Selbstoptimierung

Wann immer und wo immer heute Yoga, Meditation und andere Praktiken der Bewusstseinsbildung geübt und verfolgt werden, spielen immer gesellschaftliche und kulturelle Grundeinstellungen des Übenden eine tragende Rolle und gestalten mit, ohne dass dieses beabsichtigt, erwünscht oder gewollt werden konnte. Wenn wir Yoga und Meditation heute aus mitteleuropäischer Perspektive wahrnehmen, kommen wir unvermittelt auf einen Begriff, der eine sehr große Rolle spielen muss: Selbstoptimierung.

Was versteht man darunter? Selbstoptimierung ist eine grundlegende Eigenschaft jedes Lebewesens, das über eine besondere Art des Lernens sich optimal an eine Umwelt anzupassen sucht, da diese durch die Anwesenheit anderer ebenfalls lernender Wesen sich beständig ändert. In der Soziologie kommt dazu noch ein weiterer entscheidender Punkt hinzu, nämlich das Menschen nicht nur in einer natürlichen, sondern auch in sozialen und kulturell bestimmten Welten leben und auch hier Anpassungen stattfinden, die aber meist vom Einzelnen nicht immer direkt wahrgenommen werden. Sie sind da und wirken, ob bewusst oder unbewusst erlebt.
Das heute gängigste und auch präsenteste Optimierungstool nennt sich Smartphone und ist nicht nur in der Handtasche, sondern meist bereits permanent in der Hand oder griffbereit in Hosentasche oder auf dem Tisch wahrzunehmen. Es verbindet Menschen miteinander, was an und für sich gut ist, aber es fordert auch. Nehmen wir die sozialen Netzwerke und ihr permanenter Zwang zur Präsenz. Um mithalten zu können, muss gelikt, gepostet und dargestellt werden, muss in Whatsapp gelesen und geantwortet werden, müssen Bilder, Beobachtungen und Späße erfunden, gesucht oder aufgenommen werden, um diese dann weiter zu verbreiten. Wird dem nicht gefolgt, erfolgt schnell Ausgrenzung und Kontaktverlust. Diese Kommunikationsform ersetzt in weiten Zügen mittlerweile das klassische Gespräch oder füllt selbiges zu weiten Teilen. Weitere Komponenten geben Inforationen darüber zurück, wieviel ich mich schon bewegt habe und folgerichtig mich noch bewegen muss, wieviel zu essen ist und welche Nahrungsmittel mir im Ernährungsplan noch fehlen, welche Termine und Events anstehen und was ich sonst noch so alles zu tun habe, um gesellschaftlich, beruflich, gesundheitlich (sportlich) und kulturell mitspielen und mithalten zu können. Ich glaube, was gemeint ist wird klar und ich muss das nicht weiter ausmalen. Zusätzlich treten Formen im beruflichen Umfeld auf, die eine permanente Überforderung darstellen, weil auch hier Abläufe, Anforderungen und zu erbringende Arbeitsleitungen durchoptimiert sind, was im Grunde nichts anderes bedeutet als mit „wenig Personal möglichst maximale Auslastung“ zu erzielen. Die Auswirkungen dieser Multibelastung sind Überforderung, Müdigkeit, Stress, fehlende Erholungszeiten und folglich Ausbrennen, es treten Konzentrationsstörungen und körperliche Angespanntheit auf, Erkrankungen häufen sich und erschweren so die Bewältigung der Anforderungen und so weiter. Wir alle kennen das.

Nun wird sehr häufig die Praxis des Yoga verwendet, um die negativen Auswirkungen der genannten Belastungen abzumildern oder auszugleichen. Das ist durchaus ein begehbarer Weg, aber man muss verstehen, wie weit diese Praxis, die ja auch einen zusätzlichen Zeitaufwand fordert, helfen kann und wo das Maß der Möglichkeiten überschritten wird. Yoga dient unter Anderem auch zur Wahrnehmung und Abmilderung von Belastungen, richtig, aber es kann diese auf hohem Niveau nicht dauerhaft kompensieren. Zur Yogapraxis gehört auch die Veränderung der Lebensgewohnheiten, die Belastungen entstehen lassen. Es geht also nicht, immer weiter zu machen in der gewohnt belastenden Weise und durch regelmäßiges Yoga einen Ausgleich erzielen zu wollen. Was in einer solchen Beschreibung fehlt ist die Funktion des Lernens.
Um das ganze Problem in einem Bild nachzustellen, wäre das so, wie wenn im Keller ein Wasserrohr undicht und der Kellerboden daher dauernd mit Wasser geflutet wird. Man kann natürlich regelmäßig sich mit Eimer und Putzlappen bewaffnen und den Boden vom Wasser befreien. Das gelingt über einen Zeitraum hinweg durchaus gut, aber der Keller bleibt nass und feucht und wird langfristig immer mehr sowohl dem Haus als auch seinen Bewohnern schaden. Besser wäre es, das defekte Wasserrohr auszutauschen oder abzudichten, so dass kein weiterer Schaden entstehen kann und der Keller langsam wieder trocken wird.

Es geht im Yoga vor allem Anderen darum, Bewusstsein für das Lebendige zu schaffen. Das heißt Belastungen ebenso wie Vorzüge zu erkennen und diese auch konsequent abzubauen und umzusetzen. Besonders überfordernde Belastungen müssen aus langfristiger Sicht konsequent entfernt werden. In der Phase eines Übergangs kann Yoga ausgleichen und helfen, richtig, aber es ist keine Praxis, die dauerhalt kompensieren kann. Schon ein gesundes, geordnetes und durchaus stressfreies Leben enthält genug Hürden, die eine geregelte Yogapraxis erfordern. Nur sind die Motive hier unbedeutender, kleiner und subtiler. Eine aufkeimende Erkältung wird gestoppt, die nahende Prüfung erfordert für kurze Zeit mehr Einsatz, kleine Probleme in Familie (mit Kindern, Eltern) und im Beruf treten auf und sind zu bewältigen. Belastungen sind allgegenwärtig auch bei sehr gesunder Lebensführung. Hier hilft Yoga, aufrecht und beständig zu bleiben.

So muss die Praxis der Selbstoptimierung aus der Yogaperspektive beschrieben werden und daher sollte sie auch eingebettet sein in das jeweilige Gesundheitssystem (in Indien: Ayurveda). Yoga ist nicht dafür gemacht, sich immer weiter schinden und somit immer mehr aus Körper und Geist herauspressen zu können.




Meditation – Dhyana und Zazen

Wenn wir heute in Wikipedia nachschlagen, um die Verwendung des Begriffes Meditation zu ergründen, werden wir erschreckt feststellen, das damit Alles und auch Nichts gemeint sein kann, das jede beliebige bewusstseinsbildende, esoterische und religiöse Richtung etwas anderes damit meint, alle meist nur ihre Dogmen und Glaubensinhalte vertreten und natürlich auch bestätigt sehen möchten und damit genau das tun, was man heute mit Themenbesetzung benennt und was zielgerichtet nur zu einer Meinungshoheit führen soll.
Zunächst einmal sollten wir beim Namen nennen, was schon einen Namen hat. Wenn wir also beim Sitzen in „Meditation“ in die Flamme einer Kerze schauen oder ein Mantra rezitieren, dann verfolgen wir die Technik des Dhyana, der yogischen Meditation. In einer Asana üben wir Asana, in Pranayama üben wir Pranayama. Wenn wir dabei Begriffe wie Shiva oder Vishnu verwenden, verfolgen wir eine hinduistische Meditationsform, die ebenfalls Dhyana genannt werden darf, aber einen religiösen, dogmatischen Hintergrund hat. Wenn wir Zazen üben, verfolgen wir eine buddhistische Meditationsform, die mit den Begriffen Nichts und Leere arbeitet.  Wenn wir TZM verfolgen, üben wir mit einem begrifflosen Mantra, wenn wir kämpfen, betreiben wir Kampfsport oder –kunst, wenn wir tanzen, tanzen wir. Ich finde es einfach sinnvoll, die Dinge beim Namen zu nennen, auch wenn das Ziel all dieser Wege gleich sein sollte, was allerdings erst einmal hinterfragt und auch beantwortet werden muss. Selbst wenn wir eine positive Antwort dazu annähmen, erreichen wir -um eine Metapher zu gebrauchen- Lissabon entweder mit dem Flugzeug fliegend, mit dem Schiff schwimmend und über den Landweg  fahrend. Jeder Weg hat seine Namen und seine Inhalte.

Worüber ich hier sprechen kann sind ausschließlich sind die Wege des Zazen und Dhyana, die ich selbst verfolgt habe oder verfolge, und das auch nur soweit ich darauf selbst Erfahrungen machen konnte und soweit ich in der Lage bin, darüber auch zu berichten. Nicht jede Erfahrung lässt sich auch gleich und leicht in Worten fassen, nicht jede Erfahrung eignet sich zur Weitergabe an Mitmenschen und natürlich gibt es auch Erfahrungen, die ich gar nicht weitergeben möchte, da sie mir zu persönlich erscheinen. Das ich trotz dieser Einschränkungen bereit bin, die Lehre des Sitzens in Meditation an Kursteilnehmer weiterzugeben, beruht auf der Einsicht, dass unsere Gesellschaft Menschen braucht, die zu  einer Meditationspraxis fähig sind.

In jeder beliebigen Meditationspraxis können Erfahrungen gemacht werden, was an sich profan ist und sich daraus ableitet, das wir in jeder Sekunde unseres Lebens Erfahrungen machen können. Wenn wir allerdings in einer Übungspraxis auf Erfahrungen hinarbeiten, müssen wir uns darüber im Klaren sein, welche Erfahrungen wir denn zu machen wünschen, denn: Die Erfahrungen jeder Meditationsform werden in aller Regel in jeder Tradition anders beschrieben und auch anders benannt. So ist zunächst einmal die Unterscheidung wichtig, ob diese Erfahrungen einen mehr praktischen Nutzen haben sollen wie z.B. die Stärkung der Konzentrationsfähigkeit oder die Fähigkeit, gut einschlafen oder abschalten zu können, oder ob diese Erfahrungen dem Leben an sich als Erweiterung, Vervollkommnung oder Entwicklung dienen sollen. Die erstgenannten Motive können als  „ich meditiere, um… zu ermöglichen“  zusammengefasst werden, die letztgenannten als  „ich meditiere, um… zu werden“.

Dann ist es wie bei allen Erfahrungen notwendig zu entscheiden, in welcher Sprache und Form ich diese Erfahrungen ausdrücken, selbst leben oder weitergeben möchte. Arbeite ich also bei der Weitergabe in einem buddhistischen, christlichen oder hinduistischen Sprach- und Ausdrucksgefüge oder bevorzuge ich eher eine wissenschaftliche Form wie Psychologie, Psychoanalyse oder Philosophie. Während die religiösen Formen relativ genau gefügte Ausdrucksweisen besitzen, die grundlegende Dogmatiken nicht ausschließen können, sind die mehr atheistischen Formen vielgestaltiger, differenzierter und daher auch sehr viel mehr mit der Gefahr belastet, sich im Dschungel der Variationsmöglichkeiten zu verirren. Alle Sprachen, Wissenschaften, Religionen und Weltanschauungen haben bereits in ihrem Grundkonstrukt eine vorgegebene Sichtweise eingearbeitet, aus der innerhalb eines Beschreibungsversuches nicht oder nur schwer ausgebrochen werden kann. Lediglich die Absicht, sich auf „nur sich selbst leben“ zu beschränken, kann auf die Formulierung in Sprache verzichten; und auch dieses wird schwierig sein, lebt man doch selbst als Einsiedler nicht allein auf dieser Welt und könnte in die Not geraten, seine Reaktionen oder Nichtreaktionen anderen Menschen erklären zu müssen. Selbst Heilige haben sich in der Vergangenheit  aufgrund ihrer Aussagen schon mal schnell in der Psychiatrie oder auch auf einem Hinrichtungsplatz wiedergefunden.  In neuerer Zeit scheitern Ehen und Familien, Freundschaften und Sozialgefüge an einseitig ausgelegten und unerklärbaren Entwicklungen. Daher empfehle ich allen Meditierenden, sich vorab schon einer erklärbaren, verstehbaren  Sprache zu bemächtigen.

Der Aufbruch in ein anderes Seins Gefüge, das viele Traditionen als hohes Ziel versprechen,  sollte nur dann angestrebt werden, wenn man sich in seiner jetzigen eigenen Haut nicht (mehr) wohlfühlt. Der Weg endet immer im Unbekannten und kann seine Versprechen einlösen – oder auch nicht. Sich aufzumachen, um etwas Neues zu gewinnen aus Stolz, Ehrgeiz oder Prahlsucht wird, so ist in allen Schriften zu lesen, immer im Desaster enden. Was angestrebt werden kann ist (mehr) Freiheit, Weisheit und Entwicklung, und diese können nur dem Menschsein an sich dienen, nicht aber persönlichen Begehrlichkeiten. Gier, Hass und Verblendung sind, so sagt man im Zen, zu lösen, nicht zu pflegen. Meditation in moderner Form ist eine höchst persönliche Praxis, ist an sich nicht formalisierbar, ist nicht institutionalisierbar und nicht organisierbar. Ein Lehrer und eine Schule können Hilfe geben und einen Schutz- und Übungsrahmen setzen. Die Arbeit an sich aber ist immer dem Menschen selbst vorbehalten.

So vermittelt und praktiziert kann Meditation gelingen. Alles andere ist im meiner Vorstellung heute nur neuer und daher ungereifter Wein in alten verkrusteten Schläuchen.




Sprache als Mittel des Unterrichts

Während die Sprache in der heutigen Zeit als Grundlage aller Kulturtechniken fungiert, hat sie im Unterricht bei Anwesenheit eines lehrenden Menschen eine etwas andere Funktion. Dem anwesenden Lehrenden stehen neben der Sprache auch noch andere Vermittlungstechniken zur Verfügung. Er/sie kann zeigen, kann vorleben, vormachen und kann eine Übung, ein Werkstück oder eine Aufgabe begutachten, kritisieren, kann korrigieren und kann, was wesentlich ist, nachfragen.

Ich möchte hier in diesem Artikel der Frage nachgehen, wie im Unterricht von Yoga- und Meditationstechniken die Sprache sinnvoll zu Geltung kommen kann, wie sie verwendet werden kann und vor allem, wie sie nicht verwendet werden sollte. Ich beginne einfach der Einfachheit mal mit der letzten Aussage, und zwar, wie Sprache nicht verwendet werden kann. Ich meine damit zum Beispiel die einfache Anweisung, die bereits einen Anfänger in den ersten Übungsstunden gleich und oft am Anfang schon ereilt: Er oder sie soll … loslassen und … entspannen. Diese Anweisungen sind absurd, denn wenn Teilnehmer diese Anweisung befolgen könnten, bräuchten sie weder Yoga noch Meditation und würden gar nicht in einer Übungsstunde für Beginnende erscheinen.

Sprache und wie sie sinnvoll verwendet wird setzt immer Bekanntheit der Inhalte voraus. So kann ich in einer Yoga-Stunde mit geübten Teilnehmern nur mit der Anweisung „Kopfstand“ eine Gruppe dazu bringen, sich in bestimmter Weise zu organisieren, sich vorzubereiten und gemeinsam oder nach und nach in die Haltung zu gehen, die vom Leiter erwünscht wird. Weiterhin wäre es für Motivation und Verständnis zum Beispiel eines Einsteigers wichtig zu wissen, warum diese Übung gemacht wird und was diese bewirken soll. Sprache ist hierbei in der Grundfunktion der Anweisung (Befehl) hilfreich sowie in der Weitergabe von Erfahrung von Mensch zu Mensch, und letzteres stellt eine Kommunikation dar, da sowohl der Lehrende als auch der Übende jederzeit nachfragen können und beide damit sicherstellen, dass die Anweisungen richtig ankommen.

Doch Sprache ist weit mehr als nur Anweisungs- und Formulierungswerkzeug, denn sie vermittelt Motivation, vermittelt Stimmung und kann Wünsche erzeugen, deren Kraft einen Menschen zu treiben vermag. Setzt ein Lehrer diese letztgenannten Fähigkeiten von Sprache ein, übernimmt er Verantwortung für ggf. weitreichende Veränderungen bei einem Menschen, und er sollte daher genau wissen, was er wann, wie und wo anweist (befiehlt). Sein Vorbildcharakter und seine Autorität, die auf Erfahrung gründet, ermöglichen diese Wirkung. Er sollte sich dieser Macht immer bewusst sein. Ich selbst halte es damit so, dass ich nur dort in kraftvoller Weise einwirke, wo ich mein Gegenüber genau, das heißt über lange Zeit hinweg kenne und eine Vorstellung davon habe, welche Impulse meine Worte auslösen werden.

Exkurs: Sprache basiert in ihren Ursprüngen auf Befehl und Parole. Bei Ersteren wird in der Regel eine Handlung eingefordert, die bekannt ist. Bei Letzteren wird eine Äußerung abgefragt, mit der eine Zugehörigkeit (Identität) belegt werden kann, wenn Fremde sich begegnen und die Frage „Freund oder Feind“ im Raume steht. Weiterhin dient Sprache auch der Weitergabe von Erfahrung von Mensch zu Mensch, wobei wie oben ausgeführt Kommunikation entstehen muss. Heute wird Sprache aber in sehr viel größeren Kontexten verwendet. So kann Gehörtes und Vermutetes, kann Gelehrtes und Erwünschtes, kann abstraktes Wissen nicht nur über Körper, sondern auch über körperliche Zustände und deren Bezogenheit weitergegeben werden. Und die Weitergabe erfolgt nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Medium zu Mensch oder sogar von Medium zu Medium (Film, Fernsehen), wobei der Mensch bei letzterem nur noch als Zuschauer fungiert. Problem der beiden letztgenannten Formen ist der Mangel an Kommunikation, was heißt, das keine Rückfrage mehr erfolgen kann. Befehl (und Parole) sowie die Weitergabe von Erfahrung stellt die erste Ebene von Sprache dar. Die zweite Ebene umfängt Wissen und deren Verbreitung durch Massenmedien, die dritte Ebene wird von Dogmen und Weltanschauungen gebildet, die weder hinterfragt noch in Zweifel gezogen werden können, sondern (meist unter Androhung von Repression, durch freiwillige Selbstkontrolle oder weil alternativlos) geglaubt werden müssen.

Im Unterricht zu Yoga und Meditation sollte Sprache nur Verwendung finden, die Inhalte der ersten Ebene vermitteln. Bereits die zweite, ganz besonders aber die dritte Ebene birgt unendlich große Risiken. Anweisungen aus zweiter/dritter Hand, weil ein Guru darüber mal so gesprochen hat, weil es so überliefert ist oder man das einfach so macht, sind ungeeignet für den Unterricht. Über Inhalte dieser Ebenen kann ein Lehrer mal etwas erzählen, kann auf solche hinweisen oder Quellen zugänglich machen. Angewiesen werden jedoch sollten nur Inhalte auf der Basis der ersten Ebene, Inhalte also, die auf persönlicher Erfahrung, also auf erlebt haben, erleben können und erleben ermöglichen sich gründen. Alles andere verliert sich im unwirklichen Raum einer einmal festgelegten Kultur, die nichts mit dem Leben, das seinem Wesen nach permanenten Veränderung unterliegt, zu tun haben.




Karmalehre und Philosophie als Bedingung der Meditation des Jnana-yoga

Der Versuch, eine Verbindung zu formulieren zwischen westlicher Philosophie und östlicher Weisheit ist eine meiner Arbeiten aus 12/1999.

Wir leben in einer unbegrenzten, unendlichen Welt, die eine sowohl denkbare als auch undenkbare Fülle von Möglichkeiten enthält, eine Welt, die weder durch Zeit noch durch Raum begrenzt ist und die keinen Zeitpfeil kennt. Aber als Mensch sind wir eine gebundene Form des Lebens, gebunden an die Physis eines Organismus, gebunden an eine Richtung in der Zeit, gebunden durch Begrenzung des Raumes und gebunden durch Endlichkeit. An einer Stelle, einem Ort und einem Moment in diese Welt geworfen, beginnt zunächst die Kette von Ursache und Wirkung unser Leben zu bestimmen, lässt uns dieser Automatismus keine oder nur noch wenige Möglichkeiten zur Wahl.

Hier liegt unser Ausgangspunkt, hier stehen wir am Anfang unserer Praxis. Diesen  Punkt zu erkennen, ist der erste Schritt auf dem Weg zur Befreiung aus den Rad des Lebens. Als begrenzte und gebundene Form besitzen wir nur die Fähigkeit, eine begrenzte Auswahl von Möglichkeiten aufzunehmen, zu erkennen und auch zu nutzen. Diese Erkenntnis (der zweite Schritt) ist zwangsläufig eine Folgerung der ersten und ist von außergewöhnlicher Banalität. Trotzdem sagt sie uns klar und deutlich, wie unser Leben zu gestalten sei, wenn wir Veränderung anstreben. Wenn wir selbst unser Leben in die Hand nehmen wollen, selbst gestalten und wählen wollen, müssen wir (erstens) das bereits laufende Rad anhalten oder zumindest stark verlangsamen, müssen uns weiterhin (zweitens) über die Fülle unserer Möglichkeiten klar geworden sein und dann (der dritte Schritt) mit Bedacht wählen. Jede Wahl setzt das Rad erneut in Gang, jede Wahl ist eine Begrenzung und eine Einschränkung zukünftiger Möglichkeiten. Dies ist die dritte Erkenntnis, sie folgt aus den anderen und ist unvermeidbar und unwiderlegbar. Wir können als begrenztes Wesen nur begrenzt aufnehmen, einerseits wird alles nicht aufgenommene wie ein Opfer preisgegeben und daher Leiden verursachen, andererseits wird alles aufgenommene unsere zukünftigen Möglichkeiten begrenzen, eine weitere Auswahl erschweren oder verhindern und daher ebenfalls Leiden nach sich ziehen.
Was also können/sollten wir tun? Wir sind niemals frei in der Entscheidung, und wir können niemals ganz frei werden, denn dazu müsste uns als Mensch Unbegrenztheit zufallen. Wählen wir also unseren Teil aus, und dreht sich damit das Rad in eindrucksvollen Geschwindigkeit, so sind wir begrenzt für den Rest unserer Tage in dieser Form als Mensch, das Rad dreht sich und wir folgen ihm. Das nicht Erwählte wird bald als Verlust erfahren werden. Wählen wir nur begrenzt und sparsam aus, halten wir also das Rad nur in langsamer Drehung, verzichten wir damit auf eine Vielzahl von Möglichkeiten und damit verbunden von Eindrücken zugunsten einer unbestimmten Zukunft, was zumindest im Moment des Verzichts ebenfalls als Verlust erfahren wird. Lassen wir uns treiben im Strom der immerwährenden Bewegung um uns herum, wählen wir also nicht und bestimmen wir nicht, so verzichten wir auf die Selbstbestimmtheit unseres Lebens, andere wählen für uns und wir werden zu ”Getriebenen”. Wo liegt da die Lösung?
Die Bhagavad Gita hält daher einen Rat für uns bereit, der in etwa so lautet:
Wir wählen aus der Fülle der Möglichkeiten aus nach bestem Wissen und Gewissen, tun dann, was wir tun müssen, aber wir gestalten unser Tun so, dass wir nicht hängen an den Früchten dieser Handlungen.
Aber was genau bedeutet dieser Satz, und wie geschieht so etwas in der Praxis? Wie kann ich mir dies vorstellen? Ist dieser Sinngehalt dieses Satzes nicht paradox? Gerade doch aus dem Streben nach den Früchten heraus haben wir begonnen, den Mechanismus unseres Leidens zu durchschauen. Um das Leiden zu mindern, und das sind doch die Früchte unseres Strebens, haben wir doch mit einer Praxis begonnen und sind erst so auf diesen Satz der Bhagavad Gita gestoßen. Fehlt hier dann nicht etwas entscheidendes? Müssen wir dann aufgrund dieses Satzes die Wege des Vergangenen nicht trennen von den Wegen, die vor uns liegen? War der vergangene Irrweg nicht erforderlich, ja zwangsläufig dann auch richtig, um hierher zu finden? Und ist diese Aussage nicht eine neues Paradox, dass ich nämlich nur auf Irrwegen zur Wahrheit finde, und mein neu einzuschlagender Weg ebenfalls ein Irrweg sein muss? Und wie kann ich mit dieser Paradoxie im Gepäck fortschreiten?
Dieser Sinngehalt ist unserem, zu Differenzierbarem zugeneigten einfachen Denken nicht erfassbar. Wir brauchen eine Hilfe, um dies zu erfassen. Wir müssen sich widersprechende Aussagen nebeneinander stellen können, ohne sie in Beziehung zu bringen, ohne sie aufeinander wirken zu lassen. Diese Hilfe finden wir in der philosophischen Idee vom Hintergrund, vom Einen, vom Umgreifenden, von Gott, von Tao oder von Brahman, auf dem sich solche konträren Facetten (Paradoxien) abbilden lassen.
Auf diesen Hintergrund sehen wir die Paradoxie wie die zwei Seiten einer Münze, wir nehmen auf, ohne zu verarbeiten, betrachten ohne Auswahl und Urteil, verzichten also auf die Schlussfolgerung, die sich zB in der Theorie von ”These, Antithese (diese bilden die Paradoxie) und Synthese (Urteil) ausdrückt.
Diese Betrachtung dann schafft Bilder und Symbole, zu denen sich durch ”wirken lassen”, das ist eine bewusst herbeigeführte Unbestimmtheit in unserem Denken, in der unendlichen Fülle der Möglichkeiten eines unbegrenzten Universums Entsprechungen finden lassen, die in ihrem Bewusstwerden als Idee sich in unserem Denken Ausdruck verleihen.

Diese Idee (nach Platon), wir können sie auch Intuition (im Yoga) nennen, steht uns, einmal erkannt, dann als erweiterte, fast immer auch neue Möglichkeit offen. Durch ihre Herkunft aus der Fülle, aus dem Hintergrund,  verbindet sie uns symbolisch mit allem und ist daher dem, was wir als die eine Wahrheit bezeichnen, sehr nahe. Diese Betrachtung und dieses ”wirken lassen” erreichen wir in der Praxis der stillen Meditation. Aber diese Praxis erfordert Bedingungen:

  • Die Bereitschaft zur Analyse, des Erkennens, was ist (jetzt und hier).
  • Die Bereitschaft des ”offen-seins” und ”offen-bleibens” für unbestimmte Zeit.
  • Die Bereitschaft, weiterhin zu erkennen und zu lernen.
  • Die Bereitschaft, die aufleuchtenden Paradoxien solange zu ertragen.

 

Ohne diese Bedingungen ist die Meditation oft nur ein unbestimmtes Staunen, wird sie wie zu einer kurzen Flucht aus dem Häusermeer der Städte in die freie Wildnis der Natur, von der nach der Rückkehr nichts bleibt als eine sehnsuchtsvolle Erinnerung, die bald neues Leiden gebiert. Wirkliche Meditation arbeitet im und mit dem Meditierenden, sie formt und weitet, erhellt und vermindert so Leiden. Sie braucht dazu eine Analyse und Kenntnis dessen, was ist (zB: Erkenntnis des Prinzips von Ursache und Wirkung – Karmalehre des Yoga), und sie braucht eine Methode der Vorstellung, die nicht formt, sondern wahrnimmt (zB: Philosophie der Idee nach Platon). Kenntnis, Wahrnehmung und die Wirkung der Meditation führen nur gemeinsam zum Erfolg, so wie erst ein Tisch mit drei Beinen zum sicheren Stehen findet.




Zen-Sesshin im September 2016

Es ist 6:30 am Morgen. Eine lange Schlange von 35 Menschen verlässt, hintereinander gehend, einem Gleichschritt folgend, ein Grundstück in Buchenberg (Allgäu), überquert die Straße und  biegt in einen Feldweg ein, dem sie dann zügig und in schnellen Schritten folgt. Regelmäßig beobachtet werden kann dieses Ereignis, Kinhin genannt, meditatives Gehen,  am Hauptausgang des Daishin-Zen-Seminarzentrums und -Klosters Buchenberg. Es ist Sesshin, Meditationswoche.

Die 35 Teilnehmer des Sesshin üben eine Woche lang sich in der Kunst der Meditation im Zen-Stil. Aus ganz Deutschland sind sie angereist, um hier im stillen und landschaftlich schönen Allgäu Erholung zu finden vom alltäglichen Stress eines kombinierten Arbeits- und Familienlebens. Es wird wenig gesprochen hier, man ist leise und doch, falls überhaupt,  irgendwie zügig unterwegs. Das Zentrum des Seminarbetriebes ist das Zendo, die Meditationshalle, in der alle Teilnehmer planmäßig und mit geregeltem Ablauf circa sieben bis acht Stunden des Tages zubringen, auf Kissen oder Holzbänkchen sitzend, in Meditation vertieft. Die anderen Gebäude dienen als Seminar-, Wohn- und Versorgungsräume. Hinter einem neu angelegten See, in dem Kois ihr nasses Zuhause gefunden haben, erhebt sich ein neu errichtetes Teehaus, das vom Zen-Meister des Klosters bewohnt wird. Verschiedene Buddha-Statuen und das neu errichtete Eingangsportal zeigen eindeutig auf den japanischen Einfluss hin. Eine große Tafel vor dem schön gelegenen See zeigt, dass hier noch zwei weitere Gebäude entstehen sollen, die dann zusammen mit dem Bestehenden ein Kloster im buddhistischen Stil ausweisen.

Zen bezeichnet eine Meditationsweise, die die Sammlung des Geistes dazu verwendet, die Wirklichkeit zu erfahren, ohne dabei kulturelle und geschichtlich gewachsene Vorstellungen und Gewohnheiten zu berücksichtigen. Haupttechnik auf dem Übungsweg ist Sitzen in Kraft und Stille, Zazen. Der Zen-Meister Hinnerk Polenski, der den langen Weg zur Freiheit bereits weit gegangen ist, hilft den auf ungewohnten Pfaden wandernden Teilnehmern in Einzelgesprächen mit Rat und Ansporn. Nicht immer wird das Empfohlene auch gleich verstanden, geht es doch darum, die Teilnehmern aus ihrer Verstrickung zu befreien und dabei nicht nur den Verstand zu erreichen, sondern auch das Herz zu berühren. Es ist erstaunlich, wie gut dieses immer wieder gelingt und damit die Motivation, weiterzugehen, erweitert und zu verstärken weiß.

Sechs Tage habe ich in dieser Atmosphäre mit Sitzen, Gehen, Rezitieren, Teetrinken und Arbeiten zugebracht, habe dabei jeden Rat des Meisters und seiner vielen Helfer befolgt und alle Aufgaben wahrgenommen, die das Kloster den Teilnehmern stellt. Es waren schöne Tage inmitten von Freunden, Tage ohne Aggressivität, Tage ohne Ärger, ohne Stress, und doch Tage erfüllt von Tun, Erleben und Sein. Ich bin erholt in die Normalität zurückgekehrt, vielleicht auch ein Stück freier, ganz bestimmt aber ein großes Stück nachdenklicher angesichts eines erdrückend eng gestrickten Alltags. Es waren gute Tage, wichtig für mich und bestimmt auch wichtig für die Menschen, die mit mir leben und arbeiten müssen.




Was Yoga vom Turnen unterscheidet

Manchmal am Wochenende nehme ich mir die Zeit und recherchiere und surfe durchs Netz, um zu erfahren, was das Thema „Yoga“ so alles Neues zu bieten hat.


Und obwohl ich diese Suche mittlerweile immer mehr wie das Lesen der Fernsehprogrammvorschau betrachte –ein Kessel Buntes mit wenig Gehalt- erschrecke ich doch immer wieder angesichts der Oberflächlichkeit, mit der ein gutes und ernsthaftes Thema verheizt wird. Bunte Bilder, buntes Trallala-Geschreibsel mit magischen und mythischen Inhalten, wenig Information zur Technik und noch weniger Hilfestellung und Rat. Nur die Gegner, die ewigen Warner –Verletzungsgefahren, psychische Abhängigkeit, religiöse Vorstellungen- bringen einigermaßen informative, sprich lesbare Artikel zustande. Der Rest ist Werbung, Anpreisung und Ausdruck von Begeisterung, wobei ich dabei mehr die ursprüngliche Bedeutung meine -von einem Geist erfüllt- und nicht die sprichwörtliche Freude.

Daher und in alle Bescheidenheit noch einmal, kurz und bündig, ein paar informative Zeilen zu Yoga, die hoffentlich zur Freude im Üben beizutragen vermögen:

Yoga ist eine körperlich aktiv gestaltete Übungsmethode, deren Übungen ein wenig wie Turnübungseinheiten (Vorbereitungsübungen) aussehen. Im Gegensatz zum Turnen aber arbeitet Yoga nicht mit Haltespannung und Schwung, sondern Yoga arbeitet mit Erdung und Entspannung. Der große Unterschied ist der, das im Yoga nicht die äußere Form, sondern das innere Wahrnehmen der Kräfte und Bedingtheiten im Vordergrund stehen sollte. Somit wäre ein Turner, der über eine gute innere Wahrnehmung verfügt, auch Yogaübender, während ein Yogi, der nur die äußere Form im Fokus hat, mehr ein Turner bleibt.

Exkurs:
Entspannung bedeutet nicht ein Abschalten, sondern mehr die Absenkung zum notwendigen Tonus, in dem die Übung als mühelos und fest empfunden wird.
Tonus nenne ich das individuell ausgestaltete Maß an Spannung, das zur Ausführung und zum Halten der Übung (Pose) notwendig ist. Mit anderen Worten bedeutet Entspannen das Absenken auf Tonus-Niveau.
Erdung ist eine Bewusstseinshaltung, die stets versucht, die Kräfte der Natur -Schwerkraft, Lebendigkeit- in der Haltung wirken zu lassen.

Im Yoga sollte es überwiegend um die innere Form gehen. Menschen sind unterschiedlich, bringen unterschiedliche körperliche und geistige Verfassungen auf die Matte und können daher nicht mit dem einen System arbeiten. Aber es sind nicht unterschiedliche Übungen, sondern unterschiedliche Intensionen, die der Individualität Rechnung tragen. Eine Yogaübung wirkt dann am besten, entfaltet ihre größte Wirkung im dem Bereich, der kurz vor der Beweglichkeitsgrenze liegt, sozusagen auf der Schwelle zwischen Nutzung der vorhandenen Gegebenheiten einerseits und einer Dehnung andererseits. In diesem Bereich signalisiert der beanspruchte Muskel, das beanspruchte Gewebe, das der Übende gerade den sicheren Bereich verlässt und die Gefahr besteht, zu be- oder überlasten. Die Wahrnehmung dafür ist noch nicht Dehnungsschmerz, sondern Wärme. Diese ist einer Wahrnehmung der involvierten Energie äquivalent. Sie wird in Form von Prickeln, Kribbeln oder als Strömungen wahrgenommen. Auch ist diese nicht ein Dehnungsschmerz auf eine Region begrenzt, sondern das Gesamtsystem Mensch wird von dieser Wahrnehmung durchflutet. Mit anderen Worten ausgedrückt ist auf dieser Schwelle die Wahrnehmung von energetischen Aktivitäten als Wärme möglich.

Wir bekommen somit eine Form der inneren Wahrnehmung, die einerseits im Alltäglichen nicht notwendig und daher auch nicht angezeigt ist und die andererseits von einer Dehnungsspannung vollkommen überlagert würde. Das Ziel von Yoga ist letztlich, jede mögliche Körperhaltung, ob einfach oder kompliziert und anstrengend, in diesen Bereich legen zu können und somit optimal mit unserer Kraft und Energie umgehen zu lernen. Was zunächst als Erfahrung nur für den Körper und seine Funktionen gilt, kann und wird später, mit größerer Sicherheit und Vertrauen, in den denkenden Teil und weiterführend in den geistigen Teil unseres Menschseins übertragen werden. Dafür sind die Methoden Konzentration und Meditation vorgesehen, die zwar mit der gleichen Energie, aber etwas anderen Motiven und Techniken arbeiten.

Körper, Denken und Geist sind im Yoga eine Einheit, gehören zusammen wie Holz, Feuer und Rauch. Sie sind daher auch in jeder Yogaübung gemeinsam beteiligt, der Körper, der die Haltung trägt, das Denken und der Wille, die in der Übung zu verweilen ermöglichen und der Geist, der sich von Verhaltensweisen löst, die ihm von außen aufgenötigt wurden. Dieser Lösung ist dann auch die stressmindernde und erholungsreiche Wirkung von Yoga zuzuschreiben, und sie entsteht mit und durch das Bewusstsein in der Übung, und es ist gleich, ob die Wirkungsweisen im Detail dabei verstanden werden oder nicht.




Yama und Niyama im Wandel der Zeit

Wann immer heute mit Yoga und seinen Techniken begonnen und umgegangen wird, kommt man automatisch mit den Grundlagen dieser Lehre in Berührung und wird mit den Begriffen Yama und Niyama konfrontiert, die einen Verhaltenskodex für Übende beschreiben:

Yama (Kodex gegenüber der Außenwelt):
1. Ahimsa (Nicht-Gewalt) oder die Abwesenheit von Gewalt und Grausamkeit
2. Satya oder Wahrhaftigkeit und Wahrheit
3. Asteya (Nicht-Diebstahl) oder das Verbot zu stehlen
4. Bramacharya (Führung zu Gott) oder das Gebot, sich auf das Wesentliche hin zu bewegen
5. Aparigraha (Nicht-Zugreifen) oder das Gebot, sich nicht Bestechen zu lassen.

Niyama (Kodex gegenüber sich selbst):
1. Shauca (das Geklärte) oder Sauberkeit, Reinheit
2. Santosha oder Genügsamkeit
3. Tapas (Erhitzen) oder den Körper funktional zu halten
4. Svathyaya oder die Selbsterforschung
5. Ishvarapranidhara oder die vertrauensvolle Hingabe an Gott.

Beim genauen hinein lesen in die Gebote des Yama wird man feststellen, das diese Gebote für alle Teilnehmer an unserer westlichen Gesellschaft in Gesetzen geregelt und damit für alle bindend sind. Lediglich Wahrhaftigkeit und das Gebot, sich auf das Wesentliche hinzubewegen sind nicht unter Strafe gestellt, werden aber allgemein als Standard angesehen. Auch die Gebote des Niyama können allgemein als Verhaltensstandard oder zumindest als wünschenswert angesehen und werden, vielleicht mit anderer Begrifflichkeit, auch so von einer Mehrheit gelebt. Weiterhin gibt es vielfältige Versuche, diesen eher als archaisch empfundenen Begriffen neues, aktuelleres Leben einzuhauchen. Diese Versuche, die ich grundlegend durchaus begrüße, scheitern aber in aller Regel, weil die Umformungen und Auslegungen nur Teilbereiche der zu klärenden gesellschaftlichen Verhaltensweisen darstellen können und zusätzlich noch von dogmatischen Lehrmeinungen durchdrungen bleiben. Eindrückliche Beispiele dafür sind der Vegetarismus (Ahimsa) und die oft gepredigte sexuelle Enthaltsamkeit (Bramacharya), die selbst in Wikipedia Einzug gefunden haben.

Betrachten wir mit ungetrübtem Blick die oben genannten Gebote und berücksichtigen den Lebensstandard, der in unserem Kulturkreis als allgemein vorausgesetzt gelten kann, berücksichtigen wir die religiöse Freiheit, die unsere Gesetze vorschreiben, so verbleiben unter Übungsgesichtspunkten:
1. Bramacharya mit dem Gebot, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren
2. Santosha oder die Genügsamkeit
3. Tapas oder das Gebot den Körper funktional zu halten
4. Svathyaya als das Gebot der Selbsterforschung

Kurz und in einem Satz zusammengefasst wäre das eine genügsame, sich auf das Wesentliche auszurichtende Selbsterforschung und Gesunderhaltung (Prävention). Das ist keine allzu außergewöhnliche Aussage, trifft aber im Kern die Voraussetzungen, unter denen die Übung des Yoga begonnen werden kann. Allerdings stehen heute der Zielsetzung einer Yogapraxis andere Hindernisse im Wege wie den Menschen vor 1000 Jahren. In der nachfolgenden Aufzählung seien solche beispielhaft aufgereiht und verarbeitet:
1. Da ist zunächst einmal die Zeitfrage. Eine Yogapraxis verbraucht mind. 2 Stunden an zwei bis drei Tagen einer Woche, wenn alle Module (Asana, Pranayama, Meditation, Selbststudium, Ruhe- und Wirkungszeiten) sinnvoll eingesetzt werden sollen.
2. Da ist die Fragestellung des großen Angebots an Studios, Kursen und Lehrern, die nahezu unzählige Variationen, Arten und Traditionen der Yogalehre (Praxis) anbieten. Nicht jede Form ist für jeden geeignet und oftmals sind es die weniger beliebten Formen, die wirklichen Zugewinn ermöglichen.
3. Dann ist zu nennen die Gewohnheit des Konsumierens, die auch vor Yoga nicht halt macht. Yoga an sich ist Selbsterforschung oder Arbeit an sich selbst. Mit ein paar Übungseinheiten unter Anleitung ist es oftmals nicht getan, sondern das Erlernte muss in den Alltag integriert werden.
4. Als großes Hindernis ist der Erkenntnisgewinn zu nennen, der stets Veränderungen des Gewohnten zur Folge hat. Weder das eigene Selbst noch die unmittelbaren Beziehungspersonen mögen Veränderungen und der sich Verändernde steht ständig unter Rechtfertigungszwang sowohl positiver (Ich geben die Gewohnheit auf, weil …) als auch negativer Art (Ich möchte die Gewohnheit aufgeben, aber scheue die Schwierigkeiten, die dieses nach sich ziehen würde, weil …).
5. Dann wären bei sich einstellender positiver Wirkungen der Stolz und die Missionsneigung zu nennen, die so manchen Übenden allzu schnell ergreift und die sich oft negativ auf das soziale Umfeld auswirken.
6. Weiterhin ist die Versuchung groß, sich selbst als Lehrer zu etablieren und vergisst dabei gerne und schnell, das auch das Üben an sich selbst nicht vernachlässigt werden darf.

Somit hätte eine zeitgemäße Grundlagenzusammenstellung im Sinne von Yama/Niyama so etwa nachfolgende Struktur und Umfang:

Yama (Kodex gegenüber der Außenwelt):
1. Konzentriere dich in der Lebensgestaltung auf das Wesentliche. Nicht alles was als modern und hipp gilt fördert dein Leben. Vieles davon ist Selbstbelohnung oder Zerstreuung.
2. Schließe dich nur einer Gruppe an, wenn diese dich auch fördern kann. Findest du keine Gruppe dieser Art, ziehe aus einem wahrgenommenen Unterricht das für dich Richtige heraus und wahre Distanz.
3. Rechtfertige dich nicht für Dinge, die deine Praxis fordert. Es ist dein Leben, deine Zeit und deine Entscheidung.
4. Missioniere nicht und zwinge niemand zur Rechtfertigung. So wie es deine Entscheidung ist, ist es auch die Entscheidung anderer.
5. Nur wenn du auf dich selbst achtest, kannst du anderen helfen.

Niyama (Kodex gegenüber sich selbst):
1. Mache Genügsamkeit zu einer deiner Grundstimmungen. Esse soviel wie dir gut tut, arbeite soviel wie notwendig und übe wenn Übung gebraucht wird. Ansonsten halte Frieden mit deiner Seele (frei nach einem Sprichwort!).
2. Erhalte deinen Körper gesund und verwechsele gesund nicht mit schön! Selten ist ein Schönheitsideal auch gesund. Besonders die Molligkeit ist hier als Beispiel gut geeignet, ist sie doch für viele Menschen nachweislich die gesündeste Erscheinungsform. Nicht BMI, sondern „sich wohl fühlen“ ist das Maß der Dinge!
3. Die Selbsterforschung ist die Grundhaltung des Übens. Nicht jede Übung gereicht auch jedem zu Wohlbefinden und Gesundheit. Wähle das für dich Richtige auf der Basis von Selbsterfahrung.
4. Stelle genügend Zeit und Muße zur Übung und Erholung bereit. Zeit ist Geld, aber Geld ist nicht Gesundheit und nicht Wohlbefinden. Und „Erholung/Yoga to go“ ist ein Widerspruch in sich.
5. Konsumiere Yoga nicht! Es kann geschehen, dass du von Zeit zu Zeit eine Pause vom Üben brauchst, denn Neues muss sich auch setzen können. Nimm dir diese Zeit. Nicht immer, wenn der Fortschritt ausbleibt, ist mehr desselben die richtige Wahl. Oftmals ist auch weniger mehr.

So in etwa stelle ich mir einen modern gefassten Übungskodex im Sinne von Yama/Niyama vor. Die Aufzählung ist bestimmt nicht vollzählig und so mancher mag auch dieses Neugefasste als allgemein selbstverständlich betrachten. So wie Gesetze einer Gesellschaft tausende Seiten füllen, passt die Grundlage eines Übungswegs auch nicht in zehn Gebote. Allerdings sollte man sich immer mal wieder an die Gegebenheiten seiner Zeit erinnern. Alte, nicht mehr gebräuchliche Formen und Gebote sollten über Bord geworfen und neue Probleme oder Schwierigkeiten sollten benannt werden. Entwicklung ist eine Eigenart des Lebens als auch seiner Systeme (Yoga).




Spiritualität wirkt gut aus dem Verborgenen heraus

Wir alle, die in Yoga und Meditation (Zen, Vipassana) sich geschult haben, werden immer wieder feststellen, dass sich eine offen gelebte Praxis der Spiritualität nicht immer und in allen Lebenslagen aufrechterhalten lässt. Von daher ist ein Motiv der Unterscheidung für den spirituell Übenden wichtig.

Es geht darum, zu erkennen, wann und in welcher Intension eine spirituelle Haltung sinnvoll offenbart wird und wann sie aus Selbsterhaltungsgründen besser im Verborgenen bleiben sollte. Die Mehrheit der Menschen heute ist leider noch nicht in einer Verfassung, komplexe Haltungen wie Toleranz, Verständnis  und Mitgefühl in allen Lebenslagen durchzuhalten oder zu akzeptieren.

Viele Teile unserer Lebenswelt sind so organisiert, dass fast ausschließlich materialistische Grundeinstellungen eine Rolle spielen können. Betriebe, Firmen, Dienstleister und das Handwerk, in denen wir einen großen Teil unserer Zeit verbringen, sind auf Konkurrenz und Gewinn getrimmt. Sie folgen einer inneren Struktur, die wenig Raum lässt für die bereits genannten geistige Elemente, denn diese haben in der Betrachtung vorhandener Geschäftsmöglichkeiten, wie wir sie üblicherweise umsetzen, selten die Kraft, nachhaltig und als Erfolgskonzept zu wirken. Die wenigen guten und erfolgreichen Beispiele, die es doch gibt (Beispiel: GLS-Bank), halten sich meist nur, weil viele spirituell engagierte Menschen sich dort bündeln.

Weiterhin liegen den spirituellen Praktiken wie Yoga, Meditation, Tai Chi, Reiki und so weiter Vorurteile im Weg, die in der Gesamtheit aller Motive zusammen mit dem Begriff „sanft“ zusammengefasst werden können. Und sanft, seien wir ehrlich, ist weiblich belegt und wird meist mit schwach und/oder verspielt übersetzt. Das stimmt aber weder im Weiblichen, noch in Yoga oder Meditation, denn all diese müssten eher das Prädikat „stark“ tragen. Weder die Geburt eines Kindes noch die Schwere einer wirksamen Yogahaltung noch die Stille des Sitzens sind mit sanft sinnvoll zu beschreiben.

Auch kann ich nicht bestätigen, dass durch Üben von Yoga und Meditation ich still, sanftmütig und positiv gestellt worden sei. Im Gegenteil, ich zumindest fühle mich seither mutiger, halte besser durch und setze früher Grenzen, und folgerichtig weiche ich so mancher Auseinandersetzung deutlich seltener aus als früher. Spirituelle Praxis macht innerlich stark, fördert Mut und Willen, auch wenn diese Elemente durch eine ruhige und sichere Art des Auftretens im Alltag selten in Erscheinung treten. Es ist ein wenig wie im Kampfsport, wo geschulte Menschen ihre Techniken nahezu nie einsetzen müssen, weil aggressiv auftretende Menschen im Umfeld sofort spüren, dass sie es im Gegenüber nicht mit einem Zaum, sondern einem Bollwerk zu tun haben.

Die Kraft der Unterscheidung ist meiner Meinung nach daher mehr auf die Frage zu konzentrieren, wann und unter welchen Umständen gehe ich als spirituell aktiver Mensch offen in eine Auseinandersetzung und wann halte ich meine spirituelle Ader eher bedeckt und lasse sie aus dem Verborgenen heraus wirken, wann spreche ich über diese Praxis und wann ist es angebracht, eher still seine Ausstrahlung wirken zu lassen. Daher rate ich allen Menschen, die in der Spiritualität verankert sind, auch dazu, keine Zugehörigkeitszeichen (Anhänger, Mala, Autoaufkleber) in der profanen Öffentlichkeit zu präsentieren, weil aus dem Verborgenen wirken geht dann nicht mehr. Etwas anders ist das, wenn man für ein Kloster oder Zentrum tätig zu sein hat und werbewirksam auftreten muss.

Spiritualität wie ich sie verstehe wirkt sehr gut aus dem Verborgenen heraus. Sie fordert nicht und klagt nicht ein. Sie beschämt nicht und wird nicht wie eine Fahne mit sich herumgetragen. Sie wirkt durch Vorbild und Ausstrahlung.




Wenn wir Yoga üben werden Fragen auftauchen…

…irgendwann, und auf diese Fragen sollten Antworten gegeben werden. Da ist zum Beispiel die Frage, warum meiner Schultern immer wieder fest und geschlossen sind, warum bei vielen Übungen Schmerzen auftauchen im Rücken, in den Füssen, in Bauch und Brustkorb. Und es tauchen Fragen auf wie, was mache ich falsch, was ist an mir nicht in Ordnung, warum passiert mir das und folgend die Frage, ob das jemals wieder in Ordnung kommt?
Alles diese Fragen sind folgerichtig gestellt und auch verständlich, aber nicht wirklich zielführend und daher nur so zu beantworten: Das sind nicht die Fragestellungen, die sinnvoll und angebracht sind und die daher selten zu Ergebnissen führen. Ich würde die Frage gerne anders stellen wollen, und zwar in der Richtung: Was kann ich tun, um Abhilfe zu schaffen? Was brauche ich dafür? Wie komme ich weiter? Das sind die Fragen, mit denen ich mich als Yogalehrer beschäftigen kann. Diese Fragen kann ich beantworten, hier kann ich Hilfe anbieten.

Natürlich wollen wir gerne wissen, woher unsere Anlagen kommen.  Und eine gute und richtige Antwort würde dafür auch hilfreiche Motive bringen. Aber seien wir mal ehrlich: Was in dieser Welt ist einfach ableitbar? Wofür können wir klar und präzise Ursachen und deren Wirkungen beschreiben und ableiten. Das gelingt zwar in der Mechanik meistens, das gelingt in der Physik noch oft, in der Chemie aber bereits seltener, in der Philosophie und im Menschsein eigentlich nie. Wir spekulieren und legen uns einfache Antworten zurecht. Das ist die Realität. Und diese Antworten sind bereits durchsetzt mit Vorstellungen, Wünschen und Selbsteinschätzungen, die die Ebene der Wahrheit nur noch spärlich berühren. Es ist, wissenschaftlich gesprochen, nicht einfach, Klarheit in nicht messbaren Bereichen zu finden. Und messbar ist im Menschen nur Gewicht und Schuhgröße. Schon bei der Körpergröße wird es variabel, bei Spannung, Tonus, Muskel-und Nervenaktivität fängt das Raten an. Vom Geist will ich hier gar nicht erst schreiben.

Yoga ist anders als die Wissenschaft ein System zur Intervention an und mit mir selbst. Und Yoga funktioniert mit Erfahrungen und der Methode Versuch und Irrtum. Da ist nichts klar und abgegrenzt. Jeder Mensch ist anders. Und letztlich ist es nicht wichtig, wo ein Problem herkommt, sondern wichtig ist, wie jeder Einzelne zu Linderung, Abschwächung und Lösung seiner Problemchen kommen kann. Dafür gibt es Übungen, und dafür gibt es Yogalehrer, die helfen können, die richtigen Formen zu finden. Dazu ist es manchmal notwendig, den Finger in die Wunde zu legen. Eine Schwäche offen anzusprechen ist immer mühsam für beide Seiten, den Hilfesuchenden und den Hilfegebenden gleichermaßen, aber notwendig.

Festzuhalten ist: Jeder Mensch hat seine Schwächen und Stärken.  Und jeder vernunftbegabte Mensch weiß das auch. Auch Yogalehrer haben Schwächen, auch Yogalehrer arbeiten an sich selbst. Und ganz ehrlich gesagt wissen diese Lehrer meist mehr über sich selbst als ihnen lieb ist, denn sie haben viele Gelegenheiten und viele Wahrnehmungen genossen, die ihnen aufzeigen konnten, wie wenig perfekt ein Menschsein im Allgemeinen so ist. Perfektion ist ja auch nicht Ziel der Übungen. Ziel der Übungen ist es, einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, der für ein Leben tragend sein kann, für ein Leben ohne Schmerz und Not, für ein Leben ohne Leiden.

Alternativ dazu kenne ich nur die Versprechungen der Chemie und das Messer des Chirurgen. Passive Interventionen wie Massagen und dergleichen sind hilfreich für den Moment, für dauerhaften Frieden mit mir selbst aber kann nur ich selbst verantwortlich zeichnen. Und dazu muss ich üben, um so zu versuchen,  immer wieder zurück ins Gleichgewicht zu schwingen. Dafür genügen schon ein paar Minuten eines Tages, das sind vielleicht nur 1% meiner Zeit. Das ist ungefähr so viel wie für einen Kaffee trinken, einen Post abzusenden, ein „gefällt mir“ zu bestätigen  oder einen Plausch zu halten. Ich kenne keinen sinnvolleren Einsatz von Zeit!




Exkurs über „das Üben“ in Yoga und Meditation

Nach Wikipedia ist Üben „… eine Praxis, die auf Können bzw. besseres Können gerichtet ist. Geübt werden Praktiken, die man nicht unmittelbar durch Wille oder Entschluss ausführen kann, wie elementare und leibliche Lebens- und Weltvollzüge wie Gehen und Sprechen, komplexe Fertigkeiten und Fähigkeiten künstlerischer, sportlicher, handwerklicher und geistiger Art sowie individuelle Haltungen und Einstellungen.“
Im Umkehrschluss müssen also Handlungen etc. dann nicht mehr geübt werden, wenn ihre Aneignung für einen bestimmten Zeitraum ausreichend oder sogar nahezu abgeschlossen ist. Von einem vollständigen Aneignungsvollzug spricht man in Verbindung mit Üben aber nicht, da diese Fertigkeiten nur dann dauerhaft zur Verfügung stehen, wenn sie entweder regelmäßig ausführt oder aber nach längeren Pausen wieder einübt werden. Berücksichtigt man diese Aussagen, erschließt sich der Begriff „Übungspraxis“, der gerne für die Beschreibung von Yoga und Meditation verwendet wird, auf einfache Weise.

Schauen wir auf die Übungsinhalte im Yoga, so fallen zunächst die körperlichen Fähigkeiten ins Auge. Viele Übungen des Yoga erfordern schon für die Grundhaltung einen gut ausgearbeiteten Muskelaufbau und begleitende Fertigkeiten, die meist mit Balance und „know how“ beschrieben werden können. Selten erwähnt, aber nicht weniger wichtig, sind Fertigkeiten, die mit Konzentration, Aufmerksamkeit und Gelassenheit zu tun haben. Auch diese Motive sind mit Üben und regelmäßigen Tun ausgestaltbar. Dazu kommt in meiner Vorstellung von Yoga eine Zielgerichtetheit, in der das Gehen auf dem Weg auf das vorgestellte Ziel hin optimierend gestaltet wird. Dazu gehören besonders Intensionen in Haltung, Art und Übungsweise sowie ergänzende Maßnahmen, die nicht dem Yoga zugehörig sind wie Massagen und evtl. auch Psychotherapien. Zusammenfassend würde ich sagen, dass der wirksamen Ausführung von Yoga eine Übungszeit vorgelagert sein muss, in der zunächst einmal Voraussetzungen geschaffen werden müssen.

Ähnlich ist die Ausführung von Meditation ebenfalls an Voraussetzungen gebunden. Sitzen können, Kraft und Wille vereinen können und ein hohes Maß an Gelassenheit sind hier die benötigten Motive. Auch diese fallen nicht vom Himmel und müssen eingebracht und ausdauernd geübt werden.

Ein Großteil der Zeit für Yoga und Meditation wird also zwangsläufig mit Vorübungen ausgefüllt sein. Das Halten der körperlichen Fähigkeiten, das Schaffen von Gelassenheit und Konzentrationsfähigkeit sowie die Ausgestaltung eines persönlichen Weges sind elementare Schritte in der Übungspraxis. Ohne diese Motive ist Yoga nur Turnen, Meditation nur Abhängen. Sind die Voraussetzungen aber geschaffen und werden diese regelmäßig gepflegt, kann Yoga zu einer energiereichen Weitung des Lebensgefüges beitragen, kann Meditation gelingen und in die Stille des Da-Seins führen.

Kommen wir noch einmal zur Beschreibung in Wikipedia: “ Jede Übung hat auch bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung eine ästhetisch-sinnliche, eine methodisch-kognitive und eine praktisch-ethische Dimension. In der Neuzeit trat der methodische und kognitive Aspekt immer mehr in den Vordergrund. Die ästhetisch-sinnliche und die praktisch-ethische gingen weitgehend verloren.“ Diese Tendenz ist ganz prägnant in Yoga- und Meditationsangeboten der Neuzeit zu beobachten. Hunderte von Schulen, ausgrenzende Schwerpunkte und besonders der Ausschluss dringend benötigter mentaler Fertigkeiten aus der Praxis sprechen eine mehr als deutliche Sprache.

Beide Methoden, richtig ausgeführt, wirken aber in ein Lebensgefüge hinein, das sich nicht auf zwei Stunden Matte und Kissen begrenzen lässt, sondern dem 24 Stunden an jedem Tag zur Verfügung stehen, und das jahrzehntelang. Angebracht ist daher etwas mehr Sorgfalt, etwas mehr Geduld, und nicht zu vergessen etwas mehr Bescheidenheit. Das gilt für Übende, Teilnehmer an Veranstaltungen und ganz besonders für die unterrichtenden Lehrer und Vortragenden!