheiten

Viele Menschen unserer Zivilisation neigen dazu, alle persönlichen Bedürfnisse den Parametern Arbeit und Familie unterzuordnen, und sie vergessen dabei, wie wichtig es ist, sich um sich selbst zu kümmern. Lebensumstände aber sind nicht festgeschrieben und schon gar nicht in Stein gemeißelt. Sie können verändert werden. Das Leben ist kein Gefängnis, wo ganz klare und oft auch erzwungene Regeln gelten. Wenn ich doch bemerke, das die Art und Weise, in der mein Leben abläuft, mir weder bekommt noch mir gut tut, oder mich sogar stark belasten und/oder sogar schädigen, ist doch ein Wechsel in besser geformte Umstände erforderlich. Außerdem ist doch jedem, der früh am Tag die vielen Menschen sieht, die sich mit Bewegungseinschränkungen zur Arztpraxis quälen, klar sein, das er/sie älter werden wird und es ein Wunder wäre, ohne Einschränkungen ganz leicht durchs ganze Leben huschen zu können. So sagen mir viele Yoga-Einsteiger, sie hätten früher eigentlich nie Zeit gehabt, eine Yogapraxis zu beginnen. Sie nehmen an, das dabei mindestens 90-120 Minuten täglich oder 2-3 mal in der Woche notwendig wären. Dem ist nicht so. Ich denke, das einmal pro Woche eine 90 minütige Übungsreihe unter Anleitung plus 10-15 Minuten jeden Tag [1. …mit gesetzten Schwerpunkten entsprechend der Belastung oder nach Vorgabe eines Lehrers…] eine ausreichende Praxis darstellen, solange (noch) keine hartnäckigen Einschränkungen vorliegen.

Exkurs: Halten wir zunächst einmal fest: Der Mensch ist eine Einheit aus Körper und Geist. Und stellen wir weiterhin fest, das viele Organe und ihre Funktionen ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen. So hat zum Beispiel eine niedrig-gradige oder stille Entzündung [1. Stille Entzündungen spielen sich konstant im Körper ab und äußern sich anfangs mit diffusen Symptomen. Dazu zählen: Schlappheit, Müdigkeit, Antriebslosigkeit. Allgemeines Krankheitsgefühl. Häufige Infekte. Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Paradontose, Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit, …] ganz bestimmt eine oder mehrere Ursachen, die nicht ganz so einfach nach dem „wenn, dann…“-Schema betrachtet oder sogar diagnostiziert werden können. Falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, Schädigungen und Einschränkungen aller Organe, Stress, übermäßige körperliche Belastungen, eine Überlastung des Körpers und was sonst noch alles können dies mit verursacht haben. Von Alkohol und anderen Unsitten will ich gar nicht erst anfangen zu schreiben. Wäre es nicht schön, wenn manche der genannten möglichen Ursachen schon frühzeitig zu erkennen gewesen wären. Man hätte rechtzeitig Abhilfe schaffen können. So aber setzt sich die ganze Kolonne mit stetig steigender Anzahl von Missständen in Bewegung, die so einfach gar nicht (mehr) zum Stillstand gebracht werden kann. Der geübte Yoga-Praktizierende erkennt viele dieser Schwierigkeiten schon sehr früh, weil er für Veränderungen im Körper sensibilisiert ist. Viele weit verbreitete Beschwerden der heutigen Zeit beruhen auf diesen oder ähnlichen Prinzipien. Es ist doch so, das ein Missstand, der nicht erkannt wurde, eine ganze Latte von weiteren Missständen nach sich ziehen kann/wird. Und Missstände sind nicht nur Organversagen oder Verletzungen, sondern sind auch zu vieles Sitzen, zu wenig Bewegung, einseitige Ernährung usw., also Motive, die oft gar nicht mit Gesundheit in Beziehung gebracht werden. Meiner Erfahrung nach werden solcherlei wirksame Motive alle sehr frühzeitig von Körper und Geist angekündigt. Mangelnde Bewegung wird durch Unruhe angezeigt, vieles Sitzen erzeugt schwere Beine und Schwächen im Herz/Kreislauf-System. Und was einseitige/falsche Ernährung anrichtet, muss ich nicht extra beschreiben, das geht von der Magersucht bis zur Fettleibigkeit, von Störungen des Verdauungssystems bis zu Vergiftungen und Mangelerkrankungen. Wenn wir immerzu nur Symptome zu lindern oder abzustellen gedenken, wird eben die Kolonne der Schwächen immer länger. Eines zieht das Nächste und das Weitere hinter sich her, und irgendwann ist dann Schluss mit der lustigen Kolonnenfahrt, und der Körper zieht die Notbremse: Chronische Krankheit.

Zu 3. Sich nicht Selbst-schädigend verhalten

Um zu erkennen, welche aktuellen Reaktionen im Körper ablaufen, muss der Übende sensibilisiert sein, sonst erkennt er diese nicht und/oder interpretiert seine Beobachtungen falsch. Im Grunde genommen ist gesundes Leben doch sehr einfach:

1. Sich weder körperlich noch geistig überlasten.

2. Sich seinen körperlichen Stärken und Schwächen entsprechend verhalten.

3. Zeitweise auftretende Einschränkungen und ebensolche Dauereinschränkungen berücksichtigen [1. Jeder wird älter und verliert somit langsam aber sicher Körperspannung und Kraft. Mit 70 ist man keine 20 mehr. Schwangere Frauen sollten keine große Lasten tragen. Übergewichtige sollten auf ihre Ernährung achten. Die Einnahme von Medikamenten (z.B. Antibiotika) erfordern oftmals eine angepasste Nahrungsaufnahme. Zucker und Nicotin sind Suchtmittel. Und so könnte es noch Seitenweise weitergehen…]

4. Sich frei machen von Vorurteilen, Zwängen und ungeschriebenen Gesetzen. [1. Das ist notwendig, da jeder der genannten Punkte zumindest für Ärger, Leid und Lasten sorgen, wenn nicht sogar zu psychischen Störungen führen wird, die durchaus bereits als Krankheit angesehen werden können.]

Sich nicht-Selbst-schädigend verhalten heißt nicht, sich den Regeln der Ernährungsmoden zu unterwerfen. Ich zum Beispiel esse, was mir schmeckt und gut bekommt, und vertraue Sie auf meine eigene Wahrnehmung, und nicht auf Werbung und Studien. Auch werde ich mich nicht verleiten lassen, irgendwelche Dinge zu tun (Sport, Untersuchungen, Einschränkungen), die mir nicht selbst in den Sinn gekommen, also mir von außen zu-diktiert werden. Ich achte darauf, das ich die mir mögliche Beweglichkeit erhalten kann und mache Übungen dazu. Weiterhin achte ich darauf, ob und wie mein Alltag mir gelingt. Kann ich meine Einkäufe tragen, kann ich meinen Gartenarbeiten, meinen Wohnungsarbeiten, meine sportlichen Hobbys nachkommen, ohne danach erledigt, abgespannt oder übermäßig müde zu sein? Sollte hier und da ein Symptom auftreten, schaue ich mir das genau an und sorge mit Yoga oder anderen Maßnahmen für Abhilfe.



Zu 4. Die Einbettung in eine Gemeinschaft

Ich würde eine Empfehlung für alle aussprechen: Sich in ein gesellschaftliches Gefüge einordnen sollte immer angestrebt werden, sofern sich dieses nicht Menschen-feindlich verhält. Sollte es das doch tun, und ich gehöre ihm bereits an, ist Selbstschutz immer wichtiger als Gerechtigkeit. Nur so kann heute ein Mensch sein Leben sinnvoll gestalten. Anderes Beispiel: Ich werde, um meine Wasserkisten nach Hause zu transportieren, mich mit Sicherheit nicht auf ein Fahrrad verlassen, nur weil das in Mode gekommen ist. Ich mag mein Auto. Es war mit 18 Jahren und aus der Provinz stammend im Jahre 1972 ein Werkzeug zur Erlangung von Freiheit. Und ich werde es weiter verwenden, bis es mir verboten wird. Ich mag es auch nicht, zu einer Veranstaltung oder Feier durch das Fahrrad nass, durchgeschwitzt und abgehetzt anzukommen. Wozu ich allerdings gerne bereit bin, ist, mich an die mir vorgegebenen Gesetze zu halten. Ich bezahle meine Steuern und fahre auf der rechten Seite einer Fahrbahn. Aber, was nicht verboten ist, ist grundsätzlich erlaubt. Und was mir erlaubt ist, lasse ich mir nicht durch irgendwelche Mobbing-Gruppen absprechen. Was ich ebenfalls ablehne, ist meine Ansicht mit Druck, unlauteren Mitteln und voller Lautstärke durchsetzen zu wollen. Ich sagte es: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Und wenn mir mal was nicht passt, und weil es eben nicht verboten ist, reagiere ich darauf mit Toleranz [1. Kommt vom lateinischen „tolerare“ und heißt nichts anderes als ertragen, erleiden, erdulden.] Die Gesellschaft erlässt Gesetze. Wenn ich ihr angehören möchte, sollte ich sie befolgen. Alles andere ist, um es gelinde auszudrücken, unpassend. Wenn ich trotzdem Protest anmelden möchte, schreibe ich eine Veröffentlichung oder gehe auf eine angemeldete Demonstration. Dafür gibt es wie für alles andere Regeln. Und wenn mir die bestehenden Regel nicht gefallen, melde ich mich in einer Partei an und versuche so, diese zu ändern. Sachbeschädigung, Behinderung und Nötigung sind Straftaten, aber mit Sicherheit kein Protest. Nur so kann eine Gesellschaft bestehen. Ich kenne keinen anderen Weg. Wenn ich das nicht akzeptiere, sollte ich mir eine andere Gesellschaft suchen. Es gibt genug davon auf dieser Welt. Die Einbettung in eine Gesellschaft ist heute absolut notwendig. Ich kenne keinen Ort auf der Welt, wo dieses anders gestaltet wäre. Wenn ich ein freies, gesundes und gestaltendes Leben führen möchte, muss ich das wohl oder übel in Kauf nehmen. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Hier fehlt leider jede Alternative. Ich empfehle, sich mehr und mehr unauffällig zu verhalten, weil: Menschen im Rampenlicht verlieren ihre Freiheit, nicht, weil sie diese durch den erworbenen Ruhm verlieren könnten und/oder abhängig werden, sondern weil andere sie unmöglich machen werden. Meine Beobachtung sagt eindeutig, das „berühmt“ und „frei“ selten miteinander harmonieren.

Soweit zu den Voraussetzungen. Kommen wir zurück zu dem, was ich Eingangs „Präventives Yoga“ genannt habe. Yoga so verstanden dient für einen Menschen, der die vier Punkte (s.o.) [1. Nicht-Selbst-schädigend, den Umständen angemessen, Abwesenheit von Krankheit, Einbettung in eine Gemeinschaft] gemeistert hat, hauptsächlich dazu, sich die so erworbene Freiheit zu erhalten. Regelmäßiges leichtes Üben von Yoga spürt jede Form von Anspannungen, Blockaden, Organschwächen und Belastungen sicher auf. Und jeder Übende kann dann relativ früh mit Gegenmaßnahmen beginnen, sei es, das ein Arzt zu Rate gezogen werden, eine Gewohnheit geändert, eine Beziehung angepasst oder ein Arbeitsalltag verbessert werden müsste. Zuerst kommt immer die Wahrnehmung einer Notwendigkeit, bevor diese in Handlungen oder Lebensveränderungen gestaltet werden kann. Das Yoga so nebenbei auch meist noch verhindert, das Blockaden überhaupt entstehen, Verspannungen sich fest etablieren oder Stress sich negativ auswirken kann, kommt noch fördernd hinzu. Dazu kommt eine gut trainierte Körperverfassung, eine durch und durch bewegliche und belastbare Muskulatur und ein Geist, der nicht verlernt hat, wahrzunehmen, zu lernen und seine Umwelt zu verstehen. Konflikte entstehen nicht, Leiden entsteht nicht, Mangel und Degeneration werden zumindest gebremst. Kann ich jemand mit diesen Aussagen zum Yoga locken? Bei mir war das erfolgreich. Ich bin fast 70 jahre alt und gesund und munter, komme ohne Medikamente aus und bin für mein Alter fit wie ein Turnschuh.

Unentschiedenheit

Wo kommt aber jetzt noch die Unentschiedenheit hinein, wo ich doch auf mehreren Seiten detailliert und ziemlich genau erklärt habe, was zu tun und zu lassen sei. Nun, das stimmt so nicht ganz. Denn erklärt habe ich nur den Weg, der zur Freiheit von Beschränkungen, dem Ausgangspunkt einer präventiven Yogapraxis, führt. Was ich nicht erklärt habe und auch nicht erklären kann, ist die Technik, das Rezept oder das Konzept, wie sie danach dauerhaft zu erhalten ist. Das kann ich auch nicht, weil: Es gibt keine Technik, kein Rezept und kein Konzept, das, sind die Voraussetzungen erfüllt, zum Erhalt derselben beitragen könnte. Ich nutze nur meine Übungen, um sich einschleichende Fehler aufspüren zu können. Gibt es keine: schön, gibt es welche: auch schön, weil ich sie nämlich jetzt kenne und beseitigen/umgestalten kann. Und alles darüber hinaus ist der Freiheit anheim gegeben, und die ist so individuell, so wechselhaft und unplanbar wie der Mensch und sein Leben. Und so wird wieder einmal, diesmal über Yoga ausgesprochen, ein „Schuh“ der Unentschiedenheit daraus. Wohin er mich tragen wird, weiß ich nicht und will auch eigentlich auch nicht (mehr) wissen. Freiheit heißt doch, jetzt und hier für mich jederzeit Entscheidungen treffen und sie vollziehen zu können/dürfen. Da gibt es keine Regeln außer die meiner Gemeinschaft und die meiner Möglichkeiten. Und selbst das ist/kann nicht für alle Zeit als festgezurrt (gelten). Und wenn etwas offen ist, unentschieden eben, gibt es wenig darüber zu berichten.




Eine dritte Ode an die Un-Entschiedenheit: Stille Meditation

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Sports, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit, der ich damit den dritten Teil einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an Ansichten über die Meditation. Dieses Wort ist heute so durchgestaltet, verbreitet und missbraucht, das sich der eigentliche Sinn, wie er sich aus der Überlieferung ergibt, sich so gut wie nicht mehr auffinden lässt.



Der Artikel ist (leider) etwas länger geworden, als ich das beabsichtigt hatte, aber: Ich konnte es mit weniger Worten nicht so ausdrücken, wie es mir in den Sinn kam.

Die Unentschiedenheit, mit der wir leben müssen, …

… wenn wir Meditation praktizieren. Was ich hier zu beschreiben versuche ist, meine Erfahrung zu Papier zu bringen, ohne dabei zu Überhöhen oder zu Untertreiben oder mich in Nachbetungen zu erschöpfen. Meditation ist eine Lebenspraxis, die offen, der Buddhist würde sagen, „leer“ ist. Es gibt kein Ziel, keine Methode usw, es gibt zunächst nur das persönliche Motiv, das im Grunde genommen sehr unterschiedlich sein kann. Ich empfehle, am Anfang alle in Frage kommenden Motive zu nutzen, um die Praxis zu beginnen, und dann nach der Einrichtung der Gewohnheit eines nach dem anderen zu negieren, neudeutsch: zu canceln, um dann ohne Vorgabe, ohne Zielvorstellung und ohne Rezept… in sein Sitzen gehen zu können. xX

Auch die Bestätigung eines Meditations-Meisters erhalten zu wollen, die Bestätigung also, die meditative Praxis erreicht/erklommen zu haben, ist bereits ein Konzept. Also, alles gezielt Angestrebte ist in meiner Vorstellung alles mögliche, aber nicht Meditation. Sie erfordert also eine oftmals sehr lange Vorbereitungsphase, erfordert viele Versuche mit meist bescheidenem Ausgang, wird hier und da Verwirrung, Sorge und Ernüchterung erzeugen und bedarf daher Mut, Hartnäckigkeit und einen sehr langen Atem. Es darf nicht entscheidend sein, ob die Praxis ein Gefühl des Gelingens oder Misslingens erzeugt. Ich betrachte sie als eine Lebenspraxis, in etwa so wie das Atmen, das Schlafen und das, um ein Motiv der modernen Kultur zu nennen, Zähneputzen. Meditation ist und bleibt ein „Weg in unbekanntes Terrain“, nicht vorgegeben, nicht planbar und auch nicht zu irgendwelchen Zwecken gut. Meditation ist Meditation, ist Zazen, ist Sitzen, ist „leer“ im buddhistischen Sinne, also nicht beschreibbar. Und das ist gut so!

Im nachfolgenden Text versuche ich diese durchaus gewagten Aussagen aus meiner Sicht zu begründen. Es ist, wie gesagt, meine persönliche Ansicht, wie sie gerade eben, wo ich das hier schreibe, vorliegt. Vielleicht kann sich diese schon morgen ändern/geändert haben. Beginnen möchte ich mit der Beschreibung der Meditation in Wikipedia. Es folgt eine Kritik der dort gemachten Aussagen und im Text eingebettet, wie ich das alternativ zu Wikipedia bzw. dem Schreiber dort sehe und praktiziere.

Meditation in Wikipedia:

Meditation bezeichnet eine Gruppe von Geistesübungen, die in verschiedenen Traditionen seit Jahrtausenden überliefert sind. Ein wesentliches Element meditativer Techniken ist das bewusste Steuern der Aufmerksamkeit. Das Üben von Meditation soll nachhaltige positive Veränderungen im Denken, Fühlen und Wahrnehmen bewirken oder zu bestimmten religiös definierten Einsichten und Zuständen führen. Effekte von Meditationstraining auf Kognition, Emotionen, Hirnfunktion, Immunsystem, Epigenetik sowie auf die psychische Gesundheit sind wissenschaftlich belegt. Meditation ist ein zentrales Element in verschiedenen Religionen, insbesondere dem Buddhismus, wie auch im Hinduismus, Konfuzianismus und Christentum. Seit dem 20. Jahrhundert wird Meditation zunehmend auch in der westlichen Welt praktiziert und wissenschaftlich erforscht.

Nun ist Meditation eine Sache, die sich meiner Ansicht nach so materialistisch ausgeformt/-gestaltet nicht darstellen lässt, denn im Grunde ist ein Nutzen dieser Praxis weder wissenschaftlich belegbar noch kann sie bestimmten Zielen in Form einer Technik, die zu einem vorgegebenen Ziel führt, zugewiesen werden. Natürlich hat das Sitzen in Stille Veränderungen in Körper und Geist (beide sind eine Einheit…) zur Folge, aber, und das ist mehr als entscheidend, können diese nicht bewusst herbeigeführt werden. Aber genau das wäre Wissenschaft: Wenn ich A tue und verfolge, passiert B. Und ich kann das in einem validen Verfahren jederzeit erneut belegen. Denn: Niemand kann vorhersagen, wie sich Meditation auf das Sein eines Menschen auswirkt. Es ist ja gerade dieses Nicht-Wissen-Können, das zur „Technik/Gewohnheit“ wird und in meiner Erfahrung kann eine Praxis desselben nicht planmäßig angestoßen werden, auch wenn viele Bücher und Veröffentlichungen das dem Leser so mehr oder weniger geradezu in den Mund legen.

a. Es geht in der Meditation sinnvoller Weise doch zunächst einmal um die äußere Form. Jeder Einsteiger wird das sehr deutlich körperlich erfahren. Still sitzen über einen Zeitraum von mehreren Abschnitten, die sich in der Summe nur in Stunden ausdrücken lassen, ist eine Praxis, die sich so einfach schon allein körperlich nicht umsetzen lässt. Einschlafende Beine, wegdämmern, dösen, einschlafen und damit verbunden Rücken- und Beinschmerzen werden jede meditative Stimmung verderben.

b. Dann geht Meditation, so sie denn gelingt (s.u.), in Bewusstseinsschichten hinein, die dem alltäglichen Geist sprich Verstand unzugänglich sind. Aber diese sind nicht, wie viele Schriften vermuten lassen, in einem wie immer auch gestalteten Jenseits angesiedelt, sondern sie sind hier, in dieser Welt, in diesem Körper, in dieser Persönlichkeit. Sie transzendent zu nennen ist verschroben, um einen sanften Ausdruck zu gebrauchen, denn Transzendenz [1. Transzendenz (von lateinisch transcendentia „das Übersteigen“) beschreibt den Bezug auf einen Gegenstandsbereich, der jenseits möglicher Erfahrung bzw. vorfindbarer Wirklichkeit liegt. Wikipedia.de] liegt, wie der Name schon sagt, jenseits des Bewusstseinsfensters, das sich einer Persönlichkeit öffnen kann. Auch sehe ich nicht, das man ein Bewusstsein so wirklich eindeutig in verschiedene Abschnitte wie ein Offenes-Bewusstsein, ein Unter-Bewusstsein und dazu noch in ein Un-Bewusstes trennen kann. Auch hier ist der Begriff [1. Bewusstsein (abgeleitet von dem mittelhochdeutschen Wort bewissen im Sinne von „Wissen über etwas habend“,lateinisch conscientia „Mitwissen“ und altgriechisch syneídēsis „Miterscheinung“, „Mitbild“, „Mitwissen“, synaísthēsis „Mitwahrnehmung“, „Mitempfindung“ und phrónēsis „bei Sinnen sein, denken“) ist im weitesten Sinne das Erleben mentaler Zustände und Prozesse. Eine allgemein gültige Definition des Begriffes ist aufgrund seines unterschiedlichen Gebrauchs mit verschiedenen Bedeutungen schwer möglich. Wikipedia.de] bereits so geprägt, das weder eine Definition und folgerichtig daher auch keine Unterteilung möglich erscheint. Solcherlei Einteilungen und Spitzfindigkeiten entbehren jeglicher wahrnehmbaren und/oder wissenschaftlichen Basis.



c. Dann kann man mit einer geistigen Tätigkeit [1. Geist heißt ja deshalb Geist, weil er keine materielle Erscheinung ist. HpS] keine materiellen Änderungen erzeugen. Das ist nach wie vor und ich fürchte für lange Zeit noch eine SF-Vision. Meditation kann nur hervorbringen, was schon da ist. Dazu werden für die Meditation die verschiedensten Techniken und Werkzeuge vermittelt. Das ist sicherlich ein guter Weg für den Einstieg, aber schon in der Phase der Festigung, wenn die Meditation also wie das Zähneputzen zur alltäglichen Praxis wird, kann mit den unterschiedlichen Konzentrationen [1. Jede Technik ist im Grunde genommen (nur) eine Konzentration.] nicht mehr sinnvoll gearbeitet werden. Jede Konzentration bedarf des Denkens, bedarf der Sprache, legt fest und verdeckt/verschleiert so das Unbekannte. Sie sind daher alles andere als offen.

d. Was bitte sehr hat Meditation mit Epigenetik [1. Die Epigenetik ist das Fachgebiet der Biologie, das sich mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle zeitweilig festlegen. Sie untersucht die Änderungen der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der Sequenz der Desoxyribonukleinsäure, etwa durch Mutation oder Rekombination, beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden.Wikipedia (DE)] zu tun. Der Einfluss der Umwelt auf die Gene wird beim stillen Herumsitzen nicht anders sein als wenn ich im Garten in aller Stille Unkraut jäte oder wenn ich im Büro eine Excelliste bearbeite. Wenn Meditation wirksam die Gesundheit verbessert, wie oftmals wissenschaftlich behauptet und wie das von vielen Menschen auch bestätigt wird, was ich auch tue, hat das natürlich auch Einfluss auf das Erscheinungsbild des Menschen allgemein als auch auf die Hirnfunktion und die Reaktionen auf die Umwelt, aber auch auf die Verdauung, auf das Nagelwachtum und alle anderen Erscheinungsänderungen. Auch ist bei guter Gesundheit bestimmt ein Stimmungswechsel zum positiven hin zu verzeichnen, der sich so bei Krankheit nicht zeigen wird. Ich halte die Phrasen zur Epigenetik und Hirnfunktion für den Versuch, der Wissenschaft eine Legitimierung zu geben, die sie aufgrund der Fremdheit des Geschehens gar nicht haben kann. Denn fremd sind der Wissenschaft die Aussagen von Meditierenden, dass 1. Meditation weder etwas mit Denken noch mit Wissen zu tun hat, das 2. Meditation nicht gewollt herbeigeführt werden kann und 3. eine Ebene beschreibt, die nichts mit Raum und Zeit zu tun hat, also keine Gegenstände noch deren Benennung kennt. Nichts im Hirn zeigt Meditation messbar an, außer, das der Mensch sehr ruhig wird [1. Was das EEG mit elektromagnetischen Wellen von 8-13,9 Hz also eine Ruhefrequenz sprich Alpha-Wellen anzeigt.], was beim langen Stillsitzen oder ausgeprägten Ruhezeiten ja auch nicht außergewöhnlich ist. Wo soll die Unruhe dabei herkommen? Vom Geist vielleicht? Und wie wird der im Gegensatz zu Hirnaktivität gemessen? In Alpha-, Beta- oder Gamma-Wellen vielleicht? Ich halte die Aussagen der Wissenschaften für sehr gewagt, wenn nicht sogar anmaßend.

Zu a. Die äußere Form der Meditation (Sitzen, Zazen)

Meditation bedarf der körperlichen Ruhe und der Abgeschiedenheit, denn der Übende braucht sozusagen Platz in seinem Bewusstseinsfenster. Der abgesonderte Meditationsplatz, störungsfrei gestaltet, führt die Sinne in einen Ruhezustand. Meist sind die Augen geschlossen oder halb geöffnet, der Körper bewegt sich äußerlich nicht und ruht fest in seinem Sitz für eine ziemlich lange Zeit. Das alles sind Umstände, in die zu wechseln ein Mensch, der innerhalb einer Zivilisation eingebunden lebt, so ohne weiteres nicht imstande sein kann. Aus einem ereignisreichem Tag, gefüllt mit Ansprachen, Gesprächen, Wahrnehmungen, Lernen und all den lebensnotwendigen Verrichtungen in eine Form zu wechseln, die nahezu als „leer“ beschrieben werden kann ist also die erste Aufgabe, die eine Praxis anzustreben hat. Das braucht Zeit und Übung. Dazu braucht es in jedem Fall zunächst einmal eine Sitzhaltung, die auch bereit ist, still zu sein. Meine Überlegung geht dahin, das körperlich still sein nur dann gelingt, wenn es dem Körper gut geht und ihm alles zur Verfügung steht, was er braucht. Also empfehle ich, zunächst einmal lange Zeit darauf zu verwenden, einen Sitz entsprechend zu gestalten. Verspannungen, die Schmerzen erzeugen, Fehlhaltungen, die weder Atem noch Kreislauf frei laufen lassen, sind in jedem Fall zu meiden. Auch sollten weder Beine noch Arme einschlafen, sollte der Geist nicht dösen oder sogar wegdämmern, sollte das Denken auch nicht sich mit Alltäglichem beschäftigen. Mir hilft nach wie vor, mich immer wieder auf das Sitzen zu konzentrieren, wenn ich bemerke, das anderes geschieht.

Ich habe lange daran gearbeitet, mir die Lotushaltung als Sitz zu erarbeiten, denn diese ist besonders geeignet, fest und mühelos zu werden. Fest ist der Lotus deshalb, weil hier zwischen Hara und Perineum ein Spannungsgefälle entsteht, das die Arbeit des Aufgerichtet-Seins übernimmt und so Mühelosigkeit im Sitzen erschließt. Andere Sitzhaltungen sind da in meiner Erfahrung bedeutend aufwendiger gestaltet. Soweit zunächst einmal die äußere Form einer Meditation, wie ich sie sehe. Wir brauchen einen stillen und störungsfreien Ort, brauchen einen tragfähigen Sitz und die Bereitschaft, vom Alltag loszulassen.

Zu b. Offenheit heißt Abwesenheit von Vorstellungen

Wenn wir uns genau vorstellen, was oder wohin uns Meditation führen wird, gelingt sie nicht. Das sagen alle Äußerungen von Meditationsmeistern (Zen, Yoga, Buddhismus). Also sollten wir das ganze Wissen um… und Wünschen zu… einfach sausen lassen und uns einfach, heißt ausschließlich, nur dem Sitzen zuwenden. Was darin geschieht, geschieht, Punkt. Wir können zwar den Körper stillhalten, aber wir können weder das Hören noch das Sehen und schon gar nicht das Denken abstellen. Und unser Körper erzählt im Stillsitzen unaufhörlich, wie es ihm geht und was er gerne verändern würde. Trotz dieser Störungen/Impulse, die immer da sind, bleibt der Übende in seiner Betrachtung unfixiert, das heißt, er hört, sieht, denkt mehr oder weniger unaufhörlich, aber das Geschehen findet wenig zielgerichtete Beachtung und wird zunehmend wie das Grundrauschen eines Radios oder einer Stadt wahrgenommen. Unfixiert heißt, weder ordnend, bewertend noch in Worte fassend, wird dieses Rauschen als Hintergrund zugelassen. Der Rest des Wahrnehmungsfensters ist offen, nicht gefüllt oder leer. Wir wissen nicht, was dort erscheint, haben keine Vorstellung davon, was kommen soll oder nicht kommen soll, sind weder voll einer Erwartung noch einer Furcht. Und so geht das weiter bis zum nächsten Gedanken, nächsten Bild, nächsten Ton oder der nächsten Körperwahrnehmung.

Eine Methode, mit Störungen umzugehen

Definition: In den nachfolgenden Zeilen wird das Wort Unfixiertheit oftmals verwendet. Das Wort beschreibt in meinem Denken einen Zustand der Wahrnehmung, der sich auf nichts, was einen Namen trägt oder in Worten sich ausdrücken lässt, konzentriert ist. Die Wahrnehmung ist dabei vergleichbar mit einem Film, der ununterbrochen im Bewusstseinsfenster abläuft. Da der Film keine nachvollziehbare Ereigniskette beschreibt, die spannend, interessant oder außergewöhnlich daher kommt, läuft er einfach so ohne große Gedankenwellen ab. Ich könnte auch sagen, er ist ganz einfach alltägliche Normalität, vielleicht sogar als langweilig zu beschreiben und ganz bestimmt wenig abwechslungsreich. Der Film bezieht sich auf nichts und sagt, da er keinen Grund kennt, auch nichts aus. Er ist, wie der Buddhist sagen würde, leer.

Wenn wir die Augen geschlossen haben, sehen wir auch immer noch ein Bild. Das ist zwar wenig spannend, aber es erzeugt, bewusst geschaut, eine Konzentration. Wir sollten aber den Inhalt des Bildes nicht erfassen, nicht in Worte oder Beschreibungen, nicht in Bewertungen oder Vor-/Abneigungen einkleiden, sondern einfach als diffuses Bild ohne Inhalt stehen lassen. Das Betrachten des Bildes ist damit für mich eine Technik, die zum Beispiel in der Lage ist, einen Gedankenstrom, einen Strom des Denken zu unterbrechen und/oder sogar abzustellen. Ist das Geschehen, was in relativ kurzer Zeit geschieht, kehrt der Übende wieder zur Unfixiertheit zurück.

Gleiches wie die Bilder der Augen sind die Geräusche des Hörens. Auch hier kann das Geschehen nicht abgestellt werden. Wir hören immer. Auch hier entsteht eine Technik, wenn sich die Konzentration zum Hören zieht. Auch hier werden die Geräusche weder geordnet noch zum Verständnis seiner Hintergründe geführt, sondern wir hören Töne, Punkt. Und wenn so verwendet, kehrt der Übende wieder zur Unfixiertheit zurück.

Wir haben einen Körper, der ständig Wahrnehmungen absondert. Es entsteht ein Prickeln hier und ein Zucken dort, hier eine Strömung, dort ein aufleuchtender Nerv, die Verdauung, der Atem und der Kreislauf sind allgegenwärtig. Wird eine dieser Wahrnehmungen zur Last, ragt also aus dem Hintergrundrauschen der Sinne deutlich hervor, wird bei mir zum Beispiel ein Wechsel zur Gestaltung des Sitzens erfolgen. Ich gehe dann zum Spannungsfeld zwischen Hara und Perineum und gestalte kurz und zügig meine Aufrichtung neu, indem ich mich energetisch (ist trotzdem unbewegt…) neu ausrichte. Dann nach wenigen Änderungen komme ich wieder zur Unfixiertheit zurück.

Die häufigste und daher auch wichtigste Störung ist das Aufkommen von Gedanken. Diese können aus dem Alltäglichem kommen, aus der Erinnerung an frühere Zeiten oder auch aus Motiven entstehen, die irgendwann durch Medien zugeführt wurden. Die Methode der Wahl ist es, den angekommenen Gedanken nicht weiter zu verfolgen oder gar ein darauf aufbauendes Gedankengebäude zu errichten, sondern ihn einfach stehen zu lassen. Gelingt das, wird der Gedanke sich ebenso unaufdringlich zurückziehen wie er auch gekommen ist. Gelingt es nicht, gehe ich zu einer der anderen Sinneswahrnehmungen hinüber und höre einem Moment bewusst oder sehe das Bild. Auch der Gang zurück zu Wahrnehmung bzw. Gestaltung des Sitzens ist ein guter Wechsel, der Gedanken abblitzen lässt. Nach wenigen Augenblicken aber gehe ich wieder zur Unfixiertheit zurück.



Zu c. Das Hervorquellen des Unbeachteten

In der Meditation entstehen, wie bereits bemerkt, freie Räume im Fenster des Bewusstseins, die sich immer wieder schnell mit zum Teil weit zurückreichenden Erinnerungen füllen. Diese werden bald nach dem Erscheinen als Gedanken wahrgenommen und wie Gedanken (s.o.) behandelt. Da wir diese Gedanken nicht erwarten, werden wir sie mit Sicherheit meist erstaunt einen Augenblick betrachten, sprachlos darüber, das sie überhaupt noch da sind und immer noch gedacht werden können. Es ist eine gute Maßnahme, sich dafür etwas Zeit zu nehmen, Zeit zum Staunen. Staunen aber ist ohne Worte, ohne Ordnung oder Wertung. Staunen ist nur Schauen, das heißt, wir erleben das Motiv dieser Gedanken neu, erlebe ohne zu benennen, zu werten und/oder einzuordnen. Ich sehe solche Gedankenströme als unverarbeitete Erlebnisse der Vergangenheit [1. Erinnerungen und Gedanken sind immer Ereignisse aus der Vergangenheit.], die entweder Eindruck hinterlassen oder Prägungen gezeugt haben, ohne jedoch jemals bewusst wahrgenommen oder in Stille betrachtet worden zu sein. Das wird hier in der Stille und ohne Reflexion nachgeholt, so das diese Motive erfüllt in das Vergessen abgleiten können. Diese Motive schlummern im Sediment des Bewusstseins. Sie an die Oberfläche gelangen zu lassen ist der erste Schritt, ihr Wirken im Verborgenen, das meist wenig hilfreich ist, zu beenden.

Ich denke mir die Arbeit meines Bewusstseins in Meditation etwa so: Mein Leben währt schon fast 70 Jahre, und die Informationsfülle, die ich in dieser Zeit aufgesogen, verarbeitet und gefiltert habe ist unvorstellbar groß. Wichtig für das Verständnis derselben ist die Beschaffenheit des Filters beziehungsweise weiterführend die Assimilationsfähigkeit, mit der ein Bewusstsein diese Unmenge an Daten wichtet, einordnet, kategorisiert und somit zu einem händelbaren Bewusstseinsstrom eindampft. Dabei wird Bekanntes zu Bekanntem, Wünscheswertes zu Wünscheswertem, Langweiliges zu Langweiligem und so weiter sortiert und so nicht weiter beachtet oder verarbeitet, so das Raum entsteht für so sagenumwobene Dinge wie Kultur, Narrative, Moral, Ethik und so weiter.

Meditation ist dann gegeben, wenn …

1. …diese ausgesonderten Filtrate, dieses Eingeordnete und bekannt Langweilige, das ja da ist und wie ein Sediment am Boden des Gefäßes schlummert, im Sitzen zurückgeführt/aufgewühlt wird in ein aufnahmefähiges Bewusstsein, das sich gerade, was das Alltägliche betrifft, in einer Ruhephase befindet. Wir sagen heute gerne dazu, das käme aus dem Unterbewusstsein. Es wird dann betrachtet und behandelt wie einen Gedanken, zunächst mit Staunen, dann evtl. durch den Wechsel auf eine Sinneskonzentration…

2. …das momentan Erlebte ohne Filter aufgenommen, betrachtet und geschaut wird, wenn also das Filtern, Ordnen und Bearbeiten durch Vorstellungen wie Kultur, Narrativ oder Moral unterbleibt. Die Wahrnehmung ist jetzt, hier, einfach und unbeeinflusst.

3. …wenn die Meditationssitzung gefühlt sehr schnell vorübergeht, ich sozusagen denke: Ich habe doch erst zwei/drei Gedanken gedacht, und habe dafür 25 Minuten gebraucht? Wenn Zeit und Raum keine Rolle spielen, so sagt man über Meditation, verbleibt keine Erinnerung.

Meditation ist dann nicht gegeben, wenn…

1. …die Sitzung gefühlt sehr lange dauert und sich ewig hinzieht. Meist sind dabei Träume, Wachträume, Dösen, Nachdenken und Wiederholungen der immer gleichen Gedanken oder sogar kurze Schlafphasen zu verzeichnen.

2. …die Zeit mit Gedankengebäuden und langwierigen Planungen, Formulierungen, Sorgen und Nöten gefüllt wird und sozusagen bereits im Vorfeld zur Zeit nach der Sitzung Überlegungen getroffen werden, die meist mit „Wenn…, dann…“ oder „So würde es gehen…“ beginnen oder enden.

3. Wenn der Körper aufgrund Störungen nicht ruhig zu sitzen bereit ist und sozusagen auf dem Sitz herumrutscht und/oder sich gedankliche Überlegungen einschleichen, was und warum diese und jene Wahrnehmung auftritt. „Ich will doch meditieren…, warum gelingt es nicht?“

Zu d. Hinabtauchen in die tiefen Schichten des Bewusstseins

Die tiefen Schichten des Bewusstseins, von denen ich hier in sehr gewagter Weise schreibe, da ich mich dabei nur auf Bücherwissen, also Beschreibungen von Meditationsmeistern und Wissenschaftlern beziehen kann, haben nach meinen Recherchen nichts mit Zeit, Raum, Wissen, Techniken, Rezepten, Konzepten und festgelegten Neigungen oder Verfahren zu tun, sondern sind die Ebenen, die aus der langen Entwicklungsgeschichte des Menschen stammen. Diese sind/wurden/werden in der Regel durch Kulturinhalte, Narrative, Moral und Ethik überdeckt und so unwirksam gemacht. Diese Schichten enthalten aber nicht nur unerwünschte Inhalte wie Gewalt, Triebe und Überlebensstrategien, sondern auch sehr nützliche und gut ausgestaltete Fähigkeiten, die ich mit Vorsicht als Intuition bezeichnen würde. Diese Schichten zu öffnen erfordert Mut und ein hohes Maß an persönlicher Festigkeit und Zurückhaltung, was nachvollziehbar ist, da eben nicht nur positive Motive zum Vorschein kommen. So erklärt sich auch, warum ein Schutzraum um sich herum, absolute Stille, Unbewegtkeit und innere Zurückgezogenheit für die Meditation notwendige Rahmenbedingungen sind. Es treten eben auch unerwartete Einblicke [1. Der Buddhismus nennt das „Die Versucher“ (Mára, abgeleitet von marati: sterben). Sie werden meist mit Lust, Unzufriedenheit, Gier, Eitelkeit beschrieben und sind die „teuflischen“ Versuchungen, die nicht nur im Alltag, sondern auch in der Meditation auftreten können.] auf, die einen Menschen durchaus aus der Fassung zu bringen in der Lage sind. Diese unbeachtet zu lassen ist wie schon erwähnt eine der großen Aufgaben/Herausforderungen der Meditationsarbeit.

Ich sehe hier nicht, wie wissenschaftliche Methoden hier zu helfen in der Lage wären. Es gibt bezüglich Geist, und mit dem hat das alles zu tun, keine Messmethode. Das bestimmte Hirnregionen aktiviert werden und das dann auf bestimmte Motive gewichtet werden kann, sagt nichts bzw. nicht viel aus über den Inhalt, der hier aktiv ist. Meiner Ansicht nach können nur Stimmungen mit diesen Aktivitätszentren in Verbindung gebracht werden. Und mit den Stimmungen ist das so eine Sache. Mancher bekommt ein gute Stimmung bei gesellschaftlich erwünschten Erscheinungen, aber es geht, wie die Krankenakten der Psychologie und Psychiatrie belegen, auch anders herum. Außerdem sind Messmethoden immer auch mit Aufnahmesensoren und Geräten verbunden. Allein schon deren Anwesenheit wird die Messung beeinflussen. Von der Erwartungshaltung, die sich in/an/mit der Versuchsperson verbindet, möchte ich hier erst gar nicht anfangen. Es gilt das Unschärfeprinzip, das aussagt, das nicht nur die geprüfte Person, sondern auch der Prüfer und das Umfeld der Prüfung auf das Messergebnis Einfluss nehmen. Wie sollen da brauchbare und gesicherte wissenschaftliche Ergebnisse gefunden werden. Selbst die großen Zen-Meister der Geschichte hüllten sich angesichts ihrer Erfahrungen in der Meditation stets in Schweigen und versuchten, ihre Schüler auf sehr personalisierte Weise zu fördern. Manch Schüler bekam Schläge, andere der gleichen Schule wurden gelobt, Dritte wurden lange Zeit so gut wie nicht beachtet und so weiter. Wir alle kennen die Geschichten, die ganze Bücherreihen füllen. Es gibt also kein Rezept und keine Konzepte, die Meditation sinnvoll beschreiben können. Wir sind allein in der Praxis, ganz auf uns allein gestellt, und jeder Übende hat wahrscheinlich seinen eigenen Weg.

So weit zu den Aussagen, die ich machen kann. Das heißt unter Berücksichtigen der oben genannten Fragen, ohne sie auch nur irgendwie Beantworten zu wollen, wird meiner Ansicht nach ein brauchbarer „Schuh“ aus der Praxis des Meditierens. Wohin der Schuh uns führen wird? Ich weiß es nicht und will es auch gar nicht (mehr) wissen. Ich bin und bleibe in der Frage „Warum Meditation?“ offen, sprich: Unentschieden. Und wenn etwas offen ist, unentschieden, gibt es wenig darüber zu berichten.




Die sportliche Aktivität als Ausgleich für Alltagsbelastungen?!

Das sportliche Aktivitäten als gesund bzw. der Gesundheit fördernd gelten ist ein allgemein gültiges Narrativ und wird heute nicht mehr hinterfragt. Natürlich gibt es auch noch die Vertreter des „Kein Sport bitte…“, aber sie sind der allgemeinen Überzeugung nach zu einer verschwindend kleinen und meist verborgenen bleibenden Minderheit geworden. Stimmt das? Ich denke nicht. Meiner Beobachtung nach betreiben mindestens 50% der Menschen in Deutschland keinen Sport bzw. eine (ich sage das mal einfach so…) sportliche Alibi-Aktivität.



Warum denke ich so? Nun, ich sehe beim Spazierengehen sehr oft Menschen, die Ihre Geh-Runden, Jogging-Runden oder Radler-Runden absolvieren. Und ich sehe viele dieser Menschen ihre Aktivität mit einer verbissenen und physiologisch wenig hilfreichen Qualität ausführen. Dazu tragen ungünstige Körperhaltungen, eine meist einseitige Belastung und ein wenig ausgefeilten Bewegungsspiel bei. Nun gebe ich zu, das meine Beobachtungen sicherlich auch auf einer Perspektive beruhen, die von meiner eigenen Ansicht darüber geprägt ist. Allerdings sind das Beobachtungen ja immer und können auch nicht wirklich ausgeschlossen werden.

Zu den sportlichen Betätigungen unserer Zeit wird häufig angeführt, das unser Körper zu den einseitigen Belastungen des Alltages einen Ausgleich benötigen würde. Dazu zählen mangelnde Bewegungsmöglichkeiten im Büro ebenso wie einseitige körperliche Belastungen wie zum Beispiel das Tragen von Kindern und Gegenständen, handwerkliches Arbeiten oder umfangreiche Laufwege. Zunächst einmal eine nicht ganz dumme Frage: Warum ausgleichen und nicht die die Belastungen abbauen? Wenn wir aber zur Überzeugung kommen, ausgleichen müssen, das ist ein Teil meiner Argumentation, sollte es doch so geschehen, das zur einseitigen Belastung nicht noch weitere einseitige Belastungen hinzukommen. Wenn ich also jeden Tag acht Stunden vor dem Rechner im Büro sitze, sind des Abends zehn Kilometer Jogging oder Radfahren gar kein sinnvoller Ausgleich, da hier durch die Ausdauerleistung und die Arbeit weniger Muskelgruppen nur eine weitere einseitige Last geschaffen und zudem ein extremes Gegenspiel gesetzt wird. Weiterhin können verspannte Muskelgruppen, die durch langes ruhiges Halten bereits inaktiv und meist auch schon fest geworden sind, nicht durch zusätzliche Belastungen entspannt werden. Wie kann eine Belastung entspannen? Wie sollte das geschehen? Zusätzlich stellt sich die Frage: Wenn ich in meinem Alltag Ausdauer, Kraft oder Beweglichkeit nicht brauche, wozu sind dann die Fähigkeiten zu großen Ausdauerleistungen, große Kraft und Beweglichkeit eigentlich für mein Leben gut? Sollten die Ausgleichsleistungen, die so dringend benötigt werden, nicht besser so gestaltet sein, das die Belastungsstörungen des Alltags (z.B. Rückenschmerzen) abgebaut und so Körperkonstitution geschaffen werden, die auf den Alltag abgestimmt sind und zu einem Arbeitsalltag ohne Belastungsstörungen führen können? Es stellt sich wieder die Frage: Wie kann das geschehen?

Zunächst einmal gibt es meiner Ansicht nach keine allgemein gültigen Rezepte dafür. Jeder Mensch gestaltet sich anders aus, individuell eben. Und natürlich hat Sport auch einen Spaßfaktor. Und Sport hat auch einen Suchtcharakter. Jeder Langläufer weiß das. Nun will ich niemanden den Spaß verderben, das ist selbstverständlich. Spaß zu haben ist eine der wirksamen Gesundheitslösungen. Und jeder darf/kann/soll auch das machen dürfen, was Spaß macht, selbstverständlich. Ich sprechen hier aber nicht über Spaß, sondern einerseits über den Suchtcharakter einerseits und besonders über Ausgleichssport zur Erhaltung der Gesundheit, der Leistungsfähigkeit und/oder des körperlichen Wohlgefühls andererseits, der als Mittel zum Zweck betrieben wird. Modern sind ja auch die neuen Vorstellungen, die mit Selbstoptimierung, Selbst-Überwachung und den Vorgaben zur Gesundheitsförderung einschließlich aller Fitness-Trecker (Apps zur Gesundheitsüberwachung in Uhren und Smartphones) zu tun haben.

Zunächst einmal sollte schon im Vorfeld der Überlegungen festgehalten werden, das wir heute in weiten Teilen der Bevölkerung eine deutliche Störung des Bewegungslebens auffinden können. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für eine Analyse der Lösungsmöglichkeiten derselben durch einen Übungsleiter zum Beispiel sind diese aber zunächst einmal nur zum Teil von Belang, da sie meist in Verhaltensweisen zu suchen sind, die der Freiheit des Einzelnen unterliegen. Die Lebenswirklichkeit kann nur der Betroffene selbst ändern, ins Spiel bringen oder ein wenig modifizieren. Für den Übungsleiter heißt es nur festzustellen, welche Übungen und Maßnahmen sportlicherseits helfen könnten, das Problem zu lindern, anzusprechen, sichtbar zu machen und/oder zu bearbeiten/beseitigen. Das ist und bleibt ein schwieriges Unterfangen, denn meist sind die Problemfelder in den Körpern bereits breit verstrickt und mit einem einfachen „so geht es“ nicht zu lösen. Betrachten wir einmal kurz einige Problemfelder, die eine Rolle spielen. Da sind zu nennen die Atmung, die Haltung, die Beweglichkeit, der Leistungswille, die Entspannungsfähigkeit, die Natürlichkeit in der Bewegung, die Innen- und Außenbewegung und die Energie, die allen Genannten zugrunde liegt.



Beginnen möchte ich mit der Innen- und Außenbewegung. [1. Die beiden Begriffe stammen von Dore Jacobs, die schon 1985 zwei wunderbare Bücher über die menschliche Bewegung (ISBN: 3 7800 6038 8) und Bewegungslehre (ISBN: 3 7800 6039 6) geschrieben hat.] Die Außenbewegung ist der eine Part der menschlichen Bewegung, der sich in Gymnastik, Yoga und Körperbildungs-Bewegungen ausdrückt, aber auch in Arbeit und Haltungen im Alltag. Die Innenbewegung ist die autonom oder halbautonom begleitende Atem und Kreislaufbewegung sowie die ergänzenden Organtätigkeiten, die sowohl den Körper als auch den Geist erst möglich machen. Im Grunde sind beide gar nicht zu trennen, weil ohne Letztere Leben an sich gar nicht möglich wäre. Was immer ich auch tue, denke, wahrnehme oder auslebe, es wird begleitet von Innenbewegungen. Die wörtliche Unterscheidung ist lediglich hilfreich, um beschreiben zu können, warum wir heute in Europa in der Wahrnehmung unserer Innenbewegung so erbärmlich schwach sind und diese Schwäche in übertriebener Außenbewegung und/oder Geistesarbeit zu überdecken versuchen. Die Unterscheidung ist notwendig, um aufzuzeigen, das da noch viel mehr ist als in der Leibeserziehung und -wahrnehmung allgemein angenommen wird.

Beginnen wir der Reihe nach mit der Atmung. Die Atmung ist eine Innenbewegung und somit ein autonomes System, auch wenn der Wille bzw. Geist gezielte Vorgaben für das Atmen einfordern kann. Denn im Grunde können wir den Atem nur in einer groben Form geistig beeinflussen wie zum Beispiel „nur die Bauchatmung zu nutzen“, länger Ein- oder Auszuatmen und/oder Atempausen zu machen. Beim Schwimmen können wir nur dann atmen, wenn der Kopf aus dem Wasser herausragt. Andere Sportarten bevorzugen bestimmte Atemformen, um das Ergebnis einer Handlung positiv zu beeinflussen. Immer betroffen sind Rhythmus, Länge und die großen Bewegungen, die der Mensch in Bezug zum Atem fühlt und spürt. Für die wirklich wichtigen Atemvorgänge aber, wie der Austausch von O2 und CO2 in den Bläschen und Kapillaren und der Transport über das Blut aber steht keine willentliche Beeinflussung zur Verfügung. Daher sehe ich die Atmung als autonom an und befürworte Atemkontrolle nur in Form hilfreicher Gesten, nicht aber als Mittel zur Umerziehung. Unterschieden werden häufig Hautatmung, Bauchatmung, Brustatmung, Rückenatmung, Flankenatmung und so weiter. Was mir in aller Regel fehlt, ist die Anmerkung, die gleichzeitig Einschränkung ist, das alle dieser Arten meist individuell gemischt auftreten und daher Vorgaben als allgemeine Regel vollkommen sinnlos sind. Häufig wird die Bauchatmung besonders hervorgehoben, aber sie allein kann doch wohl nicht das Nonplusultra sein. Ich bevorzuge, wenn ich denn gefragt werde, als optimale Atemform die „individuell ausgeprägte Vollatmung“ bei der alle möglichen Formen zusammenwirken. Sicherlich, wenn jemand eine ganz bestimmte Form der Atmung warum auch immer gar nicht vollziehen kann, sollte er diese vielleicht lernen. Aber das neu Gelernte ersetzt das Altbewährte nicht und sollte nur als mögliche Ergänzung angesehen werden. Viel wichtiger ist in meiner Vorstellung, den Körper so zu formen und in standzuhalten, das weder Verspannungen noch Gewohnheiten sowohl die Atmung als auch andere Bereiche der Innenbewegung behindern können. Der Körper entscheidet dann, wie er atmet, und nicht der Geist. Neben der Nahrungsaufnahme ist die Atmung die einzige Hauptfunktionalität, mit der ein Mensch bewusst auf seine Innenbewegung einwirken kann.

Die nächste große Funktion bzw. Einflussfaktor auf die Innenbewegung ist die Haltung in dem Sinne, das der Mensch versuche solle, seine Körperform so zu gestalten und auszurichten, das jede erwünschte Form der Innenbewegung möglich bleibt. Sinn dieser Forderung ist es, jede Art von Schmerz, von Verspannung und Beeinträchtigung im Körper des Menschen soweit zu reduzieren, wie das möglich erscheint. Natürlich kann hier kein für alle Menschen gültiges Programm aufgesetzt werden, das behaupten würde, die und die Übungen würden ein garantiert gesundes und langes Leben herstellen oder begünstigen. Das wäre absurd. Der junge Mensch ist lange bevor er seine Möglichkeiten erkennen und wahrnehmen kann bereits durch seine Umwelt derart geprägt, das daraus folgend nahezu immer ein individueller Status als Ausgangsposition vorausgesetzt werden muss. In Frage der Haltung muss weiterhin unterschieden werden zwischen der äußeren Ausformung der körperlichen Strukturen und der inneren Haltung, die ich in dem weiteren Text als „Mentale Einstellung“ bezeichnen werde. In diesem Abschnitt geht es fast ausschließlich um den ersten Punkt der Haltung, den körperlichen Strukturen sozusagen, die wie bereits weiter oben erwähnt auf die inneren Strukturen Einfluss nehmen können. „Wie geschieht das?“ ist dazu eine Frage und die zweite fragt: „Was ist eine ‚gesunde‘ Haltung?“ Beginnen möchte ich mit der Zweiten.



Eine ‚gesunde‘ Haltung ist keine ganz bestimmte Körperform, keine ganz bestimmte Form des Körperbaus, der Aufrichtung oder des ganz allgemeinen Bewegungsspiels oder gar der Ernährung. Eine gesunde Haltung ist die Fähigkeit des autonomen inneren Systems, sich nahezu jederzeit auf äußere Umstände, sei es Arbeit, Sport, Ruhe oder andere Anforderungen einzustellen und die Funktionalität des Menschen passend zur Aufgabe einzustellen. Dazu gehören die genau passende Bereitstellung von Sauerstoff und der Abtransport von CO2 in Form von Atmung, die Bereitstellung von Zellennahrung über Verdauung, Kreislauf, Säfte, Hormone und Botenstoffe, die Einstellung der Körpertemperatur, die Fokussierungen wie Aufmerksamkeit, Gelöstheit, Konzentration und und so weiter. Dazu gehören selbstverständlich auch die nervlich strukturierten Systeme, die ja zum Teil wie die Atmung auch bewusst angesteuert werden können. Da gibt es insgesamt gesehen ein weites Feld von Abhängigkeiten und Anpassungen. Haltung drückt sich immer aus in den genannten Fokussierungen. Der Torwart, der einen Torschuss erwartet braucht eine andere Fokussierung als ein Angestellter, der nach erfolgreicher Arbeit zu Hause in seinen Sessel sinkt und entspannen möchte. Das Kochen in der Küche ist anders fokussiert als eine Schreinerarbeit. Ich denke mal, jeder kann das bestätigen. Die Frage aber, um die es gehen sollte, ist doch die, ob unsere Körper zu dieser erwünschten Anpassung überhaupt (noch) in der Lage sind. Und da sind wir bei der zweiten Frage angelangt: „Wie geschieht das?“. Wie viel Einfluss hat der Mensch kurzfristig auf die genannten Fokussierungen? Die Antwort ist meist einfach: „Keinen“.

Einige Beispiele sollen das Problem verdeutlichen:
A. Eine nach vorne herabhängende Schulter und der damit verbundene Rundrücken sind nicht nur ein Haltungsfehler, der einfach „unschön“ aussieht. Diese Haltung beeinträchtigt die Atmung in der Gestalt, das die Lungen nur (noch) in den oberen Bereichen durchlüftet wird. Die Lungenspitzen bekommen wenig bis gar nichts mehr ab. Die Folgen davon sind ein schnellerer Atemrhythmus und damit kürzere Verweilzeiten der Luft in der Lunge. Diese Not-Anpassung wird die Qualität der Atmung deutlich herabsetzen. Wir atmen dann viel öfter als notwendig und haben dazu noch deutlich weniger Erfolg damit.

B. Ein nach vorne gekipptes Becken und folgend das hochgezogene/hochgehaltene Gesäß machen eine Vollatmung unmöglich. Meist fehlt die Flanke bei der Atmung völlig, der Bauch trägt nur wenig bei und der Mensch ist gezwungen, fast ausschließlich hoch zu atmen. Die falsche, meist schnell auch noch festgefügte Beckenhaltung beeinträchtigt das Zwerchfell beim Absenken-Können, so das die Schwerkraft zum Atem wenig beiträgt. Muskelkraft muss aufgebracht werden, um den Brustkorb zu weiten. Diese in Europa häufig zu sehende Fehlhaltung ist wenig effektiv und verbraucht viel Energie für wenig Erfolg. Kurzatmigkeit ist die Folge, schnelle Atemrhythmen schon bei kleiner Belastung und eine Minderung der Leistungsfähigkeit sind die Folgen.

C. Eine übertrainierte Beinmuskulatur und die Unfähigkeit, seine Beine zu strecken bewirkt durch die Anforderung, aufrecht zu sein ein nach vorne gekipptes Becken und damit die in Abschnitt zuvor bewirkten Atem-Minderungen. Gleichzeitig wird ein Bewegungs- und Haltungsbild erzeugt, das einem Menschen das gerade zu stehen, das locker zu gehen und sich leicht zu bewegen unmöglich macht. Unfunktionale Züge durch verkürzte Muskeln verhindern ein sich locker Ausbalancieren, nötigen zum Feststellen und behindern damit nahezu alle so dringend gebrauchte Innenbewegungen.

Eine Bewegungsschulung sollte daher immer dafür sorgen, das die genannten Fehlhaltungen ausgeglichen werden. Ein Horchen auf die Innenbewegungen ist dafür viel wirkungsvoller als das pure Erlernen von Technik. Es geht nicht um das „Was mache ich“ oder das „Wie mache ich“, sondern es geht darum, wie mein Innenleben auf meine Alltagsanforderungen reagiert und wie ich durch Gymnastik, Sport und Yoga helfen kann, dieses Spiel wieder lebendig zu bekommen. Es geht um Qualität und nicht um Quantität. „Viel hilft viel“ ist dabei vollkommen fehl am Platz.

Vielleicht muss noch gesagt werden, das Atem immer aus drei Bewegungen besteht: Einatem, Ausatem, Atempause, wobei die Letztgenannte eine sehr wichtige Rolle spielt. Ohne Atempause kann sich die Chemie des Atems nicht vollkommen entfalten und bewirkt Kurzatmigkeit und Leistungsminderung.



Kommen wir dann zu dem Thema Beweglichkeit. Wie viel davon ist erforderlich? Wie komme ich damit auf ein Maß, das meinen Ansprüchen, besser noch meinen Anforderungen genügt und wie fange ich an, das zu erreichen? Das sind alles Fragen, die einzeln nicht ausreichend beantwortet werden können. Unsere Beweglichkeit ist im Grunde genommen bereits ein Anpassungsprozess der Innenbewegung, denn hier wird die Muskulatur nicht gezogen oder gedehnt, sondern auf ein Spannungsfenster eingestellt, das sich orientiert an den Alltagsbewegungen. Wenn ich regelmäßig und konstant bestimmte Bewegungen ausführe, stellt sich die bewegte Muskulatur mit der Zeit auf diese Länge nicht nur ein, sondern ergänzt sie zusätzlich noch mit etwas Spielraum, schon um Verletzungsgefahren zu reduzieren. Bei Arbeitsbewegungen und leichten tänzerischen Posen ist das relativ einfach. Spannend und vielschichtig aber wird es, wenn zusätzlich dicht an der Beweglichkeitsgrenze große Krafteinwirkungen notwendig werden. Ein weit ausfallender Spreizschritt mit plötzlichem Halt zum Beispiel beim Tennis verbunden mit einer schleudernden Körperbewegung in eine Drehung hinein, der Schlag mit dem Schläger auf den Ball, eine schnell darauf folgende Entspannung und dann der Start in die nächste Laufbewegung hinein ist so ein Fall, der so einfach nicht zu gestalten ist. Beweglichkeit in Kombi mit großer Kraft und Ausdauer verlangen ein genau dosiertes regelmäßiges Körpertraining. Einfach so auf den Platz zu gehen und zu spielen erhöht die Verletzungsgefahr bei diesem Sport auf ein Vielfaches. Gleiches gilt für Laufen, Fuß- und Handball, Skifahren und andere beliebte Sportarten. Auch Wandern in den Bergen zum Beispiel gehört dazu. Was die Beweglichkeit zusätzlich zu steigern vermag ist eine gute Entspannungsfähigkeit. Dazu aber erst später mehr. Im Beweglichkeitstraining genügt es meist, einfach an seiner Beweglichkeitsgrenze gymnastisch zu arbeiten. Stellt man sich seine Beweglichkeit als ein Wiesengrundstück vor, so arbeiten wir sinnvollerweise innerhalb der Begrenzung und somit stets dicht am Zaun. Alles Weitere besorgt die Innenbewegung in Form von autonom gesteuerten Anpassungsprozessen. Wie weitreichend die Beweglichkeit ausgeformt werden sollte ist ebenfalls eine individuelle Größe. Die Anforderungen des Alltags sollten den Umfang einer Beweglichkeitsempfehlung bestimmen. Viele sportliche und freizeitliche Anforderungen wie Tanzen, Wandern, Tennis oder Ballspiele uns so weiter erfordern unterschiedliche Körperkonstitutionen, weil sie unterschiedliche Belastungen enthalten. Ein körperlich arbeitender Mensch hat andere körperliche Bedürfnisse als ein sitzender Mensch im Büro. Für mich gilt daher als Norm, das jeder Teilnehmer einer Yoga- oder Gymnastikveranstaltung die Übungen machen sollte, die seinem Alltagsbedürfnis entsprechen. Große Beweglichkeit, hohe Kraftanforderungen und lange Ausdauer sind nicht zusammen in einer Ausstattung zu haben. Sie behindern sich auf die eine oder andere Weise. Sie müssen daher individuell abgestimmt werden. Trotzdem gibt es in meiner Vorstellung eine allgemeine Regel: Die Innenbewegungen sollten durch ein Trainingskonzept nicht eingeschränkt werden. Bei purem Beweglichkeitstraining ist die Gefahr, sich Einschränkungen einzufangen, eher gering. Allerdings sollte die erreichte Beweglichkeit beim Üben auf jeden Fall durch passende Ausdauer- und Kraftübungen ergänzt werden. Auch hohe Beweglichkeit muss stabil und leistungsfähig ausgestaltet sein.

Kommen wir in kurzer Form zu Kraft- und Ausdauer. Und ein jeder kennt wohl die Auswirkungen, die ein zu viel davon darstellen: Rein ausgeformte Muskelpakete auf der einen Seite und extrem verhärtete Hungerhaken sind wohl im Volksmund eine beliebte satirische Bezeichnung für die beiden Extremprägungen. Beide haben ihre extremen Schattenseiten. Beide sind in der Beweglichkeit meist massiv eingeschränkt, die einen durch die Vergrößerung und die anderen durch die Versteifung der Muskulatur. Von diesen extremen Prägungen einmal abgesehen müssen die Fähigkeiten zu Kraft und Ausdauer mit der Beweglichkeit des Menschen harmonieren. Ich sagte es bereits. Unharmonische Prägungen belaste die Innenbewegungen und überfordern die Leitungsfähigkeiten der inneren Organe, die den erhöhten Verbrauch von Brennmaterial, Sauerstoff und Entgiftung ja auch irgendwie schultern müssen. Dazu kommen bei extremen sportliche Leistungen oft auch Medikamentenkonsum (Schmerzmittel) und/oder Nahrungsergänzungsmittel hinzu, was den Organismus zusätzlich belastet. Mit anderen Worten: Kraft und Ausdauer ist solange gut, wie die Innenbewegungen ungehindert ihre Arbeit bewältigen können. Alles Weitere wird sich auf Dauer als wenig nachhaltig herausstellen. Hier eine allgemeine Grenze oder rote Linie ziehen zu wollen ist eher ungeschickt. Hier muss von Fall zu Fall bzw. von Mensch zu Mensch gestaltet werden.



Gehen wir weiter in den oben genannten Stichworten. Ein wirklich schwieriges Element in der sportlichen Trainingslandschaft stellt der individuelle Leistungswille oder anders herum formuliert der Leistungsgedanke an sich dar. Viele Menschen sind heute bereit, sowohl in der Arbeit als auch im sportlichen Training sehr hohe Leistung zu bringen, bedenken aber oft nicht die Folgen, wenn dieser Wille auf eine körperliche Konstitution trifft, die diesem Leistungsgedanken nicht gewachsen ist. Ich betreue seit 45 Jahren Gruppen von Menschen in Gymnastik, Sport und Yoga, und ich mache immer wieder die Erfahrung, das der Wille eines Neueinsteigers, mit den anderen mithalten zu können oder sich den notwendigen Korrekturen durch Ausweichen zu entziehen, sehr groß ist. Das ist verständlich, denn wir leben ja in einer Leistungsgesellschaft, aber nützlich und hilfreich sind diese Aktionen nicht. In der Körper- und Bewegungsbildung hat der Leistungsgedanke wenig Sinn, denn sowohl Ausweichbewegungen in den Übungen noch Übertreibungen darin werden die allseits zu beobachtenden Schwachstellen nur verschleiern, aber nicht entfernen können. Wenn eine von mir betreute Gruppe sich etabliert hat, muss ich viel mehr Zeit damit verbringen, die Teilnehmer zu bremsen, also auf ein ihnen zuträgliches Leistungsniveau zu setzen als damit, notwendige Korrekturen und Zwischenlösungen anzubieten und zu etablieren. Ich verstehe sehr gut, das man sich nicht gerne in seinen Schwachstellen zeigen möchte, aber, und das ist entscheidend, ein Übungsleiter muss/sollte die Schwachstellen seiner Teilnehmer kennen. Wie anders kann er das Training und seine Inhalte an die Erfordernisse anpassen. Jeder Mensch hat Schwachstellen. Die Frage ist doch mehr, behindern diese die Lebensabläufe oder wäre ihre Abwesenheit nur „nett zu haben“. Jeder würde doch wohl, um ein Beispiel zu gestalten, gerne mal einen Marathon gewinnen, aber muss das unbedingt sein und ist das den Aufwand wert, der dazu notwendig ist. In meiner Vorstellung sind Spaß und Freude am Sport deutlich höher zu bewerten als eine sichtbare Leistung.

Kommen wir dann zur Entspannungsfähigkeit. Das ist, grob gesagt und Ausnahmen bestätigen die Regel, ein großes Problem in unserer Sport- und Lebenswelt. Die Fähigkeit sich zu entspannen ist in meiner Vorstellung in der Ausübung jeder Sportart, und da schließe ich auch Gymnastik und Yoga mit ein, entscheidend, denn nur ohne Spannung lässt sich Spaß und Freude am Sport verwirklichen. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, wo man nach einem Sportturnier gemeinsam mit seinen Gegnern entspannt und wohl gelaunt feiern ging. Da gab es keine traurige und verzerrte Gesichter, wenn man bei Meisterschaft oder Turnier nur Zweiter geworden war. Vorherrschend war die Freude am gemeinsamen Wettkampf. Das sieht man heute nur noch selten. Heute scheint selbst der Zweite schon ein Verlierer zu sein und fristet unbeachtet im Schatten des Siegers sein Dasein. Und das gilt sowohl für Zuschauer als auch für die Akteure. Was ich damit ausdrücken möchte ist die für mich selbstverständliche Beobachtung, das es ein Begleitmoment des Entspannt-Seins ist, angemessen siegen oder verlieren zu können. Ohne das ist Sport nur noch Kampf und Leistungs-Krieg. Weder Triumph noch Verzagen sollte hier einen übermäßigen Ausdruck finden. Es geht eben nur um Spaß und Freude. Nun gibt es in Gymnastik und Yoga ja keine Wettkämpfe, wenn man mal die Sportgymnastik als Ausnahme ansieht. Ich bin der Überzeugung, dass das Sich-Vergleichen mit anderen in diesen Bewegungs- und Trainingsformen nichts zu suchen hat. Beide lehren ein Sich-Bewegen und Sich-Entspannen können, ja mehr noch, Entspannen ist dabei das Gleiche wie die Geschwindigkeit beim Laufen oder die Torbilanz beim Ballspiel, sie ist das zentrale Trainingselement. Und dabei haben Ich-gesteuerte Emotionen keinen Platz. Diese in Mode gekommene Unsitte ist Unsinn und auch nicht nachhaltig.
Was, kommen wir zu eigentlichen Thema zurück, ist eigentlich Entspannung? Schauen wir uns mal zwei typische Definitionen dazu an:



  • Unter dem Begriff Entspannungsverfahren werden Techniken zusammengefasst, die körperliche und seelische Anspannung reduzieren sowie das allgemeine Wohlbefinden fördern sollen. Entspannungsverfahren werden als übende Verfahren bezeichnet, da deren positive Effekte durch regelmäßiges Üben zunehmen. [1. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/ Entspannungsverfahren]
  • Entspannung, psychophysischer Zustand mit einer geringen Aktivierung, subjektiv und physiologisch besonders deutlich nach einer vorausgegangenen Anspannung, die sich unter Ruhebedingungen oder durch aktive Entspannung löst. Entspannung hat verschiedene Aspekte, wobei neben dem Erleben von emotionaler, geistiger und körperlicher Beruhigung und Gelöstheit typische physiologische Veränderungen eintreten… [2. Spektrum.de, https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/entspannung/4161]

Während die erste Definition Entspannungsfähigkeit scheinbar nur als eine Technik, also ein Mittel zum Zweck anzusehen scheint, zeigt die Zweite das ganz anders. Ein Zustand geringer Aktivierung, der scheinbar nur nach einer Anspannung als Lösung auftritt und zur Beruhigung dienen soll. Entschuldigen Sie meine Unnachgiebigkeit, aber das ist beides vollkommen verfehlt und nicht das, was Entspannung und die Fähigkeit dazu zu leisten vermag. In meiner Definition ist Entspannung ein Gleichgewichtszustand, der die Innen- und Außenwelt des Menschen in einen Gleichklang, auch gerne Einklang genannt, zu bringen vermag. Hierbei ist die mentale Einstellung (s.o.) zwar als eine Bedingung der Außenwelt anzusehen, aber sie ist sicherlich auch ein wichtiges Bindeglied zwischen diesen Welten. Nehmen wir einmal an, die Außenwelt verlangt eine ganz bestimmte Leistung in Form von Arbeit, Bewegung oder einer verwandten Aktion. Dann sollte doch, um Erfolg zu haben, die Innenwelt die erforderlichen Ressourcen bereitstellen, die dafür notwendig sind. Tut sie das, wird das Projekt mit sehr guten Voraussetzungen starten können, bringt sie das nicht, ist doch wohl ein Scheitern höchst wahrscheinlich. Für die Bereitstellung der Ressourcen aber muss der Körper reagieren, muss sich gestalten und verändern können. Das ist nur möglich, wenn ich ihn seine autonome Aufgabe vollziehen lasse und ihm dabei die Freiheit gebe, das auf seine Weise zu tun. Diese Freiheit zu haben nenne ich Entspannung, und das gilt sowohl organtechnisch, bewegungstechnisch als auch mental. In der Spezialität von Spannung nenne ich das auch gerne Tonus, was nicht weniger bedeutet als die Fähigkeit, sofort und unmittelbar reagieren zu können, weil der Körper bereit ist und über die notwendigen Ressourcen (Kraft, Beweglichkeit, Spannung, Ausdauer, Atemvermögen usw.) bereits verfügt. Entspannungsfähigkeit ist somit in der Definition ein Prozess, der sich nur im Fenster der verfügbaren Ressourcen bewegen kann. Dieses Fenster ist nie Nichts und auch selten Alles, was sein könnte. Wenn ich zum Beispiel in einer Körperpartie beweglicher werden möchte, also zu dehnen beabsichtige, muss ich erstens bereit sein, die zu dehnenden Muskeln zu entspannen. Dann muss ich zweitens eine Möglichkeit finden, andere Körperpartien in mir zu finden, die es ermöglichen, diese Muskel auch zu öffnen oder zu lösen, weil sie deren Haltearbeit übernehmen. Dann muss ich drittens bereit sein, die notwendige Öffnung so vorzunehmen, das die betroffene Muskulatur einen so starken Impuls erhält, das diese auch öffnend reagiert und ich muss viertens darauf achten, dabei nicht zu übertreiben, da der zu öffnende Muskel sonst in eine sich schützende Verspannung zurückfällt. Die Erfüllung all dieser Bedingungen nenne ich Entspannung in einem Dehnvorgang. Ähnliche Bedingungen finden sich auch bei der Arbeit und bei Ausdauerleistungen, wobei die angewendeten Kräfte zur Bewältigung der Aufgabe auch bereit stehen und der Tätige das auch in seiner Selbstwahrnehmung auch richtig erkennen sollte. Entspannungsfähigkeit ist also bei mir nicht ein Vorgang des sich vollkommen Fallenlassens oder dient einem Zweck wie der Erholung, sondern ist ein stets aktiver begleitender Prozessparameter innerhalb der Tätigkeiten wie Gymnastik oder Yoga, Sport und Arbeit. Erst anstrengen und dann entspannen ist nicht gefragt. Entspannung und Anstrengung gehen parallel als Prozessparameter in eine Tätigkeit mit ein.



Wenn man ohne Vorkenntnisse oder Erwartungen zwei Menschen bei einer gleichen Bewegung in Arbeit oder Sport beobachtet, wird man niemals das Gleiche sehen. Jeder Mensch bewegt sich anders, verhält sich anders und drückt sich anders in seinem Involviert-Sein aus. So kommt zum Beispiel der eine Läufer vollkommen abgehetzt und fertig durch die Ziellinie, während ein Anderer scheinbar mühelos und wie entspannt die gleiche Linie erreicht. Besonders deutlich erkennt man das am Gesichtsausdruck und der Haltung. Interessant ist, das die Natürlichkeit einer Bewegung und deren Ausdruck sich stets auch in Haltung und Gestimmt-Sein ausdrücken. Natürlich ist eine Bewegung dann, wenn sich die Innenbewegung und die Außenbewegung harmonisch zueinander verhalten und innen die Ressourcen bereitstehen, die für die Außenleistung gebraucht werden. Gerät ein Sportler an seine Leistungsgrenze, sollte er eigentlich das erkennen und entsprechend seine Aktion einstellen oder unterbrechen. Nur zählt ja im Sport meist das Ankommen, die Quantität, die erfolgreiche Lösung der Aufgabe oder das Ausstechen des Gegners, zählt oft also nur noch der Ehrgeiz und die Leidensfähigkeit oder mit anderen Worten seine Grenzen maßlos zu überschreiten. Ich halte das für einen grandiosen Fehler unseres Denkens und versuche daher, diese Überschreitungen in meinen Unterricht zu verhindern. Dies geschieht dadurch, das ich die Natürlichkeit im Ausdruck meiner Teilnehmer in Auge behalte und wenn notwendig einschreite. Erhöhte Atemfrequenzen, verzerrte Gesichter einerseits und Gelassenheit und freudvoller Ausdruck anderseits sind dafür gute Bewertungsparameter. Gymnastik und Yoga kann nur gelassen und mit Freude an Bewegung erfolgreich praktiziert werden. Alles andere ist Illusion.

Was jetzt noch fehlt ist eine Erläuterung des Begriffes der Energie. In der Bewegungslehre ist Energie immer definiert als das innere Potential, eine Bewegung ausführen, halten oder fortsetzen zu können. Sie kommt von innen und ist letztlich betrachtet die Grundlage jeder Veränderung, zu der auch Bewegung, Öffnung, Dehnung, Leistung und so weiter gehören. Letztlich ist ein Organismus wie ein Körper mit all seinen Funktionen auf Energie angewiesen und es ist müßig, sich darüber zu streiten, ob diese eine grundlegende oder abgeleitete Größe darstellt. Wo immer sich etwas bewegt, ist Energie notwendig. Nun gibt es sowohl im Yoga als auch in mehr westlich geprägten Sportarten verschiedenste Theorien, wie, was und woher diese Energie ihren Ausgangspunkt und ihre Aktivität findet. Ich halte diesen Ausdruck „Energie“ daher lediglich für einen Namen, der ein eingegrenztes Feld innerhalb einer Lehre darstellt, die sich mit Veränderung oder Bewegung beschäftigt. Aussagen wie „Alles ist Energie“ oder „Das ist viel Energie“ oder „Spüre die Energie in dir“ sind Ausdrucksformen einer Innenbewegung, die jeder Mensch auf seine Weise in sich zu spüren vermag. Sie sind nicht Aussagen zur Weltbeschaffenheit oder anderer philosophischer Theorien.

Soweit zunächst einmal die Begrifflichkeiten, die ich verwende, und deren Gehalt in meiner Ansicht zum Thema. Wie sich das dann im Unterricht ausgestaltet und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, überlasse ich jedem Leser/Teilnehmer selbst. Ich selbst bemühe mich im Unterricht, diese genannten Positionen so gut wie möglich zu vertreten und für jeden meiner Teilnehmer ein angemessenes Programm zu gestalten, so weit das in einem Gruppenunterricht möglich ist. Wichtig für mich ist, das ein Teilnehmer die Halle oder das Studio freier in der Wahrnehmung seiner Selbst verlässt als er/sie diese Räume betreten hat. Und wenn dann von den Erklärungen, Vorschlägen, Anweisungen und Ratschlägen etwas hängen bleibt und/oder gar zur Lösung eines Bewegungsproblems beiträgt, habe ich meine Arbeit erfolgreich getan.

Vielen Dank für Ihre Geduld … und gutes Gelingen weiterhin …




Eine zweite Ode an die Un-Entschiedenheit: Sinn – Woher kommen/gehen wir?

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Sports, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit [1.Der antike Skeptiker Pyrrhon von Elis wendet die Unentschiedenheit in Form der Aoristie an und postulierte, dass die Dinge nicht unterscheidbar, unbeständig und damit nicht zu beurteilen seien. Daher dürfe man weder unseren Wahrnehmungen noch unseren Vorstellungen glauben, woraus die Pflicht entstünde, sich nicht zu entscheiden.] , der ich damit den zweiten Teil einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an Ansichten über den Sinn, wie er sich in philosophischen/wissenschaftlichen, religiösen und spirituellen Fragen äußern wie: Warum hat Gott uns erschaffen? Gibt es einen Schöpfer? Ist das Universum leer? Wozu leben wir? Gibt es Regeln fürs „richtige“ Leben?



Für den religiösen Menschen ist der Sinn des Lebens klar. Er lebt, um Göttern (in all ihren Namen und Formen) zu gefallen und so Vorteile innerhalb dieses Lebens als auch danach zu ergattern oder in einer anderen Perspektive zumindest ruhig und ohne Angst vor Strafe schlafen zu können. Nun wissen wir von der Philosophie, das alle Beweise, alle Ableitungen und Erläuterungen zur Frage „Gibt es (einen) Gott/Götter“, irgendwann auf Holzwegen sich wiederfinden. Holzwege, das sind Wege, die irgendwann immer dünner werden und letztlich im Nirgendwo enden. Und ist man dann am Ende des Weges angekommen, hilft nur noch Glauben. Zumindest scheinen so viele, meiner Ansicht sogar fast alle Menschen auf diese Frage zu reagieren, sofern sie sich ihr jemals gestellt haben. Die meisten anderen Menschen, die sich dieser Frage entziehen, lehnen das Stellen dieser Frage ab oder reden nicht darüber mit dem Hinweis auf Aberglauben und nennen sich dann Atheisten [3. Atheismus (von altgriechisch átheos „ohne Gott“) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des Glaubens an einen Gott oder Götter… Im Gegensatz dazu bezeichnen Deismus und Theismus ( theós „Gott“) den Glauben an Götter.] Sie stellen in Zentral-Europa heute wohl schon die Mehrheit.

Nun ist die Frage nach dem Sinn des Lebens in meinem Verständnis eine der elementaren Fragen, die ein nachdenkender Geist zu stellen in der Lage ist. Sie ergibt anders als die wissenschaftlichen Fragen , die nach „woher“, „wie“ und „warum so“ fragen, eine Antwort, die weite Teile des weiteren Lebens zu beeinflussen in der Lage ist. Sie stellt die Frage nach einem Zweck, einem Plan oder einfacher geschrieben nach einer Motivation, mit der mein Leben über die wie immer geartete Bühne gehen sollte und lässt somit keinen Spielraum offen. Die Entscheidung, es eben so und so zu denken und damit genau so und folgerichtig zu handeln versperrt die Möglichkeit der Offenheit, ganz gleich, ob ich mich für eine Theorie entscheide oder aber, gegensätzlich gedacht, diese Frage ausschließe. Die extremen Antworten sind also „Es gibt einen Gott und ich handele nach seinem Willen…“ oder „Ich ignoriere die Möglichkeit der Fragestellung vollkommen…“. Mit der ersten Entscheidung baue ich ein Fundament, auf der sich letztlich jede Frage des Lebens beantworten lässt, mit der zweiten Antwort verschiebe ich die Beantwortung in eine ungewisse Zukunft, ohne auch nur den Versuch zu machen, ein Fundament zu errichten. Bildlich ausgedrückt befände ich mich im ersten Fall auf einem Boot im riesigen Ozean, im Zweiten schwimme ich sozusagen ungesichert im wie immer gearteten Wasser, ausgeliefert an Wellen und Strömung.

Nun gibt es verschiedentliche Versuche, das Problem zu lösen, in dem ich Gott aus der Transzendenz in die Immanenz verschiebe und ihn nicht als Person, sondern alles Existierende als eine Ganzheit zu betrachten, die dann Universum und/oder Leerheit genannt wird. Als „polarer Teil“ der immanenten Ganzheit bin ich dann bildlich gesprochen Mensch und Gott zugleich. Als Manifestation der Leerheit ist es mehr oder weniger ebenso. Ob ich aus dem Ganzen an sich oder aus dem Nichts komme und dorthin zurückkehren werde, macht im Prinzip wenig Unterschied. In beiden Fällen gibt es dann eine Fülle von Erklärungsversuchen, die meist zusätzliche meist theoretisch-wissenschaftliche Vorstellungen in diese Theorien einfließen lassen, um die sich automatisch einstellenden Unwägbarkeiten zu beantworten. Eine weitere Vorstellung ist die des eines Geistes [4. nicht materiell, allumfassend, körperlos, zeitlos, endlos, nicht greifbar, jenseits der Naturgesetze (HpS)], also „Alles ist Geist“, zu der ich mich dann ebenfalls als ein „polarer Anteil“ denken kann.

Was alle Erklärungsversuche oben beinhalten, ist letztlich, das es eine Entscheidung geben muss, der ich mich dann in der einen oder anderen Weise verpflichte. Die abendländischen Religionen sind mehr auf Gott ausgerichtet, also auf eine Person in der Transzendenz, die alles bestimmt. Die asiatischen Religionen sind mehr auf einen polaren Anteil an der Immanenz ausgerichtet, sei es Universum, Geist oder Leere, zu denen es aufbauend immer Erklärungsversuche geben muss. Die Wissenschaften beschäftigen sich nicht mit dieser Frage. Sie vermeidet Entscheidungen zu Fragen, deren Antworten sich nicht belegen lassen können/werden. In der Summe der aufgezeigten Möglichkeiten bleiben also sarkastisch geschrieben zwei Extreme und eine Ignoranz.

Ich sehe nur einen einzigen Ausweg aus dieser misslichen Lage, in der denkendes Leben auf dieser Welt steht. Dieser Ausweg findet sich in der Möglichkeit, offen zu bleiben, sich eben nicht zu entscheiden. Jeder denkende Mensch steht doch vor der Frage, wie er einen Sinn in seinem Tun, das über das einfache „nur leben“ hinausgeht, findet. Und da es viele Möglichkeiten gibt, keine davon endgültig zu beantworten ist, bleibt für mich letztlich nur die Unentschiedenheit, die Offenheit, mit der ich mir die Freiheit vorbehalte, mich von Fall zu Fall, von Tag zu Tag oder sogar von Moment zu Moment neu zu positionieren. Ich gehe dabei davon aus, das Entscheidungen über Zugehörigkeiten erst dann getroffen werden müssen, wenn eine Wahl letztlich nicht mehr zur Verfügung steht. Wenn es keine Wahl mehr gibt, sind Entscheidungen eindeutig und ohne Qualen möglich. Ich denke da an die vielen Menschen in vielen Jahrhunderten, die sich entschieden hatten und in einer ihnen feindlich gesinnten Welt leben mussten, die sie letztlich nur unnötig zerstört hat. Ich denke da nicht nur an Pharisäer, Häretiker, an Hexen und Hexer, an Ungläubige und wie sonst noch religiöse Abweichler genannt wurden. Ich denke dabei auch an Zugehörigkeiten zu Völkern, Nationen, Ethnien, Rassen, Systemen und was es sonst so alles an Konstrukten gibt, die über Leben und Tod zu entscheiden sich anmaßen. Menschen mit Zugehörigkeit haben Kriege ausgelöst, Verfolgungen beschlossen und durchgeführt, haben damit immer wieder mit Füßen getreten, was wir Menschlichkeit [2. Der Begriff „menschliches Verhalten“ (mit Betonung des Attributs „menschlich“) hingegen hat einen normativen Gehalt, geht also von Vorstellungen darüber aus, wie der Mensch sein solle oder angeblich seiner wahren Natur oder idealen Bestimmung nach sei. Unter dieser Voraussetzung bezeichnet das Wort „Menschlichkeit“ in einer engeren Wortbedeutung Züge des Menschen, die objektiv als richtig oder gut gelten, zum Beispiel Mitleid, Nächstenliebe, Güte, Milde, Toleranz, Wohlwollen, Hilfsbereitschaft. Als subjektives Ziel der Selbstveredelung wird demgegenüber auch das Streben nach harmonischem Ausgleich von Sinnlichkeit und Sittlichkeit genannt. Wikipedia] nennen und Lebewesen ohne Not ihrer Freiheit beraubt. Unentschieden zu sein beraubt nicht ohne Not. Der Unentschiedene braucht zu essen, zu trinken und eine Bleibe. Und natürlich ist auch eine Gemeinschaft mit anderen hilfreich und lebenswert. Aber müssen die zugehörigen Mitglieder alle einer Ansicht/Meinung sein? Es genügt doch meist schon, nach einem Konsens [3. Der Konsens bedeutet die übereinstimmende Meinung von Personen zu einer bestimmten Frage ohne verdeckten oder offenen Widerspruch. Wikipedia DE] zu suchen, auch wenn das hier und da schwierig, langwierig und aufreibend sein mag. Ich sehe darin die einzige Möglichkeit, es doch wirklich mal mit „Freiheit“ zu versuchen. Frei zu sein heißt ja letztlich nicht, immerzu machen zu können, was mir gerade so in den Sinn kommt. Auch der freie Mensch muss sich hier und da entscheiden. Wer sich aber ohne Not(-wendigkeit) entscheidet, ist in meinen Augen nicht mehr frei! Er hat die Un-Freiheit für sich gewählt.

Ich sehe für die Menschen in Deutschland heute zum Beispiel keine Notwendigkeit, sich für oder gegen Zugehörigkeiten und besonders für einengende Regeln entscheiden zu müssen. Wir könnten alle weitgehend offen sein und es auch noch lange bleiben. Und das gilt für viele, sehr viele Schubladen unserer Gesellschaft. Hier gilt in meinem Verständnis immer noch als Leitgedanke der kategorische Imperativ [1. Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Auf unmittelbare Kritik reagierte Kant mit einem Anwendungsbeispiel in dem Aufsatz „Über ein vermeintes Recht“, aus Menschenliebe zu lügen. Wikipedia DE (Es lohnt sich, das dort einmal nachzulesen.)], den ich für die bisher beste Regel halte, die je für die Ausgestaltung von Gesellschaft in Freiheit gefunden wurde. Trotzdem würde ich sie ergänzen wollen um die Aufgabe, dem Ideal der Freiheit für alles Leben immer näher zu kommen. Das gilt besonders für die Unbill [2. Billigkeit (griechisch Epikie) ist ein im deutschen Recht vorkommender unbestimmter Rechtsbegriff, unter dem eine gerechte oder angemessene Anwendung allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen im Einzelfall verstanden wird. Wikipedia DE] des „Fressens und Gefressen-Werdens“ sowie die des „Verdrängens aus dem Lebensraum“. Diese in naher Zukunft nicht zu ändernden „Natur-Gesetze“ müssen so erträglich wie möglich für alle Wesen gestaltet werden.

Für mich ist „Freiheit an sich“ die Möglichkeit, sich nur dann entscheiden zu müssen, wenn es eine Not(-wendigkeit) dazu gibt. Dazu gehört es auch, Regeln zu befolgen, die einer funktionalen Ordnung wie einer Gesellschaft ihre Form geben. Dabei ist Konsens die einzige sinnvolle Bedingung, was auch einschließt, das die Personen/Wesen, die nicht mit diskutieren können, durch mitfühlende Parteinahme einbezogen werden. Das ist eine sehr große Aufgabe, fast schon eine Bürde, aber sie ist durchaus lösbar. Wir müssten uns nur eindeutig dafür entscheiden.




Eine erste Ode an die Un-Entschiedenheit: Glauben

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Glaubens, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit [1. Der antike Skeptiker Pyrrhon von Elis wendet die Unentschiedenheit in Form der Aoristie an und postulierte, dass die Dinge nicht unterscheidbar, unbeständig und damit nicht zu beurteilen seien. Daher dürfe man weder unseren Wahrnehmungen noch unseren Vorstellungen glauben, woraus die Pflicht entstünde, sich nicht zu entscheiden.] , der ich damit den Beginn einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an den Ansichten über den Glauben, die sich in Fragen äußern wie: Glaubst du an Gott? Welcher Glaubensgemeinschaft gehörst du an? Wie geht das zusammen, Zen-Meditation, Yoga und Christentum?



Zunächst einmal setzt die letzte Frage voraus, so scheint es zumindest, das bestimmte Formen des Glaubens und eine spirituellen Praxis immer nur in einem Gemeinschafts-Kontext gesehen werden können. Bei mir, der ich christlich aufgewachsen bin, Yoga unterrichte und übe, was allgemein mit dem Hinduismus zusammengebracht wird und im Zen-Stil meditiere, was allgemein, sprich in der Anschauung der Mehrheit eine buddhistische Praxis darstellt, würden so nahezu unkonvergente Grundanschauungen meiner Lebensbereiche mich permanent in Widersprüche verwickeln müssen. Das ist aber, so kann ich mit Bestimmtheit sagen, nicht der Fall.

Dem Christentum liegt grundsätzlich der Glaube zugrunde, das irgendwo da draußen außerhalb der Reichweite der Menschen sich ein Gott in der Transzendenz befinden müsse, der seinen Sohn als Mensch in unsere Welt geschickt habe, um unsere Sünden zu tilgen. Des Weiteren geistert der Heilige Geist allseits präsent durch unser Universum und beobachtet/berichtet (über) unser Tun und Handeln. Gott, Sohn und Heiliger Geist nehmen/haben also Einfluss aus der Transzendenz auf all unser Tun und richten darüber nach dem Tod. Jeder Mensch besitzt dazu eine persönliche Essenz, genannt Seele, die mit Gott in Verbindung stehend gedacht wird. Für mich stellt sich die Frage, warum es dann auf unserer Welt, die dem Glauben nach jetzt sündenfrei sein müsste, es nach wie vor so viel Gewalt, Krieg und Missgunst gibt. Bisher konnte ich mich keiner der reichlich kommunizierten Antworten anschließen, die sich in 2000 Jahren Geschichte an einer Erklärung versucht haben.

Nicht anders ist es mit dem Hinduismus, der ja mehr eine religiöse Sammelbewegung ist und der die Möglichkeit öffnet, jedem seinen ganz eigenen und für sich passende Gottesvorstellung zu wählen. Im Yoga heißt das, einen Persönlichen Gott zu haben. Die Gemeinschaft beruht mehr auf den Grundsätzen, die sich auf die Lehren der Upanishaden beziehungsweise auf Epen wie das Mahabharata beziehen. In diesen wird eine Gründung des Menschen auf Atman, eine persönliche Essenz des Geistes gesetzt, die mit der Essenz alles Menschlichen, dem Brahman in Verbindung steht. Durch das Menschsein ist dieser Atman dem Karma unterworfen, was soviel bedeutet wie das alle Handlungen des Menschen sich in gute oder schlechte Anhaftungen ausgestalten. Diese werden in diesem oder weiteren Leben abzuarbeiten sein und gestalten sozusagen dieses neue Leben nach der Wiedergeburt. Nun können wir dieses bisher nur glauben, nicht aber wissen oder nachvollziehen. Allerdings halte ich viele Annahmen oder Setzungen in den Lehren für so außergewöhnlich, das ich daran zweifle, das eine solche Konstruktion irgendwie auch nur annähernd die Wirklichkeit darzustellen vermag.

Schaut man sich den Buddhismus von seiner Gründung her an, so ist der Buddhismus auf zwei grundlegende Annahmen aufgebaut. Da ist zunächst einmal die Annahme, das es keinen Atman oder keine Seele gibt (anatman = Nicht-Selbst), was nichts anderes bedeutet als das sich nichts persönliches mehr in der auch hier angenommenen Wiedergeburt wiederfinden lässt. Die zweite Grundannahme ist die, das der Buddhismus sich darauf beschränkt, die Menschheit von Leiden jeglicher Art zu befreien. Was bedeuten diese Aussagen? Es gibt keinen Gott und kein persönliches Selbst (Seele, Atman). Ohne etwas grundlegend Festes, Ewiges, ist daher alles bedingt, also endlich, sterblich oder vergänglich. Daher wird, um der Sprache Genüge zu tun, das Gründende entweder als leer gedacht oder als eine Leerheit angenommen. Dann bringt der Buddhismus in seiner Eigenansicht nicht zwangsläufig den Frieden oder das Gute in die Welt, sondern befreit nur vom Leiden, und leiden tun Menschen in der Regel an ihren Ängsten, Sorgen, Nöten und falschen Vorstellungen. Die letzten werden oft als Gier, Hass und Verblendung angesehen. Im vollendeten Buddhismus bleibt der Arme also arm, der Reiche reich und der Kluge bleibt klug, aber alle Drei leiden nicht mehr. Gerechtigkeit spielt hier keine Rolle. Und aus der Abwesenheit vom Leiden entsteht eine ganz andere Gemeinschaft als die, die wir bisher kennenlernen konnten. In meinem Verständnis ignoriert der Buddhismus aber letztlich die Beobachtung, das sich Gemeinschaften immer werden organisieren müssen, das Organisationen aber immer Machtausübung und Kontrollmechanismen aufbauen und so immerzu das entsteht, was sich heute Korruption nennt, was wiederum die Grundlage bildet für Gier, Hass und Verblendung. Ich sehe hier, auf eine größere Allgemeinheit bezogen, einen Kreislauf, der sich nicht stoppen lassen wird. Somit funktioniert der Buddhismus nur in einem persönlichen Allein-Sein-Können. Dazu aber fehlt uns auf der Erde mit acht Mrd. Menschen sowohl der Raum als auch die Ressourcen.

Somit sind in den drei Weltsichten, mit denen ich Berührungspunkte habe, immerzu bedeutende Frage offen geblieben. Was aber spricht dagegen, sich eben keiner Glaubensgemeinschaft anzuschließen. Gott, Atman, Selbst und Leerheit, wozu brauchen wir das? Ist es nicht genug, festzustellen, das wir leben und darauf angewiesen sind, diesen Planeten mit allen Bewohnern zu teilen, ihn zu erhalten und zu versuchen, das Beste daraus zu machen. Das Beste ist doch wohl, ihn so zu lassen wie er sich in vielen Mio. Jahren selbst entwickelt hat. Ich habe auch einsehen müssen, das es Gerechtigkeit so nicht gibt. Diese Welt ist nicht auf Gerechtigkeit aufgebaut, sondern auf Funktionalität. Alle Substanz und Wesen stehen in Abhängigkeit zueinander. Auf keines/keinen kann verzichtet werden und keines/keiner ist unwichtig. Wir Menschen wissen nicht wirklich viel über das, was uns begründet, im Grunde wissen wir, wenn wir ehrlich sind, sogar gar nichts darüber. Wir sprechen zwar von einer Seele, einem Atman oder deren Abwesenheiten, und wissen doch nichts darüber. Mir hat das irgendwann zu denken gegeben, und ich habe für mich beschlossen, unentschieden zu bleiben in dieser Frage. Ich sehe jeden Tag, das Menschen sich in Weltsichten und Glauben flüchten, weil sie die offenen Fragen fürchten und Angst haben, etwas unwiderruflich falsch zu machen. Das ändert sich auch in der Unentschiedenheit nicht wesentlich. Aber als Unentschiedener gehöre ich keiner Organisation an, bin weder verpflichtet noch gebunden, sondern frei von Vorentscheidungen. Ich kann heute hier, morgen dort und überhaupt …, wann und wie immer ich will in der Welt sein. Ich denke, dass das der Freiheit, die wir doch so verehren, deutlich näher kommt als wenn ich mich entscheide, das Eine anzunehmen und auf alles andere zu verzichten. Allerdings, in der Unentschiedenheit ist der Mensch oft allein und meist auf sich selbst gestellt. Aber, ernsthaft betrachtet, ist Allein-Sein nicht allgegenwärtig, auch für den , der sich bereits entschieden hat.

Und was für den Glauben gilt, gilt auch in den anderen am Anfang genannten Themenbereichen. [3. Darüber werde ich ebenfalls bald etwas zu Bits bringen…] Sich im Entweder-Oder aufzuhalten ist durch die Angst begründet, ganz allein (da) zu sein. Daher schließen sich Menschen Gruppen, Organisationen und Staaten einschließlich deren Regeln an. Diese Angst selbst aber ist unbegründet. Jeder für sich ist allein. Jeder auf der Welt ist aber gleichzeitig in Gemeinschaft mit anderen. Das erstere schließt das andere doch nicht aus, sondern beide sind auf polare Weise miteinander verknüpft. Daher stehe ich zu Unentschiedenheit als Glaubensinhalt. Sie ist im obigen Fall nicht Nicht-Glauben, also Atheismus, bitte das nicht verwechseln. Ich behaupte weder einen Glauben noch streite ich ihn ab. Ich bleibe offen… Das ist genau betrachtet eine Haltung, die ohne Angriffs- oder Abwehrflächen zu haben auskommt, daher ist sie äußerst flexibel, denn sie hält offen, was bis zur Gewissheit offen bleiben sollte. Das Leben und die Gemeinschaft mit anderen gestaltet sich meiner Erfahrung nach einfacher auf diese Weise.




Angst, Sorge, Macht, Moderation und Spiritualität

Der Versuch einer Standortbestimmung… und ein Studienvorschlag ist der Kern dieses Artikels. Er beschäftigt sich mit den Grundlagen unserer europäisch-gepägten Kultur.

Wenn wir unsere Gewohnheiten genau betrachten, suchen wir bei Schwierigkeiten verallgemeinernd geschrieben immer nach dem einen Stein, der den Fluss unseres in-der-Welt-Seins in die Richtung gelenkt hat, in der er jetzt fließt. Wir nennen das gerne Kausalität, oder einfach ausgedrückt: „Der eine Fehler, die eine Fügung, das eine Glück und der eine Umstand, der den Ausschlag gab, die gerade jetzt wahrgenommene Richtung einzuschlagen“ und so unseren Standort zu definieren und zu gestalten.



Weniger verbreitet, aber immer noch allgemein verfügbar ist die Ansicht, das es auch mehrere Faktoren der oben genannten Art gewesen sein könnten, die diese Richtung maßgeblich erzeugt hat. Und dann werden die einzelnen Motive aufgezählt, in eine zeitlich eingrenzende Reihenfolge gebracht und zu einem Gesamtbild geformt, das dann dazu verwendet werden kann, um diese Ereignisse entweder wieder und wieder zu wiederholen oder aber diese Ereignisreihe nicht weiter entstehen und wirken zu lassen. Das Gefüge, das so entsteht, ist die Grundlage des menschlichen Erfolges. Darauf beruht jede Zivilisation, jede Gesellschaft und alle Organisationsformen, zu der sich Menschen zusammenschließen.

Betrachten wir das an einem einfachen Beispiel. Eine Gruppe von Menschen wohnt/haust irgendwo auf dieser Welt, sammelt, jagt und lebt ansonsten so in den Tag hinein. Die erbeutete Nahrung wird dann bei Bedarf in einen essbaren Zustand gebracht und vertilgt. Nach einer gewissen Zeit ergibt sich die Situation, das man einem der Mitglieder sein Essen wegnimmt, vielleicht weil er der Einzige war, der noch über einen Vorrat verfügte, und die Diebe stellen dann erstaunt fest, das dieses Essen ganz anders oder genauer gesagt viel besser schmeckt als das, was sie sonst zu verzehren pflegen. Also beschließen sie, das der Bestohlene künftig für alle kochen und zubereiten muss und entbinden ihn (vielleicht) dafür von anderen Tätigkeiten. Er wird zum Koch der Gruppe, und zwar deshalb, weil er das besonders gut kann. Jedes Mal, wenn sich in der Folge dann eine andere Begabung eines Mitglieds herausstellt, handeln sie ebenso, und so entstand das Prinzip der Arbeitsteilung, das heute alle Gesellschaften auszeichnet. Die vielen Vorteile, die dieses Prinzip mit sich bringt, sind offensichtlich. Aber es birgt auch einige Nachteile, die sich mehr verborgen als offensichtlich allein schon durch Möglichkeiten der Vorteilsnahmen herausbilden. Stirbt der Koch, der Jäger, der Werkzeugmacher oder Bäcker, dann muss diese Tätigkeit von anderen übernommen werden. Das kann dazu führen, das dann eine Zeit lang weniger Fleisch auf dem Speiseplan vorkommt, das Essen eine Zeitlang nicht mehr so gut schmeckt oder die Werkzeuge nicht mehr so brauchbar hergestellt werden können. Das sorgt für Unmut und schlechte Stimmung. Steht mal eine Zeitlang nur noch ein Spezialist zu Verfügung, ist die Gefahr groß, das sich die Stärkeren der Gruppe seine Dienste sichern und die anderen weiter darben lassen. Es schält sich eine Hackordnung heraus, die sich immer mehr festigt. Erst sind es die Starken, die sich die Vorteile sichern, dann kommen mit der Größe der Gesellschaft wachsend die Begehrten hinzu, Beliebte, Witzige, Clevere, Schlaue, Rücksichtslose und nicht zu Vergessen die Hinterlistigen, und die Liste der Begabungen, die zur Vorteilsnahme einladen, könnte seitenlang fortgesetzt werden. Aus der Hackordnung aus teilnehmenden Menschen entstehen Hackordnungen der Funktionen, die sich dann immer weiter ausprägen in neue Wertigkeiten und Ordnungen. So entsteht aus einer Gesellschaft der Arbeitsteilung immer mehr ein Machtgefüge, das sich an den Begehrlichkeiten der Macht-Ausübenden ausrichtet. Heutige Gesellschaften sind alle auf solchen Strukturen aufgebaut.

Was Mitglieder einer Gesellschaft heute verstehen müssen/sollten ist die permanente Anwesenheit dieser Struktur. Sie ist der Faden, der das Wollknäuel entstehen lässt, das wir heute so selbstverständlich voraussetzen und das uns (scheinbar) nicht offenbar wird. Sie ist ja nicht falsch, diese Ordnung, denn die Menschheit als Ganzes wäre heute nicht das, was sie ist ohne diese hätte erreichen können. Aber das Erkennen ist auch die Voraussetzung dafür, diese Struktur immer wieder den Notwendigkeiten anzupassen, die ein Leben zwangsläufig mit sich bringt. Strukturen wie diese erfordern einen ständigen Anpassungsprozess. Sie sind, das zeigt die Geschichte der Menschheit mehr als deutlich, niemals fest und endgültig. Mehr sogar, Gesellschaften sind dieser Prozess der ständigen Anpassung an die jeweilige Situation. Viele Gesellschaftsversuche der Vergangenheit sind doch gerade daran gescheitert, das sie nicht fähig und in der Lage waren, diesen ständigen Veränderungsprozess in Gang zu halten. Griechen, Römer, Ägypter sind für das Europa der Mittelmehrregion die Eindrucksvollsten und Bekanntesten davon, wohl weil sie Zeichen und Schriften hinterlassen haben, die ihre Struktur für die Nachwelt nachvollziehbar machten. Andere Völker haben nur wenig dauerhafte Spuren hinterlassen, waren aber nicht weniger erfolgreich. Und weitere Völker haben Spuren hinterlassen, die wir hier in Europa nicht verstehen oder deuten können und die so für Europa wenig Einfluss haben konnten. Ich denke dabei an China und weitere Völker Asiens, Afrikas und Amerikas und der eher als unbewohnbar erscheinen Gebiete der Welt.

Kommen wir zurück zur entscheidenden Aussage der letzten Abschnitts: Das Verstehen-Müssen der Strukturen, in denen wir Menschen leben. Daran hapert es nach meiner Auffassung in der heutigen Zeit in nahezu allen Gesellschaften auf der Weltkugel. Das ist so, weil Europa und seine Menschen seit Jahrhunderten ihr Verständnis ihrer Struktur/Kultur erfolgreich in die Welt hinaustragen und dabei nur wenige bis gar keine Anstrengungen unternahmen, fremde Kulturen zu verstehen, sondern sich damit begnügten, diese lediglich zu erobern und in ihrem Sinne zu formen. Das Motiv war und ist es auch heute noch Ausbeutung, ein Prinzip, das die Eroberer im Verhältnis Mensch-Natur erfolgreich angewandt hatten und das mit der Seefahrt auf Menschen anderer Weltregionen ausgedehnt wurde. Was sie dabei angerichtet haben, was sie zerstört haben und was dabei verlorenging, ist unschätzbar groß. Auch andere Völker, denken wir nur einmal an die Bewohner der Osterinseln, haben wie Europa ihre Lebensgrundlage geschmälert und sogar vernichtet. Das ist wahr. Aber niemand davon war so großflächig „erfolgreich“ wie die europäischen Eroberer. Wir finden die Ansätze und Grundlagen europäischer Prägung in nahezu allen Regionen der Welt. Betrachten wir das heutige Europa, ehemals eine grüne, von Wald übersäte Weltregion mit optimalen Lebensbedingungen, müssen wir erkennen, das Rodung, Rohstoffausbeutung und Umweltgestaltung den Kontinent für das Leben insgesamt betrachtet in eine monotone und feindliche Welt verformt haben. So war Spanien früher eine grüne und dicht bewaldete Halbinsel. Gleiches gilt mehr oder weniger für die ganze Mittelmeerregion. Die Zahl der ausgestorbenen Arten geht in die Millionen, und mittlerweile müssen Menschen immer mehr Aufgaben erledigen, die früher ganz von selbst geschahen. Blüten bestäuben, Boden düngen, Hänge befestigen, Wassermassen bändigen, die klimatischen Bedingungen erhalten, die Flüsse, Seen und Meere schützen und viele andere Erfordernisse der heutigen Zeit sind verursacht durch Unverständnis und nicht einfach so entstanden. Die Ausrede, das wir es nicht besser wussten oder verstanden ist zwar im Kern richtig, aber ich lasse sie nicht mehr gelten, seit wir wissen können/müssen, das es so ist wie es ist.



Wenn wir verstehen wollen, warum die europäische Kultur und Wirtschaftsweise so fatale Folgen für die Welt verursacht, müssen wir auf die Grundlagen, besser gesagt auf die Setzungen zurückgehen, die diese Kultur begründen. Viele unserem Denken zugrunde gelegten Motive stammen aus der griechischen Antike, wurden im Weltreich der Römer weiter ausgeformt und dann durch die christliche Lehre weiter verdichtet. Sie beruhen nahezu vollständig auf der Bereitschaft, einen Seins-Grund anzunehmen und über diesem ein System zu errichten, das auf Kausalität beruht. Vom Feuer über das Wasser gingen diese möglichen Urgründe über in Ideen und Monaden [1. Der Terminus Monas (von altgriechisch μονάς monás „Einheit, Einfachheit“) oder Monade bezieht sich naturphilosophisch auf eine gedachte Einheit von zugleich physischer und psychischer Bedeutung. Die Monadenlehre unterscheidet sich von der Urstofflehre der Vorsokratiker durch die Anwendung mathematischer Methoden auf die sich ergebenden Fragen, insbesondere hinsichtlich der seit René Descartes vollzogenen begrifflichen Trennung von Res extensa und Res cogitans und erscheint damit als holistischer Aspekt des Leib-Seele-Problems. In der Geschichte der Philosophie wurden unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs Monade entwickelt, deren Grundaspekte aber erstaunlich konstant blieben. Sie beginnen bei den Pythagoreern und entfalten sich insbesondere im Neuplatonismus, in der christlichen Mystik, der jüdischen Kabbala sowie in der hermetischen Tradition. Später bündeln sich dann fast alle in der Leibnizschen Monadologie, bevor sie im 19. Jahrhundert in Spezialbedeutungen auseinanderfallen. Wikipedia DE], Archetypen [2. Archetypen sind definiert als psychische (auch psychophysische) Strukturdominanten, die als unbewusste Wirkfaktoren das menschliche Verhalten und das Bewusstsein beeinflussen. Auch zum Bewusstsein selbst und zu seiner Entwicklung zeige die Kulturgeschichte archetypische Bilder, wie zum Beispiel die Himmelslichter, besonders auch die Sonne als Tagesgestirn (auch in Verbindung mit Vorstellungen von lichtbringenden, also symbolisch verstanden bewusstseinsbringenden Gottheiten). Einige Archetypen entsprächen zentralen kollektiven Ur-Erfahrungen der Menschheit wie z. B. weiblich/männlich, Geburt, Kindheit, Pubertät, Wandlung und Tod. Auch die Vielfalt religiöser Erfahrung könne angesehen werden als nach archetypischen Mustern strukturiert, welche interreligiös (religionsübergreifend) anzutreffen seien. Das tiefenpsychologische Konzept der Archetypen geht auf den Schweizer Psychiater und Psychologen Carl Gustav Jung zurück, der die Analytische Psychologie erfand. Es ist ein offenes Konzept, das keine exklusiven Definitionen von Archetypen und keine bestimmte Anzahl derselben enthält.] und Existenzialien [3. Existenzialien sind neben den Kategorien eine Möglichkeit, wie sich Sein beschreiben lässt. Der Begriff der Existenzialien, durch Martin Heidegger geprägt, ist dabei dem menschlichen Sein, dem Dasein im Sprachgebrauch Heideggers, vorbehalten. Er ist wesentlich mit Heideggers Programm der Fundamentalontologie verbunden.] und enden im Religiösen mit dem Gefüge eines transzendenten Gottes, der über die Welt wacht und der den eine Seele tragenden Menschen als Hüter seiner Schöpfung eingesetzt habe. Soweit eine mehr als grobe Aufzählung der europäisch-geistigen Entwicklungsgeschichte. Fundamental daran ist die Annahme eines Urgrundes, der das Denken in die Lage versetzt, die Kausalitätsreihe, die stets als gegeben angenommen wird, zu einem Ende zu bringen, die sonst als unendlich gesetzt werden müsste. Dafür wird dann jeweils ein gesetzter Urbegriff als eine Wirkung begriffen, die sich selbst als Ursache zugrunde gelegt sieht. Das kann ein Gott sein, die Seele, das Selbst, das Sein oder einfach auch der nur Urgrund. Dieses Postulat ist sozusagen „der Fixpunkt im All, der das Universum aus den Angeln zu heben versteht“, den Archimedes immer wieder ironisch betonte und zu finden oder zu erklären versuchte. Er war sich aber klar darüber, das dieser Fixpunkt nicht existiert, ja sogar, niemals existieren kann.

Kommen wir auf die Grundlagen westlich-europäischen Denkens zurück. Die Sätze dazu stammen aus der Feder von Aristoteles. Es sind deren vier, die alles bestimmen:

  • Den Satz von einem Grund, der ausreichend fest sein muss (Fixpunkt).
  • Den Satz vom ausgeschlossenen Dritten (Es gibt nur Seiend oder Nicht-Seiend).
  • Den Satz vom der zwingenden Widerspruchsfreiheit (Seiend kann nicht Nicht-Seiend sein).
  • Den Satz der Identität (Jedes Seiende ist sich selbst).

Den Satz von Grund wurde bereits beschrieben. Wenn wir Kausalität beibehalten, müssen wir irgendwo und irgendwann den Punkt finden, in dem alles endet. Das muss dann eine Wirkung sein, die sich selbst Ursache ist. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten sagt aus, das man nicht gleichzeitig etwas sein und etwas nicht-sein kann. Das Glas ist entweder gefüllt oder leer? Da wird es schon schwierig. Was ist mit halb-gefüllt oder halb-leer? Oder es heißt, der Würfel ist rot. Aber es gibt Lichtverhältnisse, wo bestimmtes Licht einen sonst roten Gegenstand andersfarbig aussehen lässt. Oder nehmen wir den Gegensatz Mann-Frau. Da sind wir heute bereits weiter. Der Satz der Identität sagt aus, das sich zwei materialisierte Gegenstände oder Wesen sich mindestens in einer Eigenschaft oder einem Bezug unterscheiden müssen. Zwei vollkommen gleiche Dinge können nicht auf exakt dem gleichen Punkt im Raum stehen, sonst wären sie nicht Zwei. Das soll zunächst einmal genügen, um zu beschreiben, worum es bei der Betrachtung geht. Schon Klaus Heinrich [6. Klaus Heinrich (geb. 23. September 1927 in Berlin; † 23. November 2020) war ein deutscher Professor für Religionswissenschaft auf religionsphilosophischer Grundlage. Er gehörte zu den Mitbegründern der Freien Universität Berlin. Seine Vorlesungen gelten als Großversuch der Selbstaufklärung über das Verhältnis von ästhetischem und transzendentalem Subjekt. Tertium datur. Eine religionsphilosophische Einführung in die Logik, hrsg. v. Wolfgang Albrecht u. a., Frankfurt am Main und Basel 1981] fragte nach, wofür diese Formeln eigentlich stehen sollen, wogegen sie sich eigentlich wehren. Warum sei das Gegenteil nicht zulässig, warum muss das Dritte ausgeschlossen sein und was könne dieses Dritte eigentlich sein. Warum muss/soll ich Widerspruch vermeiden und was wäre, wenn ich das zuließe? Und warum man Identität behaupten müsse, erschloss sich ihm wie mir auch nicht. Diese vier Sätze sind gesetzt, wie der Name schon sagt. Was bedeutet „setzen“ in diesem Sinne?

Gehen wir kurz in die Mathematik. Bei einer Iteration, die zur Auflösung von Gleichungen mit drei Unbekannten herangezogen werden kann, wird stets eine Unbekannte gesetzt. So werden aus drei Unbekannten zwei und die Auflösung kann erfolgen. Der gesetzte Wert stimmt aber nicht. Aus dem Ergebnis der Auflösung mit zwei Unbekannten aber kann ersehen werden, wohin sich der gesetzte Wert bewegen muss, um zu einem möglichen Wert zu kommen. Durch ständige Wiederholung und Korrektur des Setzwertes kann dann eine größtmögliche Annäherung an das „richtige“ Ergebnis erzielt werden. Wie gesagt war das eine Setzung und zwei verbleibende Unbekannte. In der Welt der Dinge aber gibt es zumindest schon vier Setzungen (s.o.), die unsere Logik begründen, und der Dinge gibt es Unzählige. Sind Dinge feste Gegenstände mit einer Erscheinungsdauer, bleibt es noch einfach. Wenn wir aber in die Philosophie eintauchen und uns mit Erscheinungen des Lebensgefüge von Menschen auseinandersetzen (Zu beachten ist das Setzen in der Auseinandersetzung…), werden die zu befragenden Dinge und mehr noch die Setzungen mehr und mehr ungreifbar (Niemand kann sie ergreifen…) Zu diesen gehören Gott, Vernunft, Sein, Seele, Unbewusstes, u.s.w. Nun ist doch erst mal die Frage zu klären: Stimmen diese Setzungen?“ Nehmen wir den christlichen Glauben. Gäbe es keinen Gott in der Transzendenz [4. Transzendenz beschreibt den Bezug auf einen Gegenstandsbereich, der jenseits möglicher Erfahrung bzw. vorfindlicher Wirklichkeit liegt. In Philosophie, Theologie und Religionswissenschaft wird damit auf ein metaphysisches Wesen des Wirklichen an sich selbst Bezug genommen, das sich in der philosophisch-theologischen Tradition mit dem Begriff eines göttlichen, unendlichen Grundes erfahrbarer, endlicher Wirklichkeit verbindet.Wikipedia (DE)], bräche das ganze christlich-theologische Gerüst zusammen. Um das Gerüst zu erhalten, müssen wir glauben, dürfen wir nicht zweifeln, ist es nicht erlaubt zu hinterfragen. Ist das aber mit dem Begriff der Freiheit der Menschen und seiner Würde vereinbar? Und was beschreiben Freiheit und Würde eigentlich? Auch hier werden wir von Definition zu Definition gelangen, werden Setzungen die Basis des Befragen-Könnens bilden. Was würde denn erscheinen, wenn wir alle Setzungen in Frage stellen oder sie im Nachdenken sogar weglassen? Könnten wir dann noch unsere Sprache beibehalten? Gäbe es Sprache noch? Gäbe es weiterhin Ortungsprinzipien, nach denen wir uns richten können? Gäbe es Schutz vor Gewalt, Verbrechen, Macht? Ist Gewalt und Verbrechen nicht auch Machtausübung, und weiter gefragt, kann Machtausübung vor Macht schützen?

Vielleicht halten Sie jetzt inne und kommen zu der Frage, ober der Schreibende hier nicht einfach nur frech, kindlich oder sogar zersetzend unterwegs ist. Wo bliebe die Sicherheit, die Ordnung, die Orientierung, wenn wir dieses alles aufgeben? Die Antwort darauf ist sehr einfach und stellte sich schon oben in den Fragen ein: Etwas „in Frage stellen“ und „im Nachdenken etwas aufgeben“ heißt doch nicht, eine Revolution einzuleiten, alles umzustoßen und das Neue sogleich in die Realität umzusetzen. Nehmen wir die Gewalt im Alltag, die sich in vielen Formen höchstwahrscheinlich einstellen würde, wenn es keine Polizeigewalt gäbe, die das zu verhindern versteht. Wir setzen also Gewalt gegen Gewalt ein. Aber Gewalt/Macht auf der einen Seite erzeugt immer Ohnmacht auf der anderen Seite. Wie viel Ordnungsmacht ist also wirklich notwendig? [8. Das Phänomen RAF begann zu einer Zeit, als polizeiliche Gewalt eingesetzt wurde, um politisch Andersdenkende zu unterdrücken. Erst kamen Knüppel und Wasserwerfer, dann Tränengas und Pistolenschüsse…, und dann wehrten sich die Ohnmächtigen…] Macht aber wird nicht nur durch Polizei ausgeübt. Auch Vorgesetzte haben Macht, Amtsträger verfügen über Macht, Geldbesitz erzeugt Macht, Wissenschaft verfügt über Macht und die meisten Menschen weichen einer auf sie gerichteten Machtausübung gerne aus, auch wenn sie als gerechtfertigt daher kommt. Ich behaupte, sie fühlen ihre Ohnmacht, und das erzeugt Angst. Oder nehmen wir die Straßenverkehrsordnung. Ohne diese würde Chaos und Willkür auf den Straßen herrschen? Ein Ort in Deutschland hat den Versuch gemacht, in der Innenstadt alle „Regeln durch Schilder und Ampeln“ abzuschaffen [5. siehe Drachten und Umgebung, H-ttps://www.deutschlandfunk.de/stadt-ohne-schilder-100.html, Der Schilderwald wurde von 100 auf 4 Schilder reduziert. Es wurde Kreisverkehr eingeführt.], und siehe da, es wurde langsamer gefahren, es kam zu weniger Unfällen und der Verkehr lief trotzdem flüssiger, weil weniger Wartezeiten auftraten. Sogar Fußgänger fühlten sich sicherer. Das hat eine Untersuchung der Hochschule dort sogar wissenschaftlich belegt. Wir müssen erfragen oder hinterfragen, ob unsere Ordnungsprinzipien wirklich sinnvoll sind oder nicht. Schauen sie in Bilder einer indische Großstadt. Der Verkehr dort ist unerträglich dicht, es bestehen wenige Regeln und es funktioniert irgendwie doch.

Nun kann dieses Thema immer weiter ausgeführt werden und wir kämen auch in der Größe einer Enzyklopädie nicht zu einer Lösung, die Grundlage der Umgestaltung einer Gesellschaft werden könnte. Nun beabsichtige ich das auch gar nicht. Ich frage eher nach dem was falsch ist in den Grundzügen unseres Denkens. Die Frage ist doch nicht zuerst: Was macht uns Angst? Die Frage ist doch eher so zu stellen: Was ist Angst? Und eine andere Frage ist nicht: Was will ich (für ein Leben führen)? Die Frage ist zunächst: Was ist Leben? Die Frage ist auch nicht: Wer bin ich? Die Frage ist: Wer stellt diese Fragen? Damit muss ich mich beschäftigen, bevor ich nach Lösungen suche. Nun könnte ich einfach sagen, diese Fragen stellt mein Selbst, meine Vernunft, meine Seele oder die Monade, und sie richtet sich an Gott, den Schöpfer oder das Universum. Und ich harre der Dinge und warte auf die Antwort, die sich mir irgendwie und irgendwann erschließt. Ich höre eine Predigt, lese ein Buch, höre eine Anleitung, habe eines Geistesblitz (Intuition, Führung) und die Antwort erscheint. Wirklich? Wie viele Setzungen waren in der Antwort enthalten? Sind diese Setzungen richtig? Und ich stelle meine Fragen erneut und bekomme andere Antworten, die wiederum Setzungen enthalten. Und so dreht sich die Scheibe immerzu und nach Monaten und Jahren habe ich mich nicht von der Stelle zu bewegen vermocht. Bei mir zu Hause stehen hunderte möglicher Antworten auf ebenso viele Fragen in Billy-Regalen und die Bücher dazu füllen Listen, die ich mittlerweile elektronisch verwalten muss, da mir längst der Überblick verlorengegangen ist. Haben sie mich weitergebracht? Ich fürchte: Nein. Aber ich bin zu der Überzeugung gelangt, das sie mir halfen, Fragen zu stellen, besser, konkreter, genauer, die an mich selbst gerichtet Setzungen aufspüren und sodann hinterfragen. Ich fand unzählige davon, und ich fürchte, ebenso viele oder mehr stehen mir noch bevor.



Ein paar Antworten, die zu Ergebnisse geführt haben, möchte ich kurz ausführen, da deren Inhalte sich bewährt haben. Beginnen wir mit der Angst. Die Angst ist ebenso wie der Schmerz eine Grundmotiv menschlichen Lebens. Wir wissen doch nach wie vor nicht, was im oder nach dem nächsten Atemzug geschieht, können es nicht wissen, da unser Leben endlich ist und der Zeitpunkt des Endes des Andauerns sich uns nicht erschließt. Alle möglichen Antworten darauf erwiesen sich bisher als von Setzungen gegründet. Angst zeigt sich in vielen Situationen, und das scheint gut zu sein, weil sie erst das Fragen, vom dem ich sprach, möglich macht. Ich stehe hier zu einer Aussage Heideggers, das Angst zu empfinden und auszuhalten die Türe öffnen kann, die entbergt, das sie hinter dem Seienden das Sein zu entdecken vermag, das sich gewöhnlich dort verbirgt. Und das, sollte es eintreffen, so hoffe ich oftmals, wird mir die eine oder andere Frage zusätzlich beantworten, wird sie in die richtige Form bringen oder mir das Leben vor der Angst näherbringen. Mit dem Schmerz verhält es sich ebenso wie mit der Angst. Nur ist Schmerz viel offensichtlicher, bei weitem nicht so verborgen und weniger verstrickt. Schmerz zeigt an, das etwas nicht (mehr) stimmig ist, das der Körper zum Beispiel verletzt ist oder seine Funktionen nicht wahrnehmen kann, das eine Lebenssituation psychisch-seelisch so aus den Fugen geraten ist, das das Geschehen als Schmerz (Trennungsschmerz, Heimweh, Verrat, Beleidigung) wahrgenommen wird. Ich würde sogar sagen, das Wut und Zorn mit Schmerz direkt verwandt sind oder gemeinsame Wurzeln haben. Darauf verweisen auch die schwachen Stimmungen, die sich aus den drei genannten starken (Schmerz, Wut, Zorn) ableiten. Wir können sie Unwohlsein, Aufbegehren und Einforderung nennen und sie somit als die zivilisiert-erlaubten Ableger der drei ansehen. Auch das gegenläufige Konstrukt birgt eine Stimmungen, nur geht sie in eine andere Richtung. Fühlen sich Schmerz und Ableger als zunehmend nagend an, weisen aber immer noch eine Gegenreaktion auf, so sind Trauer und ihre Verwandten (Depression, Antriebslosigkeit) mehr dämpfend und gehen vielleicht sogar unter die Linie der Wahrnehmung, die unser Lebensgefüge als normal ansieht. Sie machen hilflos, lassen kein Aufbegehren (mehr) zu [6. Daher arbeitet jede Trauerarbeit, jede Psychotherapie neben dem Verstehen auch immer wieder auf das Aufbegehren des Lebens hin, das der Patient wiedererlangen soll.]. Ich glaube hier an einem Punkt zu sein, an dem ich den nächsten Sprung wagen sollte.

Wir können ein Leben in nahezu allen Situationen, die uns begegnen, immer als grundsätzlich „aufbegehrend“ beschreiben. Wir reagieren aufbegehrend auf Bedürfnisse mit dem Ziel, diese zu stillen, also entweder „still“ werden zu lassen oder gar zu „sättigen“, was die Stimmung im ersten Fall auf Normalnull zu dämpfen oder wie im zweiten Fall sogar über das Normal zu heben vermag. Denken wir an den Hunger, der still wird, wenn ich etwas Essbares zu mir nehme oder der bei ausreichender und besonders angefragter Kost sogar zu einem hoch stimmigen Wohlsein führt. Nahrungsaufnahme, Befriedung der Sexualität, dazu beizutragen, sich angenommen, geliebt und gebraucht fühlen zu können, Vergnügen empfinden, Recht gehabt zu haben, weder Angst noch Furcht haben zu müssen und/oder auf einem Siegertreppchen zu stehen sind solche Begebenheiten, die durch Aufbegehren erschlossen werden. Sogar sich zur Wehr zu setzen, sich zu entziehen, sich zu gedulden, sich zurückzunehmen, sich zu schützen, sich zu produzieren, sich herauszustellen, sich zu rechtfertigen, etwas zu wünschen, zu hoffen, zu gewähren u.s.w. lassen alle sich als in letzter Konsequenz als Begehren erklären. Begehren ist eines, wenn nicht sogar das Grundmotiv des Lebens. Dieses richtet sich nach den Gegebenheiten und Möglichkeiten, Begehren zu können und zu deren Befriedung zu gelangen. Der Löwe in der Savanne begehrt das zur Nahrungsbefriedung notwendige Zebra… nur dann, wenn er Hunger hat. Satt kann er inmitten einer Zebraherde ruhig schlafen. Beim Menschen sähe das wohl anders aus, weil dieser sein Begehren auch auf Zukünftiges richten könnte. Er weiß, das er auch morgen wieder Hunger haben wird und versucht daher schon heute ein Tier zu erlegen, auch wenn er sich gerade satt fühlt. Die große Masse aller Lebewesen kann diese Form der Vorsorge nur begrenzt oder gar nicht betreiben. Hier ist der Mensch die große Ausnahme, überragt er in seinem Begehren-können alle anderen Lebewesen. Pflanzen begehren ebenfalls, wie jeder im Garten oder Wald erkennen kann. Ihr Begehren sucht durch Wurzelbildung nach Wasser, sucht durch Wachstum nach ausreichendem Zugang zu Sonne und Licht. Tiere verbringen den Großteil ihres Lebens mit der Suche nach Nahrung, jagend oder äsend. Was beide Genannten vermissen lassen ist das Motiv der Sorge, das sich in Vermeidung, Vorsorge und Absicherung ausdrückt. Der Mensch ist, wie die Beschreibung belegt, ein/der Meister des Begehrens und der (Vor)Sorge. Dafür grenzt er den ihm zugängliche Weltausschnitt ein, er ergreift Besitz und verteidigt diesen gegenüber allen anderen. Selbst innerhalb der Gemeinschaften, die zunehmend größer werden, hat sich dieses Prinzip heute durchgesetzt. Waren frühere Gemeinschaften noch gemeinsam agierende Kommunen, finden sich Menschen heute zunehmend als Alleinstehend in ihrer Welt wieder. Dieses Alleinsein, das keine Macht auszuprägen in der Lage ist, wiederum erzeugt Ohnmacht und weitere Angst, die sich immer weiterführend in Sorge ausdrücken wird.

Fassen wir in aller Kürze zusammen. Der Mensch kann Angst und Schmerz empfinden, und aus diesem Vermögen heraus entwickelt er ein Begehren, das aus der Summe aller Lebewesen an Größe und Umfang mehr als einzigartig herausragt. Dieses übergroße Begehren lässt das entstehen, was wir in den verschiedenen Formen der Sorge wiederfinden. Diese Sorge wird vom Menschen derart aufgenommen, das er Gemeinschaften bildet, um sich besser in der Welt behaupten können. Diese Gemeinschaften wiederum ermöglichen/erfordern Arbeitsteilung, Spezialistentum, Rollenverteilungen und bedingen Besitzverhältnisse. Zur Organisation derselben muss dann zwangsläufig ein Machtgefüge ausgebildet werden, um die vielfältigen und unterschiedlichen Vorgänge steuern zu können. Aus diesem Machtgefüge heraus entwickeln sich Hackordnungen, die wiederum Angst und Schmerz auszulösen verstehen und sich in zusätzliche Sorgen verwandeln.

Das ist der heutige Stand der Menschheit und damit das große Problem unserer Welt, denn Sorge, Angst und Schmerz in der Menschheit haben ein Ausmaß angenommen, das die Grenzen des sich selbst regulierenden Systems namens Leben auf unserem Planeten zu sprengen vermag. Diese Spiralen aus Begehren, Zusammenarbeit, Machtausübung, Eingrenzung erzeugen mehr und mehr die Motive Angst und Sorge, zu deren Vermeidung diese Spiralen einst in Gang gesetzt wurden. Der Mensch hat mit seiner Zivilisation, die sich durch Ausgrenzung der Natur und Ausbeutung derselben einschließlich des Menschen selbst durch sich selbst einen Kreislauf erzeugt, der immer weiter in die genannten Spiralen gehen muss. Die Beweisführung dieses Artikels sehe ich als eine/die Lagebeschreibung an, zu deren Lösung ein Schreiben wie das Gelesene beitragen kann und soll. Zu Verstehen „Was-Ist“ ist immer die Grundlage, Änderungsmöglichkeiten zu erforschen und zu benennen. Wir können ein Lebensgefüge nicht ändern, wenn wir nicht verstehen, wo wir uns gerade befinden und wie das Bestehende funktioniert. Die Kreis- und Spiralläufe müssen durchbrochen oder angehalten werden, wenn sich etwas befrieden soll. Für mich sind die Vorstellungen, die sich in „Begehren“ ausdrücken, der Schlüssel dazu. Nur das Hauptmotiv selbst lässt eine nachhaltige Änderung zu.



Ich beginne neu. Das bisher geschriebene steht für die Welt, die ich vorfinde, ja vielleicht sogar schaffe mit meiner vorgegebenen Wahrnehmung, meiner immerzu trennenden Sprache und den Setzungen einer, nein, heute sogar mehrerer Traditionen, die weit über das mir Bekanntgewordene hinausreicht. Sie alle suggerieren mir Begehren, verschreiben mir Tun-müssen, beschreiben mir Denken-müssen, verpflichten mich aus einer Angst heraus zur Sorge. Aber wovor soll Angst herrschen, wovor soll Sorge schützen? Ist Begehren wirklich das Maß aller Dinge, leben wir, um zu begehren? Leben wir, um die Früchte unseres Begehrens zu ernten, zu genießen oder zu erdulden? Oder macht unser Begehren, durch die Angst, die es erzeugt durch die Möglichkeit des Nicht-Gelingens, nicht erst das sichtbar, was in spirituellen Praktiken herausgekitzelt, hervorgebracht oder entborgen wird? Gehen wir also doch einmal davon aus, das Begehren die menschliche Neigung ist, die ihn genau zu dem befähigt, was mit der spirituellen Praxis hervorgehoben werden soll. Muss dann nicht, um den Spiralen und Kreisen, die oben beschrieben wurden, zu entgehen, nicht noch etwas dazu kommen, noch etwas wirken, um die Wiederkehr des Ewig-Selben zu vermeiden? Was könnte das sein? Welche Neigung, welche Fähigkeit, welche Gabe könnte das bewirken? Es dürfte nichts absolut Neues sein, dürfte die eingeschworenen Besitztümer und Gewohnheiten nicht allzu sehr bedrohen, dürfte in allen Traditionen nur mit überwiegend positiv besetzten Inhalten gefüllt sein, dürfte aber hier und da die Negation nicht ausschließen. Und das Gesuchte sollte fähig sein anzuknüpfen an die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse gleich welcher Art diese auch sein mögen. Das einzige geflügelte Wort dazu, das mir einfällt, ist Maß halten oder „maßvoll“ im Sinne von moderat und/oder „nicht übertrieben“. Leider hat unserer deutscher Wortschatz das Maß halten nicht mehr in seiner Liste stehen. Ich nehme daher für künftige Beschreibungen das Wort „moderat“, das im Duden für gemäßigt und maßvoll steht.

Was bedeutet moderat vorgehen im oben genannte Sinne, wenn wir über Kausalität, also das Ursache-Wirkung-Prinzip sprechen, wie es am Anfang im ersten Kapitel beschrieben wurde? Dementsprechend muss alles, was wir einer Wirkung zuschreiben, aus einer Ursache erwachsen. Nun gibt es aber als Ursachen meist viele Möglichkeiten und Menschen haben die Neigung, uns die uns gefügigste herauszusuchen.

Exkurs: Nehmen wir das Ergebnis einer Analyse als Beispiel. Ein Ergebnis zeigt Daten, die ungewöhnlich sind und so eigentlich nicht auftreten dürften, wenn das geprüfte Material „in Ordnung“ (…spricht für sich…) sein soll. In einer sachgerechten Analytik wäre es daher notwendig, alle Möglichkeiten durch Versuchsanordnungen zu überprüfen, bis der Fehler gefunden wurde. Das können in der Summe sehr viele werden. In der Regel der Wirtschaftlichkeit wird das vermieden, indem das gesamte Material entweder verworfen wird (…, da überprüfen meist teurer als ersetzen ist…) oder aber irgend eine Möglichkeit der Prüfmethode in einem Fehlerprotokoll einfach gesetzt wird und somit das Ergebnis aus der Reparatur/Studie, zu der die Analyse diente, herausgelöst und ignoriert werden kann (willkürliche Setzung). Nun wird jeder vermuten, das die erste Lösung der Standard sein sollte? Weit gefehlt, in meiner Erfahrung ist die willkürliche Methode eher als Standard anzusehen. Wie oft, frage ich, hat man ein Gerät zur Reparatur gebracht und nach dem erstmaligen Anschalten stellt sich heraus, das es noch immer genau so klappert wie zuvor. Ein Teil wurde zwar ersetzt, aber eben gerade das nicht, der das unsägliche Klappern verursachte. Halten wir fest: Menschen neigen bei komplexen Problemlösungen gerne und oft zu willkürlichen Setzungen.

Des Weiteren sind/neigen kausale Wirkungsketten, die Menschen nachzuvollziehen sich bemühen, ein hochgradig verzweigte und verwickelte Gebilde. Eine wahrgenommene Wirkung kann viele Ursachen haben, nicht nur die eine, die wir vordergründig als gegeben wahrnehmen. Schon kleine und eher winzige Beigaben können große unvorhersehbare Wirkungen entfalten. Der mythische Schmetterlings-Flügelschlag, der ein Erdbeben auslöst, ist dafür sozusagen das narrative Maximum. Was aber wäre denn gegeben, wenn wir auf die grundsätzliche Verwendung der Kausalität verzichten würden und sie als einen Sonderfall ansehen würden, der nur bei rein praktischen und technischen Dingen hier und da zu Anwendung käme? Das Lebendige sozusagen, das Organische würde nur zum Teil, das psychische aber nur selten diesem Prinzip unterworfen sein. An dessen Stelle würde das Prinzip des Prozesses stehen, der nirgend wo und nirgend wann anfing und endet? Und Lebewesen sind Teil und Ganzes dieses Prozesses zugleich, wie das im Taoismus als gültig angesehen wird. Dann gäbe es keine Ereignisse mehr, die sich in Ursachen und Wirkungen unterteilen ließen. Dann gäbe es nur den Strom des Lebens, der Tendenzen und Neigungen zeitigt und nur darüber beeinflusst oder geglättet werden könnte. Und darin sollte/müsste sich der Mensch moderat verhalten, sollte Handlungen und Methoden meiden, die zu Ohnmacht, Hass, Ablehnung und dergleichen beitragen können und sollte sich eher im Sinne von Nicht-Tun, Nicht-Handeln oder Wu Wei bewegen, wobei dieser Begriff geklärt werden muss. [8. Der Begriff Wu wei, auch Wuwei, stammt aus dem Daoismus, erstmals wird er im Daodejing erwähnt. Er wird definiert als Nichthandeln im Sinne von Enthaltung eines gegen die Natur gerichteten Handelns. Der Begriff Wu Wei begründet sich aus der daoistischen Auffassung vom Dao, dem umfassenden Ursprung und Wirkprinzip, das die Ordnung und Wandlung der Dinge bewirkt, so dass es nicht weise wäre, in das Walten dieses Prinzips einzugreifen. Die letzte Wahrheit ist gemäß dieser Lehre eins und handelt spontan, ohne dass der Geist des Menschen in sie eingreifen müsste. Die Rückkehr zum Ursprung kann nur erfolgen, wenn das dualistische Denken aufgegeben wird und die Handlungen natürlich und spontan erfolgen. Wu Wei bedeutet nicht, dass man gar nicht handelt, sondern dass die Handlungen spontan in Einklang mit dem Dao entstehen. Dadurch wird das Notwendige leicht und mühelos getan und sowohl Übereifer als auch blinder Aktionismus (die als hinderlich betrachtet werden) vermieden. Es ist ein Zustand der inneren Stille, der zur richtigen Zeit die richtige Handlung ohne Anstrengung des Willens hervortreten lässt. Das Vollkommene wird im Daoismus als leer, weich und spontan gedacht und entsprechend sollte auch das Handeln sein, d. h. ohne ein Eingreifen des dualistischen Intellekts, sich der Situation anpassend und intuitiv. Das vollkommene Handeln erkennt intuitiv das beste Mittel und es erscheint als sinnlos, seine Energie in unfruchtbaren Handlungen um der Handlung willen zu erschöpfen, sondern das Handeln sollte sich auf die geeigneten Umstände und Mittel beschränken. Die beste Übersetzung des Begriffes Wu Wei wäre somit „Nicht-Eingreifen“, „tätiges Nichthandeln“ bzw. „Handeln durch Nicht-Handeln“, und es handelt sich um eine Art von kreativer Passivität. Aus dieser Haltung des Geschehen-Lassens resultieren auch Gewaltlosigkeit und Widerstandslosigkeit als natürliche Folge. Wikipedia DE] Die Frage stellt sich, ob nicht erwogen werden sollte, das Prinzip, das Wu Wei zugrunde liegt, doch hier und da auf das menschliche Denken auch in Europa anzuwenden.

Gemeinschaften bilden sich aus vielen, oftmals sehr unlogischen Gründen. Der gemeinsame Feind lässt Feinde auch schon mal zu Verbündeten werden, sagt ein Sprichwort.

Exkurs: Oftmals verbinden sich Menschen in Familien zu einer Gemeinschaft, die eben gerade nicht auf Mitgefühl und Vertrauen beruht. Das ist kein modernes Phänomen, das gibt es seit den Anfängen der Geschichtsschreibung. Auch heute noch wird einer Freundschaft oftmals weniger Bindung zugetraut als einer Blutsverwandtschaft. Ehen wurden zum Beispiel lange Zeit aus machtpolitischen und wirtschaftlichen Motiven gestiftet. Liebe und gegenseitiges Vertrauen sind sehr modernen Phänomene und stehen noch nicht lange in hohem Kurs. Auch bilden sich Gemeinschaften heraus, ohne das diese irgendwie beabsichtigt oder begründet werden. Ehe sich der Einzelne versah, wird er einer Gemeinschaft zugehörig und kann sich aus dieser auch nicht mehr befreien. Viele Filme der Neuzeit befassen sich mit diesem Thema. Auch Staatsangehörigkeiten, Hautfarben, gemeinsames Erleben oder gemeinsame Interessen führen zu Gemeinschaften.



Die Frage ist doch, wo beginnt Gemeinschaft und wo kann sie enden. Endet sie überhaupt, oder sind Menschen nicht per se eine Gemeinschaft? Oder mehr noch, ist Leben auf diesem Planeten nicht per se eine Gemeinschaft? Gehört zu Gemeinschaft nicht auch das Prinzip „Leben und Leben lassen“ grundlegend dazu. Wenn wir die Insekten ausrotten, wer bestäubt dann die Pflanzenblüten, von deren Früchten letztlich auch Menschen leben? Wenn wir die Pflanzenwelt immer mehr einschränken, wer produziert dann den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen und wie kann das CO2 abgebaut werden, das uns ansonsten vergiften und ersticken würde/wird, wenn das nicht (mehr) unsere Pflanzen übernehmen (können)? Das Leben besteht doch aus Gleichgewichten. Lebewesen sind das Futter von Lebewesen. Die Großen fressen die Kleinen. Und alles Tote kehrt zurück in die Welt den Kreislauf des Lebens. Es ist doch die Gemeinschaft des Lebens, dass wir schützen müssen. Um selbst weiterleben zu können, müssen alle und alles weiterleben können. Die Entwicklungen/Evolution sind/ist doch niemals abgeschlossen. Das zu erkennen ist doch nicht schwer und auch nicht kompliziert. Was wir einfügen sollten/können ist „Maß halten“ (Moderation und/oder Moderator [9. Ein Moderator (von demselben lateinischen Wort mit der Bedeutung ‚Mäßiger‘, ‚Lenker‘, ‚Handhaber‘, ‚Regierer‘; abgeleitet vom Verb moderare ‚mäßigen, in Schranken halten, regeln‘) ist eine Person, die ein Gespräch lenkt oder in einer Kommunikation vermittelt. Die Tätigkeit selbst bezeichnet man als Moderation.]) also dafür sorgen, das sich Einzelne nicht über alle anderen erheben und sie so ersticken. Wir Menschen aber sind untereinander und auch zu anderen schon auf dem Weg, dieser Einzelne zu werden oder sogar schon zu sein. Nur sehen wir uns selber nicht. Wir sehen nur die Anderen. Wir müssen aufhören damit! Wir entscheiden doch heute nahezu weltweit, wer wann und wo und wie leben darf und wer nicht. Und wir beanspruchen soviel Lebensraum für uns allein, das sich viele Arten nicht mehr in Leben einfinden können und aussterben. Ich halte das für das größte Problem der Menschheit heute. Wir müssen entscheiden, ob wir so weitermachen wollen und wie wir unsere Übermacht zügeln. Helmut Schmidt sagte einmal in einem Interview, das „das ungebremste Wachstum der Menschheit das größte Problem darstellt, das er sieht“. Diese Aussage wurde überhört, bereits vom Interviewer regelrecht ignoriert und in der Breite des Gesprächs und der Diskussion darüber niemals aufgegriffen. Wir Menschen vermeiden scheinbar gerne Erkenntnisse, deren Inhalte uns einengen, die unsere Begierden nicht zufriedenstellen oder unseren Ansprüchen die Rechtfertigung entziehen könnten. Wir sind blind auf den Augen der ganzheitlichen Sichtweisen.

Halten wir einmal fest, was ausgesagt wurde auf den letzten Seiten und fassen nochmal kurz zusammen. Die Regeln von Logik und Sprache beruhen auf Setzungen, die aus dem Ganzen nur noch Teile beleuchten können. Das ist der blinde Fleck unter anderen auch der der Wissenschaften. Nicht anders sieht es aus in den gesellschaftlichen Formen, die ebenfalls auf Setzungen und weiterführend auf Erzählungen beruhen, die uns Formen vorgaukeln, die wir ohne das nie akzeptieren würden. Das beste Beispiel dafür ist der Vorrang der Familie, die in nahezu allen Kulturen gepflegt wird. Weiterhin sind Gesellschaften der zur Zeit gewohnten Größe nur mit Machtausübung und Machtstrukturen, sprich Hackordnungen aufrechtzuerhalten, die dann wiederum zu Ohnmacht und aktiven/passivem Widerstand herausfordern, die ihrerseits Sorgen erzeugen.

Exkurs: Morgen muss ich mich impfen lassen, nicht weil es mir Sorge bereitet, das ich an der Krankheit leiden könne, die die Impfung zu verhindern sucht, sondern weil ich geimpft sein muss, um an den Einrichtungen der Gesellschaft teilhaben zu können, da mir ansonsten verboten sein könnte, zu Sportveranstaltungen, Konzerten oder Kulturveranstaltungen zu gehen oder die verhindern könnten, das man seinen Urlaub antreten kann, weil die Flug- oder Reisegesellschaften mir ihre Dienste verweigern. Gleiches gilt für medizinische und körpernahe Dienstleistungen. Die Sorge wird verursacht durch eine Sorge, die als Wirkung einer Ursache zugeordnet ist, die wiederum auf einer Setzung beruht, die weder bewiesen noch belegt werden kann. Überschreite ich den einen Termin, gelte ich künftig als ungeimpft, obwohl ich geimpft bin und muss mich wahrscheinlich erneut sogar mehrfach impfen lassen, um wieder als geimpft zu gelten. Und so sollte/muss ich mich fügen, da ich einer Gesellschaft angehöre, die das von mir verlangt und ansonsten mit Machtausübung droht, die mir heute wiederum Sorge bereitet. Heidegger zu lesen ist da doch deutlich einfacher im Verstehen-Können. Und dabei habe ich ja noch einiges ausgelassen.

Alles in Allem wäre es nunmehr Zeit, ein Fazit zu ziehen. Das ist jedoch nicht so einfach, wie die 10 Seiten, die jetzt schon beschrieben sind, es vermuten lassen. Die Frage, die mich seit vielen Jahren umtreibt, ist doch die: Ist es sinnvoll, sich in Sachen Gemeinschaft/Gesellschaft auf seiner Ansicht bezüglich Gerechtigkeit und Sinnhaftigkeit zu bestehen oder ist es nicht doch besser, sich den Mehrheiten und Gegebenheiten der Ordnung zu fügen, der man sich angeschlossen hat. Meine Ansicht dazu ist zwiespältig und nicht so einfach zu erklären. Einerseits bestehe ich auf meinen Rechten und versuche, meinen Pflichten, die ich eingegangen bin, nachzukommen. Andererseits bin ich nicht bereit, mich einer Meinung oder Ansicht anzuschließen, nur weil über Macht verfügende Menschen und Organisationen diese mir aufzuoktroyieren versuchen. Es kann also sein, das ich mich im Gegensatz zu meiner Überzeugung dazu hinreißen lasse, mich dem Druck der Gemeinschaft zu beugen, weil ich die Kraft nicht aufbringen möchte, mich den Ressentiments entgegenzustellen, die mir ansonsten drohen. Allerdings würde ich diese Nachgiebigkeit nicht verallgemeinern und somit doch von Fall zu Fall entscheiden wollen/müssen. Bei den Impfungen habe ich mich dazu entschlossen, über ein gültiges Zertifikat verfügen zu wollen, um einerseits reisen und auch meinen sportlichen Aktivitäten ungestört nachkommen zu können. Viele mögen das als schwach empfinden, aber dauernd gegen Wände zu laufen ist auch nicht gerade eine gute Idee und zeugt weder von Stärke noch von Intelligenz. Menschen sind sich anpassende Wesen, an die Umgebung, an die Gemeinschaft, an Machtverhältnisse, an das Wetter und die Nahrungsquellen. Ich finde das weder falsch noch feige. Es ist eben doch immer genau so wie es ist. Jeder hat nur ein Leben, und man sollte sich überlegen, wie man es gestalten und leben kann/soll/muss. Es gibt die ideale Lösung einfach nicht. Es gab sie noch nie, und es wird sie auch in Zukunft nicht geben (können).

Machtausübung erzeugt Ohnmacht, die erst zu Sorge und dann zu Widerstand führt. Gewaltausübung führt zu Gegengewalt, die über die Sorge zu Widerstand führt. Sorge führt zu Maßnahmen der (Vor)Sorge, die zu Verstrickungen führt, die wiederum über den so erzeugten Widerstand zu neuer Sorge verführt. In Ereignisketten zu denken verführt zur Anwendung von Kausalität und der Gefahr von Setzungen, die in der Komplexität der Gesellschaften unvermeidlich zu Ungerechtigkeit, Machtausübung, Sorge und Widerstand führen. Ausbeutung zum Beispiel der Natur führt unweigerlich zum Zusammenbruch derselben, was Sorge bereitet, die mit Vorsorge beantwortet Machtausübung erfordert, die wiederum erst zu neuer Sorge und dann zu Widerstand führt. Und diese ganze Sorgengebilde wiederum beruhen auf Setzungen, die sich aus Begehren herausbilden und deren Übermaß zu Ungerechtigkeit und weiterer Sorge führt, was wiederum Widerstand erzeugt.

Ist dieser (Kreis)Lauf nicht mehr als eindeutig erkennbar. Er beruht auf den grundlegenden Setzungen unserer Kultur. Meine Überlegung geht dahin, diese Kreise zu überdenken und vielleicht zu versuchen, sie gezielt zu durchbrechen. Dazu erscheint mir nur die Basis geeignet, die sich in Prozessdenken und Nicht-Handeln (Wu Wei, s.o.) ausdrückt. Ich empfehle daher allen, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen, das Studium des Taoismus und seiner Schöpfer Laotse, Zwangzi und anderer, aber nicht um zu ersetzen, sondern sich darüber die Einsichten und Möglichkeiten zu erschließen, die in der Lage wären, unsere europäische Kultur auf eine feine und vorsichtige Art und Weise erneut zu kultivieren. Die Aufgabe wäre, Mittel und Wege zu finden, diese Läufe zu dämpfen, zu glätten oder gar einzuebnen. Wie das geht und was dazu notwendig ist, lässt sich nicht niederschreiben. Dazu muss sich jeder Einzelne in der ihm zugänglichen Weise mit den Grundzügen auseinandersetzen, die seine Kultur heute prägen. Es gibt kein System, keine Doktrin, keine Ordnung, keine Vorgaben und keine Setzung, die das für alle gleich übernehmen könnte. Hier ist jeder selbst gefragt und jeder für sich allein verantwortlich. Das ist (für mich) die eigentliche Aufgabe von Spiritualität.




Zwischen Kognition, Homöostase, Priorisierungen und Strategie

Der Versuch einer einfachen Beschreibung des Bewusstseins

Einleitung

Über die Entwicklung und Wirklichkeit des Phänomens Bewusstsein gibt es unzählige Theorien und Geschichten, die sich in Bezug zu Inhalt und Zielsetzung fast alle in entscheidender Weise unterscheiden. Sucht man nach einer Definition des Begriffes, zum Beispiel bei Wikipedia, bekommt man schnell eine sehr lange Latte an Beispielen.



Das Inhaltsverzeichnis dazu sieht ungefähr wie nachfolgend aus:

Bewusstsein in der Philosophie: Bewusstsein als Rätsel, Das Qualiaproblem, Das Intentionalitätsproblem, Innenperspektive und Außenperspektive, Bewusstsein, Materialismus und Dualismus

Bewusstsein in den Naturwissenschaften: Neurowissenschaften, Psychologie, Kognitionswissenschaft

Selbstbewusstsein: Selbstbewusstsein als Bewusstsein vom Selbst, Philosophie, Psychologie, Selbstbewusstsein als Bewusstsein von mentalen Zuständen

Bewusstsein bei Tieren: keine Erkenntnisse

Bewusstsein in den Religionen: Abrahamitische Religionen, Hinduismus und Buddhismus

Nun ist eine solche Breite in der Definitionsfrage dieses Begriffes genau die Grundlage, die dazu einlädt, diesen Begriff als „undefinierbar“ zu bezeichnen. Wenn jeder Wissenschaftszweig, jede Religion und jede Sprache eine andere Definition zugrunde legt, ist sozusagen das Chaos schnell perfekt.

Erster Versuch einer Definition von Bewusstsein

Beginnen wir als bei dem uns zugänglichen einfachsten Lebewesen, den Einzellern. Nach Damasio [1. Wie wir denken, wie wir fühlen, S.14, Antonio Damasio, Hanser-Verlag.] sind sie intelligent auf eine bemerkenswerte Weise. Sie nutzen aber weder Geist noch Bewusstsein, sondern eine Art von Kognition, die es ihnen ermöglicht, mit ihrer Umwelt zurecht zu kommen und über ihr Leben und dessen Fortbestehen zu bestimmen. Damasio nennt dieses „nicht-explizite Fähigkeiten“, also eindeutig vorhandene Fähigkeiten, und bekennt im „nicht“, das sie einer mentalen Betrachtung, wie sie heute im wissenschaftlichen Denken üblich sein sollte, verborgen bleiben. Alle Lebewesen verfügen über diese Fähigkeiten. Sie sind die Grundlage für Leben. Diese sind auch beim Menschen vorhanden und zu erkennen, aber wohl mehr durch ihr Wirken als durch ihre beobachtbaren Aktivitäten. Neben diesen verwendet der Mensch weitere Fähigkeiten, die wir als Kreativität und Vernunft beschreiben könn(t)en. Diese erweisen sich deutlich besser erforschbar und sind daher, zumindest glauben das die damit beschäftigten Wissenschaften, auch explizit schon erforscht.

Spätestens mit der Entwicklung und Ausbildung eines Nervensystems beginnt der ein Prozess bei allen Lebewesen, den man gerne als „geisthaft“ beschreiben kann. Dieser stellt sich dar wie ein ständig aktualisierter Strom von Daten, die etwas über die direkte Umwelt (über die Sinnesorgane) als auch den Zustand des eigenen Organismus (über dem Körper eigene Detektionssysteme) aussagen. Dieser Strom steht mit den nicht-expliziten Fähigkeiten in einen beständigen Austausch und Abgleich und sichert auf diese Weise den Fortbestand des Lebewesens auf beeindruckende Weise. Ich werde diese Mischung aus expliziten Fähigkeiten und Sinnes-Daten erst einmal „Lebensstrom“ nennen.

Erst die darauf entwickelte Vergrößerung und Erweiterung der Nerven und Gehirn-Areale ermöglicht es, dem Lebensstrom Bilder zu entnehmen und abzuspeichern und erlaubt es dem Lebewesen, sich ihrer zu erinnern. Die sich daraus ergebende Fähigkeit, erinnernde Bilder mit dem laufenden Lebensstrom abzugleichen und daraus Nutzen zu ziehen, würde ich Geist nennen wollen. Zu finden ist dieser in allen komplexen Lebewesen, die über ein ausgebildetes Nervensystem verfügen und sich damit in ihrer Welt orientieren können/müssen. Mindestens das gesamt tierische Leben verfügt über Geist. Neuere Forschung, die auch Pflanzen und Insekten bzw. Insektenstaaten Geist zuschreiben, sind zwar spannend und interessant, bilden aber für diesen Artikel und seinem Thema wenig Nutzen.

Bewusstsein in dem gesuchten Sinn findet sich überwiegend erst in Säugetieren, zu denen auch der Mensch gehört. Vielleicht können wir das, was bisher von mir benannt wurde, als die archaische Lebenswelt bezeichnen, was aber nicht auf die Bedeutung altertümlich, vorzeitlich oder frühzeitlich, sondern auf eine prä-bewusste Kognition hindeutet. Mit dem Bewusstsein kommt eine ganz neue Weise der Orientierung eines Lebewesens in die Welt. Aus dem Bilderstrom des Geistes bilden sich verschiedene Eingrenzungen, Zusammenfassungen und Deutungen heraus, die zu perspektivischen Sichtweisen führen. Ganz herausragend in diesen Neuerungen ist die Perspektive, die den Lebewesen ein „Ich“ ermöglichen, das sich in einer Welt befindet und/oder von ihr umgeben ist. Das Wesen erkennt sich selbst (seinen Körper) letztlich als eine Einheit, die von anderen Einheiten oder Dingen umgeben ist. Dieses Ich-Erkennen ist in meiner Vorstellung die erste Form eines Bewusstseins. Weitere Perspektiven, die darauf nahezu automatisch folgen mussten, sind verbunden mit den Wesen, die neben und mit diesem Ich in der Welt sind. Wir können das die „Wir/Die“-Sichtweisen nennen. Alle Perspektiven haben die Neigung, die Welt aus einer bestimmten, zuvor festgelegten Eingrenzung zu betrachten. Dazu gehören auch die bekannten Grenzziehungen, die wir heute Freunde, Partner, Familien, Gruppen, Völker, Staaten, Ethnien und so weiter nennen, die dann alle entweder unter „Meine“ oder unter „Die Anderen“ fallen können.

Nahezu alle heute üblichen Beschreibungen über die Entwicklung von Geist, Vernunft, Verstand und Bewusstsein beschäftigen sich letztlich mit den Ausprägungen dieser perspektivischen Betrachtungsweisen. Gebser zum Beispiel betrachtet nach der archaischen Bedingung das magische, das mythische und das mentale Bewusstsein und vermutet, das unterschiedliche Raum und Zeit-Wahrnehmungen eine große Rolle spielen könnten und prognostiziert eine sich entwickelnde neue diaphane Ebene, die im Kommen sei. Andere Autoren arbeiten mit Entwicklungsstufen verschiedenster Nomenklatur und anderen Teilungen der Gesamtentwicklung in Abschnitte. Weitere andere verfolgen die Entwicklung des Bewusstseins an unseren Kindern. Ihnen allen aber, und das ist für mich der ganz mächtige Haken, ist gemeinsam, das sie sich alle auf Teile des Bewusstseinsstromes beschränken, mit anderen Worten auf die Perspektiven der Betrachtungen und vergessen dabei die drei anfangs genannten Phänomene, die ich die nicht-expliziten Fähigkeiten, den Lebensstrom und Geist genannt habe. Diese drei, die in nahezu allen Kulturen so massiv im Schatten der Perspektiven verschüttet wurden, aber hatten sich über Jahrmillionen bewährt und wären wohl auch heute noch in der Lage, auch ohne Bewusstsein, das (Über-)Leben zu meistern. Und ich denke, das diese einfachste Meisterung nicht einmal halb soviel unserer Lebensgrundlagen zerstören würde wie wir das heute mit unserem Bewusstsein und seinen Prägungen Tag für Tag tun.



Worauf will ich hinaus?

Wie wir oben gesehen haben, beruht unser Leben auf der organischen Basis des Körpers. Wir brauchen ihn, um zu leben, und wenn er stirbt, fällt auch der Geist, zumindest konnte man bisher keinen verstorbenen Geist auf unserer Welt nachweisen und in andere Welten können wir nicht vordringen. Es gibt darüber viele Theorien, große Geschichten, aber sehr sehr wenig gesicherte Substanz. Und auch die Verbindung von Lebensstrom zu Geist ist von großer Bedeutung. Das nämlich ist unsere Grundlage, unsere geistige Basis, unser Grund, der nach wie vor relativ sich gestaltet, unter den wir aber nicht werden vordringen können. Aus dem Zusammenspiel der drei bilden sich Perspektiven, die somit alle auf Auswahl und Eingrenzung beruhen. Das ist auch sinnvoll. Aber bald schon in der Ausbildung des Bewusstseins wurden diese wenigen ausgewählten Perspektiven zu einer neuen Basis, auf der weitere Perspektiven entstanden sind. Und diese wurden wiederum zur Basis von neuen Perspektiven, die weitere Perspektiven erschufen, und so weiter und so weiter. Und auf jeder dieser neuen Ebenen sieht der jeweilige Denker nur noch die ihm bekannte und zugrunde gelegten Perspektiv-Ebenen und vergisst dabei sowohl die vorausgegangenen anderen Setzungen als auch den Grund darunter. Aber diese Ebenen sind da und sie sind nach wie vor wirksam.

Die Begrifflichkeiten von Jean Gebser

Magisch: Nehmen wir uns jetzt einmal eine solche Perspektiv-Ebene vor und erkunden ihre Auswirkungen. Ich beginne zuerst mit der Ebene/Stufe, die Gebser als magisch bezeichnet hat. Die Worte Magie und magisch weisen auf auf das Adjektiv geheimnisvoll mit den Bedeutungen, über die auch rätselhaft, unergründlich oder auch dunkel (verborgen) etwas aussagen. Das wir heute auch Zauberkräfte mit diesem Wort verbinden, ist leider etwas ungeschickt, denn Magie (Geheimnis) ist nicht Zauber, sondern Zauber beruht eher auf der Voraussetzung magischen Empfindens und Handelns. Erst kommt das Geheimnis, dann der Zauber dazu und darüber. Irgendwann begann der Mensch damit, Naturphänomene und Natur-Eigenschaften mit Göttern, die in der Umwelt wohnen und sich ausdrücken, zu verbinden. Naturphänomen waren zum Beispiel die Sonne, der Mond, das Meer, Blitz und Donner, Wasser, Wetter und so weiter. Eigenschaften der Natur waren beispielhaft die nächtliche Dunkelheit, die Fruchtbarkeit der Böden, die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Menschen oder die Mächtigkeit der Berge. Wenn diese Phänomene zuschlugen, Freunde einfach starben, die Ernte verdarb oder die Natur sich unwirklich verhielt, begannen findige Menschen zu versuchen, die damit verbundenen Götter (in Geschichten überliefert und weitergetragen…) zu besänftigen, in dem man Opfer darbrachte, Beschwörung ausrichtete oder anderen Zauber anwandte. Es bildeten sich Gruppen von Menschen heraus, die im Zaubern (Wahrsagen, Einfluss auf Götter nehmen können, Zeichen deuten…) besonders begabt erschienen und sich daher fast ausschließlich dieser Aufgabe widmeten und von den anderen dafür versorgt und entlohnt wurden. Andere Menschen waren begabt darin, zu organisieren und Gemeinschaften zu bilden, deren Zusammenhalt größere Sicherheit versprach. Andere wiederum waren begabte Kämpfer und Krieger, die große Kraft ausstrahlten, und in der Auseinandersetzung mit den Anderen größere Erfolge versprach. Unter dem Einfluss dieser Entwicklung entstanden die Phänomene Macht, Religion und Krieg, die sich in den darauf folgenden Entwicklungsebenen und weiteren Perspektiv-Bildungen eine herausragende Grundlage lieferten. Diese drei bildeten die wirk-mächtigsten Motive zur Auswahl der Perspektiven, die für die Weiterentwicklung der Kulturen heutiger Prägung von Bedeutung wurden und somit viele andere Sichtweisen in die Verborgenheit verdrängten. Auch die Ich- und Wir-Perspektiven wurden übernommen und weitergetragen, und zwar in beiden Formen: Ich/Wir auf der einen, Der/Die auf der anderen Seite. Man erkennt unschwer die Geburt dessen, was wir heute Dualismus nennen, und damit die Abschwächung der vielen Grautöne zwischen den Gegensätzen, und man erkennt die ersten Herausbildungen von Herrschaftsstrukturen, die im Dualismus gefangen auch gleichzeitig zu Unterdrückungs- und Ausbeutungsstrukturen wurden. Viele Magische Elemente (Zauber, Macht, Krieg) sind bis heute erhalten geblieben und beeinflussen uns auch heute noch. In den Erzählungen darüber wird meist von Epochen berichtet, in den Frieden herrschte und die Götter dem Volk wohlgesonnen waren und natürlich auch von den unzähligen Auseinandersetzungen zwischen den sich bildenden Gruppen.

Mythos: Wie wir oben (Magie) gesehen haben, beruht das magische Weltbild bereits auf einer Erzählung, denn irgendwoher müssen ja die Riten, die Zaubereien und Opferhandlungen, die allgemeine Gültigkeit erlangten, herstammen und sie müssen weitergetragen werden. Auch das mythische Weltbild beruht auf Erzählungen, jedoch sind diese nicht mehr ausschließlich mit Götterbildern verknüpft, sondern es gewinnen zusätzlich zu diesen auch Menschen an Bedeutung, die ich zunächst einmal als Helden bezeichnen möchte. Ganz besonders sind hier die Menschenführer genannt, die die in der magischen Zeit noch in kleinen Verbänden organisierte Menschheit zu größeren Einheiten, in Europa Fürstentümern oder sogar zu Reichen zusammenschließen konnten. Trotzdem wurden die in der magischen Epoche vorherrschenden Phänomene wie der Zauber und die Ich/Wir-Perspektiven auch in die mythische Zeit übernommen, nur eben durch vermehrtes Wissen in etwas abgeschwächteren Formen. Was ich als Mythos bezeichne ist die Zeit der Eroberer, der weisen Herrscher (z.B.: Die alten, noch heute hochverehrten Kaiser in China) und der großen reichen Städte, die ein hohes Identifikationspotential hatten. Ganz besonders beeindruckend belegen das die Inhalte der Erzählungen aus der jeweiligen Zeit; mit anderen Worten: Die Themen, die dazu ausgesucht wurden. Wie auch heute noch zu beobachten, hangeln sich diese von Ereignis zu Ereignis. In der mentalen Struktur erweitert sich das bereits ausgeformte Feld der Funktionen des Bewusstseins, wobei diese später meist nur noch von kriegerischen Auseinandersetzungen oder dem Wechsel der Epochen von Familiendynastien erzählen.

Die mentale Struktur: In der mentalen Geist/Bewusstseinsstruktur vereinzeln und spezialisieren sich die in den vergangenen Ebenen entwickelten Phänomene mehr und mehr. Religiöse Formen, herrschende Formen und kriegerische Auseinandersetzungen werden in ein Spezialistentum versetzt, was aber nicht heißt, das der Austausch zwischen ihnen, die gegenseitigen Beeinflussungen nachließen, im Gegenteil, die Verzahnungen zwischen den Funktionen wurde enger und enger, und es bildete sich Elitegruppen heraus, die diese drei Bereiche besetzt hielten. Diese wurden nach wie vor durch Familiendynastien und Verwandtschaftsbeziehungen gefüllt. Man denke dabei nur an den Begriff des „blauen Blutes“, die für eine adelige Abstammung sprach. Sowohl die Führung der Krieger/Militär, der Religion als auch der Herrscher wurde sozusagen aus einer Gruppe heraus beherrscht. Trotzdem gab es nach wie vor den Zauber in den breiten Schichten der Bevölkerung, nach wie vor waren Abstammung und Blutsverwandtschaft, waren Wir-Gruppen (…contra Die-Gruppen) in ganz entscheidender Weise am Geschehen beteiligt und sehr einflussreich. Und auch die Erzählungen haben sich im Verhältnis zum Mythos wenig verändert. Was sich veränderte, waren die Lebensräume, die durch die technischen Entwicklungen immer größere Ausmaße erreichten und daher immer größere Verwaltungen notwendig machten.

Ein kurz gefasster Zwischenstand: Was wir im großen und ganzen sehen können ist, das in der Ausbildung der Bewusstseinsebenen nicht abgeschlossene Bereiche entstanden und durch Neuerungen ersetzt wurden, sondern das sich bis zum heutigen rationalen Stand ein fließender, unregelmäßiger und nicht zu verallgemeinernder Prozess stattfand, der selbst innerhalb eines Volkes oder gar einer Familie durchaus unterschiedliche Tiefen erreichen konnte. Besonders die Elitegruppen eines Volkes besaß nahezu zu jeder Zeit deutlich mehr an Differenzierung und Bildung als das gemeine Volk oder gar die unterdrückten Schichten. Und auch heute noch zeigen sich die verschiedenen Stufen selbst innerhalb kleiner Einheiten. Ich denke daher nicht, das die Teilung in archaisch, magisch, mythisch, mental und rational in einer verallgemeinernden Form Gültigkeit haben sollte. Jede dieser genannten Stufen bildete einfach neue Perspektiven-Bündel heraus, die aus der ungeheuer großen Vielfalt der möglichen Perspektiven eine Auswahl darstellt, ohne allerdings so gradlinig bei allen Menschen anzukommen. Was wir aber immer wieder beobachten können ist die Neigung, die neu erwählten Bündel als eine neue Basis zu etablieren, unter die zu gehen als Rückschritt oder Regression angesehen wurde. Besonders deutlich ist das im letzten Schritt der Erzählung, die wir das rationale Bewusstsein nennen. Wir können diese Einteilungen in Stufen heute nur noch als ein grobes Mittel nehmen, um ohne großen Text eine Epochen-Prägung zu benennen, aber nicht als Maßstab für eine Beurteilung oder Wertung.



Das rationale Bewusstsein: Diese Stufe ist eng mit der mentalen Ebene verknüpft und stellt eine Pervertierung derselben dar. Heute ist die Welt in allen Räumen erforscht und besiedelt und es gibt nahezu keine Möglichkeiten mehr gibt, in weitere neue Räume und Abenteuer vorzustoßen. Das allgemeine Wissen und die technischen Möglichkeit sind so groß und breit, das sie von niemanden mehr überblickt werden können. Uns seien wir ehrlich, auch unsere Fortschritte in der Digitalisierung bieten da wenig Raum für mehr Übersicht. Wir haben in allen Belangen des Lebens einen so hohen Spezialisierungsgrad erreicht, das ein annähernd natürliches Leben eines Menschen zwischen Nahrungsbeschaffung, Unterkunft und Orientierung nicht mehr oder nur noch schwer möglich erscheint. Die Ich-Perspektive ist rein nur noch in wenigen privaten Räumen anzutreffen, es überwiegt das Wir-Gefühl und die Wissenschaft hoffte, mit der Globalisierung würden wir mehr und mehr die Die-Perspektiven verlieren. Aber das scheint nicht der Fall zu sein, denn eine wachsende Zahl an Menschen strebt zu ausschließenden Wir-Perspektiven zurück. Unser Wissen beziehen wir heute aus Spezial-Wissenschaften, die nicht mehr miteinander zu reden scheinen und so Techniken in die Welt setzen, die langfristig gesehen zum Scheitern verurteilt sind/sein müssen, weil sie den Bezug zur Ganzheit verloren haben. Wir streben immer mehr zu Nationalismus und Gruppendenken zurück, dabei brauchten die Probleme der Menschheit ein globales Zusammenarbeiten aller Völker. Klima und Pandemien zum Beispiel richten sich nicht nach Grenzen und Ethnien. Vielleicht ist klar geworden, was eine rationale Weltsicht bedeutet. Ich werde später noch im Detail einige der wichtigen Themen einzeln ansprechen.

Fazit: Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen wird schnell klar, das Bewusstsein im heutigen Gewand nicht etwas mit Zeit und Raumphänomen zu tun hat. Das kann nicht (mehr) in Stufen, Entfaltungen oder Entwicklungen gesehen werden, sondern das Ganze sollte als ein Prozess gelten. Der bewegt sich nicht in einer Richtung, sondern stellt aufgrund der Prägungen von Organismus und Umwelt jeweils eine Auswahl der machbaren Möglichkeiten/Perspektiven dar. Aus einer Vielzahl von Erklärungen werden die gerade in der Breite der Bevölkerung durchsetzbaren auswählt. Diese Auswahl ist dann eher mit einer Mutation vergleichbar, die nach einem zufriedenstellenden Bewältigungsmechanismus sucht, der der aktuellen Lage angemessen ist. Und dieser Prozess läuft nicht linear ab, sondern kann sich auch regressiv umkehren, wenn Organismus und Umwelt sich verändern oder das Leben sich erschwert. Ich denke, das sich heute die Menschheit schwer damit tut, vergangene Auswahlen loszulassen und/oder sich zu neuen Ufern zu bewegen. Bei Schwierigkeiten greifen wir lieber auf alte und gut bekannte sogenannte bewährte Auswahlen zurück. Wir glauben zwar, linear fortschrittlich zu denken, haben aber vergessen, das sich zyklische, regressive und selbst weiter zurückliegende Formen hervorragend geschlagen haben und vielleicht heute erneut wieder eine Lösung im neuem Gewand bieten könnten. Auf der anderen Seite bieten sich ständig neue Technologie-Ideen an, die Probleme aller Art in naher Zukunft endgültig lösen könnten. [2. Beispiele könnten sein das Herumspielen an genetischen Materialien, das Spielen mit Massenvernichtungswaffen, um Feinde zu vernichten oder die fortgesetzte rücksichtslose Plünderung der natürlichen Ressourcen, weil wir die irgendwann notwendigen Lösung schon noch rechtzeitig finden werden. Alle drei beruhen auf der Methode, das machbare auch zu tun, selbst wenn es große bis unabsehbare Risiken birgt.]. Zwischen diesen Extremen wanken wir seit Jahrzehnten hin und her, und ich denke, wir können in dieser Zeit nur Glück als Ursache dafür nennen, das es noch nicht laut geknallt hat.

Fassen wir zusammen, was bisher gesagt wurde: Das Aufkommen des Phänomens Bewusstsein beruht auf einem Prozess. Dieser ermöglicht auf der Basis eines organischen Organismus und einem Nervensystem die Ausbildung und Auswertung von perspektivischen Sichtweisen und Bildern. Durch die Vielzahl an Möglichkeiten, die sich daraus bildeten, wurde jeweils die Notwendigkeit geboren, Auswahlen zu treffen, und zwar sowohl aus der Masse der Perspektiven als auch aus der Vielzahl von Erzählungen und Techniken, die sich dann wiederum als Basis für neue Perspektiven, Erzählungen und Sichtweisen und Techniken etablierten. Dieser in vielen Zyklen ablaufender Prozess sorgt aus heutiger Sicht für die Vielfalt an Kulturen, die jeweils eine unterschiedliche kleine Zahl an auswählten Perspektiven als Grundlage für sich priorisierten. Da das Geschehen nicht linear abläuft, es niemals alle Teilnehmer der Gruppen erreichen konnte und auch nicht von allen übernommen wurde/werden konnte, entstand die Vielzahl von Sichtweisen auf Welt und Leben und deren Notwendigkeiten, die wir heute überall wahrnehmen. Selbst innerhalb der Kulturen an sich gibt es eine Vielzahl an Prägungen, die alle Bereiche der gezeigten Entwicklung umfassen können. Auch in der heutigen rationalen Weltsicht samt Aufklärung gibt es Zauber, Heldentum, sich in Ich und Wir ausdrückende Identifikationen und die allseits zu beobachtenden Dualismen, die letztlich auf ein „entweder, oder“-System hinauslaufen. Wir können eigentlich nicht sagen, auf welcher Bewusstseinsstufe wir leben (können/müssen/sollten). Das könnte sich morgen schon, durch Umweltkatastrophen, Kriege oder Seuchen oder auch durch Neuentdeckungen ausgelöst, grundlegend ändern. Letztlich aber sorgt nur das Basissystem Organismus/Umwelt für eine Form, die sich zum Überleben eignet, und nicht unsere gelebte Bewusstseinsstufe. Wir müssen erkennen, das wir (nach wie vor) nicht wissen, wie Leben entsteht und wie es geschützt werden kann. Das zu erkennen wird zur Zeit die hervorstechenste Notwendigkeit darstellen, die es zu berücksichtigen gilt. Dazu müssen wir uns nicht die Theorien und Visionen anschauen, die es in der Ratio so zahlreich gibt, sondern wir müssen uns die perspektivischen Auswahlen anschauen, die wir (sagen wir mal) in den letzten fünf Jahrtausenden getroffen haben und diese ständig neu anpassen und gestalten. Dazu gehört auch, alte Setzungen aufzuheben und neue Auswahlen zutreffen. Diese beziehen sich hauptsächlich auf die Felder Politik (Macht, Herrschaft), Wissen (Wissenschaft, Forschung, Bildung, Technik, Kultur) und Religion (Mythen, Erzählungen, Weisheit, Aufklärung), da auf Grundlage dieser Stichworte sich das Leben (samt Ernährung, Unterkunft und Beschäftigung) heute abspielt. Es wäre angesagt, sowohl die getroffenen Auswahlen und Setzungen als auch ihre Priorisierungen einer erneuten Hinterfragung zu unterziehen. Die dazu erforderlichen Gremien sollten sich aus Spezialisten dieser Themen und aus gesellschaftlich anerkannten Persönlichkeiten zusammensetzen und so gestaltet sein, das die Mitglieder während ihrer Tätigkeit nicht in aktuell anliegende Entscheidungen und Debatten involviert sein sollten. Weiterhin sollten die Gremien zumindest für eine bestimmte Zeit ihrer Arbeit abseits der medialen Aufmerksamkeit nachgehen können. Beispiel dafür könnten die unzähligen Think Tanks sein, nur das sich die Themen, die dort behandelt werden müssten, nicht im Sinne von Elitepositionen, sondern im Sinne der Menschheit und für die Erhaltung unseres Planeten und seiner Vielheit ausgearbeitet werden sollten. Dafür müssten die Gremien, um unabhängig zu sein, von der breiten Allgemeinheit finanziert werden.



Worüber wir reden sollten

Hier in diesem Abschnitt versuche ich einen Überblick zu geben, wie wir uns Bewusstsein vorstellen könnten und wie das Ganze in einem Überblick aussehen könne. Dazu verwende ich zunächst einmal Formatierungen:

Linksbündig erscheinen Begriffe, Aussagen und Definitionen, die nach heutigem Stand als belegbar oder erforschbar gelten.
Rechtsbündig erscheinen solche Begriffe…, die auch heute noch als verborgen gelten müssen und weder belegbar noch erforschbar gesetzt sind.
Mittelbündig erscheinen dann alle Begriffe…, die im Halbdunkel der Wissenschaft und Forschung stehen und daher häufig nur in Theoriebildungen vorliegen.

Über die rechtsbündig formatierten Stichworte wissen wir nichts und es ist unwahrscheinlich für die Menschheit, jemals über diese Inhalte genaueres zu erfahren. Ähnlich, aber mit einem niedrigerem Wahrscheinlichkeitsgrad verhält es sich mit den mittig formatierten Begriffen. Die linksbündig formatierten Begriffe unterliegen unserem Wissen.

Versuch einer Übersicht

Eindeutig belegbar

Sich im Halbdunkel befindend

Verborgen


HOMÖOSTASE

Nicht explizite Fähigkeiten
aller Lebenwesen


Lebewesen mit einem funktionalen
Nervensystem (Tiere)


Pflanzen ?


Speicherung, Erinnerung von Bildern zu(m)
– Eigenwahrnehmung
– Umgebung
– Nahrungsquellen
– Unterkunft und Schutzquellen


Auswertung der Bilder mit nachfolgenden
– ersten Priorisierungen
– Auswahlen für lebensnotwendige Handlungen
– erste Setzungen von Gewohnheiten


Ist das vielleicht die für das Denken des Menschen unüberwindliche Grenze ??!!


KULTUR

Weitere Setzungen aufgrund von
Gewohnheiten und Funktionalität

– Spezialisierung
– Kulturelle Grundannahmen
– Aufbau einer Herrschafts- und Machthierarchie


Weitere Setzungen, die sich aufgrund
der bisherigen Setzungen anbieten und
die Erfolg, Sicherheit und Wohlstand
versprechen


Weitere Setzungen

– dto…



Von der Homöostase zu Kultur

Wie man in dem Versuch einer Übersicht sehen konnte, gibt es zwischen der Auswahl lebensnotwendigen Handlungen, ersten Setzungen und Priorisierungen eine für dem Menschen in heutiger Gestalt überwindbare (?) Grenze. Diese Grenze zurück in Richtung Homöostase zu überschreiten würde die Bedingungen auslöschen, auf die das Mensch-Sein sich heute gründet. Wir können nicht zurück oder hinübergehen, ohne unser Bewusstsein, wie auch immer das definiert werden mag, zu verlassen, denn wir könnten dann unsere Erkenntnisse nicht zurücktragen. Hier irrt Platon mit seinem Höhlengleichnis. In der Homöostase sind die Grundlagen für unser Leben angelegt, und diese sind neben der Nahrungsbeschaffung die Aufrechterhaltung der notwendigen Handlungs- und Schutzmaßnahmen (Ruheräume, Revierabsicherung), die ein einzelnes Lebenwesen zum Überleben und die Gattung als Art (Fortpflanzung, Schutz des Nachwuchses) braucht. Diese Anlagen sind für uns heute zwar nachvollziehbar, ihr Entstehen aber entbehrt jeglicher möglicher Erklärung. Oder um es einfach auszudrücken: Wir wissen es nicht! Wir wissen weder, was das Leben an sich ist noch wie die ersten Regelungen zustande kamen, und wir sollten so ehrlich sein und das auch zugeben. Alle weiteren Ebenen würde ich einer kulturellen Entwicklung zuordnen, denn sie erfolgen aufgrund der im Abschnitt Homöostase dargestellten Grundlagen und sind damit für uns auch hinterfragbar. Irgendwo zwischen heute und dieser Grenze fanden all die Setzungen, Auswahlen und Gewohnheitsanfänge statt, denen wir uns heute ausgesetzt sehen. Und tatsächlich glaube ich, das wir so weit wie möglich dort hinabtauchen müssen, um andere und stabilere Grundlagen für unser Leben in der Zukunft zu finden. Beschäftigen wir uns daher etwas genauer mit diesem Bereich und fragen nach, ob die Entscheidungen von damals auch heute noch Gültigkeit besitzen (sollten). Und ich beginne jeden Abschnitt dieses Kapitels mit einer Frage.

Politik (Macht, Herrschaft)

Stimmt es wirklich, das das Zusammenspiel von mehreren oder vielen Menschen immer einer Führung bedarf, die sich meist in einer Person konzentriert?

Vom Familienoberhaupt über die Clanführer und Dorfältesten geht der bunte Reigen über Häuptlinge, Adelige, Fürsten und Könige bis zu heutigen Diktatoren, Präsidenten und Kanzler, die stets die Macht oder zumindest einen großen Teil davon auf sich vereinigen konnten. Und auch die Mittel und Rechtfertigungen dazu sind uns mehr als deutlich bekannt, die zur Festigung dieser Ämter verwendet wurden. Zuerst waren es immer wohl die Stärksten, die sich der Macht bemächtigen konnten, hier und da auch mal die Klügsten, dann kamen die Schlauen, die Hinterlistigen, die Brutalen und die Gierigen. Dann kamen die zur Macht, die sich gut organisieren konnten, sich verbünden konnten und/oder die größten Reichtümer besaßen. Und das hat sich nicht geändert bis zum heutigen Tag. Wollen wir das wirklich beibehalten? Brauchen wir dieses System wirklich auch heute noch, oder fällt uns da nicht doch etwas Besseres ein?

Mit der Demokratie steht uns doch ein sehr gutes und wirksames Mittel zur Verfügung, um von Missbrauch, Willkür und Gewalt Abstand zu nehmen. Trotzdem haben wir dieses Mittel immer wieder in die alte, unbrauchbare Richtung zurückgedreht. Heute werden zusehens immer mehr Demokratien (heutiger Prägung) in Richtung Oligarchie (Diktatur der Reichen), Ochlokratie (Diktatur der Mehrheit) und Faschismus (Diktatur der Rücksichtslosen) umgewandelt. Ist Demokratie einfach nicht funktional, müssen wir zurückweichen oder doch eher neue Schritte in Richtung einer größeren Beteiligung aller wagen? Und was wären eigentlich die Voraussetzungen, die letzteres zuließen? Sind wir uns als Volk dieser Aufgabe bewusst? Ich glaube: Nein. Wir müssen uns aber damit beschäftigen. Wie wollen wir sonst Kriege verhindern, das Klima retten, den Planeten erhalten und die vielen anderen Aufgaben wie Hunger, Krankheit und andere Katastrophen verhindern? Wie soll das gehen, wenn wir nicht alle gemeinsam an einem Strang ziehen? Wollen wir uns wirklich auf das Hoffen beschränken, das sagt: Es wird schon weiterhin irgendwie gutgehen?

Wissen (Wissenschaft, Forschung, Bildung, Technik, Kultur)

Unsere Zivilisation baut auf Wissen auf, das wir mittels Forschung, Entwicklung und Technik in unser Lebensgefüge einbauen. Dazu benötigt wird im heutigen Verständnis so etwas wie Bildung, das dann mit den Erstgenannten zusammen als Kultur betrachtet wird. Soweit wir zurückblicken können hat uns das wirklich sehr weit gebracht. Das stimmt, aber heute sehen wir, das wir diesen Weg so wie gewohnt nicht weiter gehen können. Unser Erfolg beruht auf der Ausbeutung der Natur. Und er beruht auf der Ausbeutung von Menschen durch den Menschen. Er wird begleitet von Not, Gewalt, Misstrauen, Angst, Aussichtslosigkeit und was sonst noch so alles. Lässt sich das wirklich nicht ändern?

Müssen wir auch hier wirklich zurückweichen in verlassene Positionen, wie das heute vielfach geschieht? Ist mehr Technik wirklich die Lösung für ein gutes Leben? Und sprechen nicht die relativ armen, mit relativ wenig Technik ausgestatteten Völker, die die Glücks-Statistiken seit deren Einführung anführen, nicht doch eine andere Sprache?

Meiner Meinung nach müssen wir die zahlreichen Setzungen, die der Wissenschaft und deren Wirken in das Leben hinein zugrunde liegen, hinterfragt werden. Wir können uns doch nicht darauf berufen, das sich irgendwann einmal in der Zukunft die passende Lösung schon finden lassen wird. Das ging früher einmal, als die Radien der Technik noch gering waren. Heute, bei globaler Reichweite, geht das nicht mehr. Beispiele gibt es reichlich. Die wichtigsten sind doch wohl die Entwicklung von Atomwaffen und die Nutzung von Atomkraftwerken, wo wir doch gar nicht wissen, wie deren Abfälle sicher entsorgt werden können. Da muss es noch nicht einmal Kriege oder Unfälle geben, die uns damit konfrontieren. Das alleinige Vorhandensein ist schon genug, um unbewältigte Probleme zu zeugen. Weitere Probleme bereitet die Herstellung von Kunststoffen, deren Entsorgung zwar möglich, aber noch immer zu teuer zu sein scheint.

Religion (Mythen, Erzählungen, Weisheit, Aufklärung)

Lange Zeit bildeten religiöse Ideen in Form von Erzählungen, Mythen und Weisheitsdichtungen das gesellschaftliche Fundament aller Menschen-Gemeinschaften. Wenn man sich heute diese Geschichten (Narrative) ansieht, wird man sehen müssen, das alle Hinweise einen Kern enthalten, der auf den Anteil der Homöostase im Geiste/Bewusstsein des Menschen hindeutet. Bis zur Aufklärung war Religion die einzige wirkliche Ordnung, die alle Bereiche des Lebens umschloss. Heute hat die Religion und ihre Verwandten nur noch einen geringen Anteil am Lebensgefüge zumindest des westlich rational geprägten Erdenbewohners. Heute sprechen wir mehr von Weltbildern, Staatstheorien oder Dogmen, wenn wir uns auf eine Ordnung beziehen wollen. Das fatale daran ist, das wir zunehmend den homöostatischen Kern vergessen (haben), der uns letztlich begründet. Wir bewegen uns sozusagen nur noch in den Bereichen der Kultur. Da es viele Kulturen gibt, gibt es immer wieder Streit und Auseinandersetzungen um den richtigen Weg. So aber ist Ganzheit in der Welt nicht möglich, denn der Bezug zur Wirklichkeit verschwindet aus dem Gesichtsfeld zugunsten einer Theorie oder eines Abbilds, welche ich weiter oben Perspektiven von Perspektiven genannt habe. Wir verlieren den Bezug zum (unbekannten) Leben.

In vielen Weisheitsdichtungen ist maßvolles Handeln, maßvolle Ausübung von Macht und eine maßvolle Auslegung von „Haben und Sein“ das grundlegende Thema. Wir können den Planeten, der uns trägt, nicht über seine Regenerationsgrenze hinaus ausbeuten. Wir können Macht und Herrschaft auf Dauer nicht so ausüben, das das Gebaren Widerstand erzeugt. Wir müssen die Themenbereiche Gleichheit und Gerechtigkeit in unsere Überlegungen einbeziehen, sonst ist Zusammenarbeit nicht möglich. Und wir müssen nicht nur dem Menschen, sondern auch den anderen Lebensformen Lebens- und Entwicklungsraum ermöglichen. Das Leben in seiner Gesamtheit ist eine Kette. Wenn wir wichtige Glieder darin zerstören, wird alles Leben in Gefahr geraten. Wir wissen zu wenig darüber, um heute schon endgültige Entscheidungen zu treffen.

Ernährung, Unterkunft und Beschäftigung

Wir erfahren heute immer mehr Informationen darüber, wie sich die Lebenswelt entwickelt, zu deren Ausbeuter wir uns aufgeschwungen haben. Und diese Berichte sagen aus, das wir zu viel und zu oft über das Maß hinaus schießen, das die Natur bräuchte, um (noch) regenerieren zu können. Wir fischen die Meere leer, zerstören unsere Anbauflächen durch Überdüngung und chemische Mittel, wir roden die Wälder und versiegeln/verzäunen immer mehr Flächen, die eigentlich Pflanzen und Tieren vorbehalten sein sollten. Und vom Abfall der Industrien, der ja auch irgendwie entsorgt werden muss, haben wir schon gesprochen. Trotzdem müssen sich nach wie vor alle Lebewesen ernähren, müssen atmen können und wollen auch die Menschen in einem natürlichen Umfeld zumindest ihre Freizeit verbringen. All das zusammen funktioniert heute schon nicht mehr, und die Zuwachsraten der Menschheit lässt auch in Zukunft keine Besserung erwarten. Hier müssen dringend Lösung gefunden werden.



Das Bewusstsein ist das Problem, aber auch die Lösung

Alle denkbaren Bewusstseinsstufen des Menschen heute sind unterwegs zur mentalen Ebene, wie sie weiter oben beschrieben wurde. Aus dem Magischen und Mythischen geht es zu mehr Breite zur mentalen Ebene, aus dem Rationalen muss es zurückgehen aus der Perversion auf die funktionale Ebene. So würde Gebser das wohl beschreiben. Und wenn die entscheidende Masse im Mentalen angekommen ist, müsste es zielstrebig weiter ins diaphane Bewusstsein gehen. Wie diese Stufe letztlich aussehen wird, wissen wir heute (noch) nicht. Angesichts der Probleme allerdings, die wir heute weltweit sehen, kann man deutlich die Perspektiven erkennen, die aus den Problemen herausführen könnten. Es gäbe viele Möglichkeiten. Neben neuen Technologien, die alle Probleme lösen, könnte zum Beispiel das Reduzieren der Menschheit eine Perspektive darstellen. In drei Generationen mit einer Einkind-Politik ließe sich das verwirklichen.

Was sich auf jeden Fall sagen lässt ist, das ein zurück in die dunkleren Phasen der Bewusstseinsgeschichte nicht funktionieren kann. Wir müssen uns als Menschen in großer Zahl auf der Ebene einfinden, auf der eine Weiterentwicklung möglich sein kann. Das ist, nach heutigem Wissen die vollständig ausgebildete mentale Bewusstseinsstruktur. Diese enthält die vorgängigen Strukturen in sich, erkennt diese auch an und erweitert so den Schatz an Erfahrung soweit, das sich neue Wege ergeben könn(t)en. Das ist der Stand der Geisteswissenschaften, der Stand der Historienforschung und der Stand der allgemeinen Naturwissenschaften heute. Und so sprechen auch viele spirituelle Traditionen seit alters her. Entwicklung benötigt die Akzeptanz und Offenheit gegenüber allen durchlaufenen Stationen unserer Geschichte. Wir können und dürfen das Alte nicht vergessen und dürfen uns nicht ausschließlich einem Neuen, sei es bekannt oder auch nur erwünscht, zuwenden. Das widerspricht allen Erfahrungen der Menschheit. Wichtig ist aus meiner Ansicht heraus, die uns zugänglichen Perspektiven und Setzungen zu hinterfragen und bessere, weitsichtigere Setzungen zu finden.

Und wozu soll das bisher geschriebene alles gut sein?

Diese Frage stellt sich eigentlich [1. Eigentlich: Sie scheint normal zu sein, ist es aber nicht?!] immer dann, wenn wir uns fragen, wie wir die sehr berühmte Frage nach dem Sinn des Lebens stellen, und wir nicht zugeben wollen, das wir es weder wissen noch wissen können. Wir setzen dabei, die Philosophien von Jahrtausenden zeigen das deutlich, voraus, dass wir entweder auf der Suche nach einem wie immer beschaffenen Urgrund, nach einem außerhalb unserer Vorstellungen und Fähigkeiten liegenden Parallel-Universum (Transzendenz, Dimension) oder aber einem wie immer beschaffenen Schöpfer (Gott, Götter, Herr, Urahn) sind, der uns diese Frage zumindest „phantastisch“ beantworten wird durch Zeichen, Offenbarung, seine Vertreter auf Erden oder einem von vielen angenommenen Glauben. Und das Wort „phantastisch“ trifft diese Aktivitäten wie der Hammer den Kopf, wenn ein Nagel versenkt werden soll. Die gestellte Frage muss und kann aber nur so beantwortet werden:

„WIR WISSEN ES NICHT!“

Das ist unschön und wenig erhebend, aber trotz aller Versuche bisher die einzige richtige Antwort. Natürlich darf jeder Mensch einen Glauben haben. Ja, warum auch nicht? Das Problem dabei ist, das er verstehen muss, das es ein Glaube ist, und das ihm bewusst ist, das das sowohl im Allgemeinen als auch im Besonderen erheblich Schwierigkeiten bereiten wird, den Glauben zu halten und das es daneben unzählige Menschen geben wird, die einen anderen Glauben haben werden. Dieses Wissen ist wichtig, weil es verhindert, das Menschen sich ihres Glaubens wegen verfeinden, sich deshalb gegenseitig bekämpfen und umbringen. Die Geschichte der Menschheit ist voll von Beispielen. Aber der Glaube ist ja nicht die einzige Unsitte der Menschheit. Da gibt es auch noch, wie zuvor schon erwähnt, die Macht und den Reichtum.

Macht hat ein Mensch nicht einfach so. Dazu gehören entweder besondere Fähigkeiten, besondere Erscheinungsformen, gehören Reichtum, der mit der Macht eng verknüpft ist oder aber ein besonderer Status, der von einer großem Mehrheit der geführten Gruppe getragen, geglaubt oder gewährt wird. Macht an sich bringt eine Gruppe von Menschen dazu, sich wie eine Person zu verhalten, die sich sozusagen im Anführer konzentriert. Große Anführer und Machtausübende waren gute Kämpfer, überragende Strategen, wunderschöne, begehrte Frauen und Menschen mit großer Ausstrahlung. Erklären lassen sich in der Aufzählung nur die ersten drei, die letzte bleibt im Dunkel des Unwissens. Was ist Ausstrahlung? Wie wird sie erworben? Worauf beruht sie? Ich halte nach wie vor diese Erscheinungsform für ungeklärt. Wir sollten Ausstrahlung aber nicht verwechseln mit „die Begeisterung einer Gruppe oder Masse wecken können“, „Begierde oder Hass erzeugen zu können“, oder einfach nur ein gut geschulter Redner zu sein. Diese drei lassen sich lernen, denn sie stellen immer nur eine geschickt vermarktete Auswahl möglicher Perspektiven dar. 2000 Jahre Christentum mit all seinen Erscheinungsformen sind ein gutes Beispiel dafür. Ausstrahlung haben nur wenige Menschen. Berühmte Beispiele aus der Neuzeit sind Ghandi, Mandela, King, Beispiele aus der Historie sind Jesus, Mohammed oder Laotse, um nur einige wenige zu nennen. Wenn wir Ausstrahlung begegnen, werden wir es daran bemerken, das weder Begierde noch Macht noch Glauben im Spiel sind. Da ist ein Mensch der strahlt, so ganz ohne Grund. Wir sehen es, können es aber nicht erklären. Und es ist nicht immer nur das Gute, das wir dabei erleben werden. Auch das Erlebnis von Ausstrahlung nämlich kann zur Begierde werden und beraubt uns damit unserer Freiheit.

Alle Phänomen dieser Art müssen uns bewusst sein, wenn wir in ein entwicklungsfähiges Bewusstsein wie das Mentale vordringen oder zurückkehren wollen. Wir müssen sie alle kennen und handhaben können: Begierde, Macht, Besitz, Hass, Ausstrahlung, Begeisterung und so weiter. Und es hilft nicht, das wir das Beachten dieser Kenntnisse dann als „LIEBE“ bezeichnen. Denn mit dieser Zusammenfassung haben schon wieder eine Auswahl getroffen, die von jedem anders interpretiert werden kann. Wir sollten es einfach so benennen, wie wir es auch erfahren. Und das Rätselraten darüber, wohin es eigentlich gehen könne, ist unsinnig. Wir wissen es nicht! Punkt.

Wir hören oft, das so eine Weltsicht Nihilismus sei, eine totale wenn nicht sogar totalitäre Verneinung, die den Menschen Angst machen wird und die daher für eine Gesellschaft schlecht wäre. Ich halte das für einen Irrtum. Ein Mensch, der jegliche Form von Sinngebung verneint, also keinen Glauben annimmt oder kein Ziel wie auch immer geartet verfolgt, ist wenig manipulierbar. Er wird keiner Versprechung nachlaufen, keiner Fahne folgen oder vor anderen aus taktischen Gründen den Bückling machen. Wozu sollte das gut sein? Und ich sage „wenig manipulierbar“, denn er wird sein eigenes Leben und das seiner Lieben beschützen wollen wie alle Wesen auf dieser Welt das so tun. Er stellt sich oder er weicht hier und da auch aus, wenn der/ein Erfolg ungewiss scheint. „Überleben wollen“ gehört zur Homöostase, vielleicht nicht um jeden Preis, aber sicherlich wird das sehr oft das entscheidende Motiv sein, das sich durchsetzt. Und verraten kann man nur einen Glauben, ein Ziel, eine Anhängerschaft oder ein Dogma, und wer diese nicht beherbergt, kann sich auch eines Verrats nicht schuldig machen. Wer kein Ziel kennt, wird auch nicht irgendwann irgendwo ankommen müssen. So einfach kann Argumentieren sein. Und was bleibt ist das Leben in all seiner Pracht und Vielheit. Wir machen Menschen, die wir lieben, gerne zum Geburtstag eine Überraschung. Warum aber lassen wir uns nicht jeden Tag überraschen, vom Leben, von der Welt und von den unbegrenzten Möglichkeiten darin. So würde ich den aus der Mode gekommenen Begriff der WEISHEIT heute definieren wollen. Vielleicht ist das ein bisschen zu einfach, aber wollen wir immer weiter mit undurchschaubaren Definitionen arbeiten? Ich denke nicht!