Wie übe ich richtig Yoga (am Beispiel der Vorwärtsbeuge)

Yogas ist heute wieder, trotz Pandemie und Kontaktbeschränkungen, in aller Munde. Wer im Netz oder Zeitungen und Magazinen unterwegs ist, also viel liest, wird immer wieder auf gut gemeinte Artikel stoßen, die Yogaübungen und -praktiken unter Faszien-Training, Therapie, Schmerztherapie oder Vorsorgemaßnahme anpreisen und dabei auf Bildern und Filmen die altbekannten Yoga-Asanas (Übungen) zeigen.



Das ist gut, fein und besser als gar keine Yoga-Praxis zu proklamieren. Aber, und dieses „aber“ ist wichtig, Yoga macht man nicht nur damit, das man die Posen einnimmt, denn diese Posen sind sozusagen erst das Eintrittstor in den Yogaraum. Nehmen wir einfach mal als Beispiel eine einfache, viel gesehene und geübte Yoga-Pose, die einfache Vorwärtsbeuge im Stehen. Was sehen wir auf den Bildern, oder, wenn Sie zu zweit üben, bei Ihrem Partner?

  • Die Füße stehen zusammen, Knöchel an Knöchel? Das stimmt nur für wenige Menschen, denn die Füße sollten, wenn sie funktional agieren sollen, so weit auseinander stehen, wie die knöcherne Hüfte breit ist. Stehen die Füße enger, wird oft das Gleichgewicht-Halten schwierig und man muss Muskulatur anspannen, um nicht umzufallen. Und die Füße stehen, jeder für sich auf drei Punkten, dem Großzehenballen, leicht auf dem Kleinzehenballen und der Ferse. Und dazwischen befindet sich ein sich selbst aufrichtendes und spürbares Fußgewölbe.
  • Dann sollen die Beine gestreckt und aufrecht gehalten werden! Nun können Beine ja auch überstreckt werden. Sie können aber auch gebeugt gehalten werden. Und aufrecht heißt doch, das die Linie der Rückseite gerade steht wie die Wand in einem Zimmer. Ist das im Spiegel oder der Wahrnehmung ihres Partners gegeben. Viele werden feststellen, das die Bedingungen nicht so sind wie sie das vermuten. Und jetzt versuchen sie, diese Bedingungen zu schaffen, in dem sie die Beine strecken und die Rücklinie anzupassen versuchen. Nur, und das ist wichtig, werden sie dazu gerade die Muskulatur verwenden, die sie entspannen müssten, um die ideale Haltung zu bekommen. Sie machen also gerade die Muskulatur fest, die sie lockern wollen. Und so schließt sich die Tür zum Yoga und sie sind ins Krafttraining, genauer gesagt in isometrische Übungen gefallen. Besser wäre es doch, die Muskulatur, die die Beine eben nicht sich strecken lassen, in Ruhe zu lassen und zum Beispiel von den Füßen oder vom Gesäß her zu arbeiten. Dafür aber dürfen die Muskel- und Faszienketten nicht blockiert sein, die das zu tun vermögen. Das ist aber oftmals nicht der Fall. Also müssen doch erst einmal die Blockaden entfernt werden. Aber wie geht das?
  • Blockaden können entfernt werden, wenn Muskeln und Gewebe wie Faszien, Sehnen und Bindegewebe wieder einen so großen Bewegungsspielraum haben, wie das zum Beispiel in der Medizin (Orthopädie) als normal-beweglich ausgewiesen ist. In der VWB ist eine normal Beweglichkeit dann gegeben, wenn wir bei der sitzenden Version dieser Übung bei gestreckten Beinen mit den Langfingergrundgelenken die Zehen erreichen können. Bei der stehenden Version, die ich hier bespreche, sollten zumindest die Fingerspitzen den Boden berühren können, ohne sich anstrengen zu müssen. Weiter unten zähle ich die Übungen auf, die zumindest in Fachbüchern, die für den Breitensport bestimmt sind, als solche ausgewiesen werden.
  • Dann gibt es noch im mittleren bzw. oberen Rücken die Möglichkeit, sich durch eine buckelnde Bewegung mit gebeugten Rücken nach vorne zu schaffen. Aber diese Maßnahme wirkt nur bedingt, denn die runde gebeugte Wirbelsäule (WS) beugt sich nicht besonders weit und sehr schnell stockt der ganze Bewegungslauf und alle Muskeln machen dicht, fangen an zu blockieren. Und sie tun das dann über die bereits erwähnten Faszien- und Muskelketten. Wir brauchen also einen weitestgehenden geraden Rücken, um über die Vorwärtsbeuge die langen Muskelketten an den Beinrückseiten, am unteren Rücken und entlang der WS bis zum Hals/Nacken hinauf zu öffnen. Und öffnen heißt hier, so zu arbeiten, das keine Blockaden entstehen können und bereits etablierte Blockaden sich lösen.
  • Dann haben wir in der Beuge der Vorwärtsbewegung im Bauch eine große Muskelplatte, deren Aufgabe es ist, die Organe an ihrem Platz zu halten. Da sie einer fortgeschrittenen Beuge in Wege ist, muss sie entspannt und nach innen zur WS hin zurückgenommen werden, um Platz zu schaffen. Nun kann sie nicht permanent mit Kraft zurückgehalten werden, weil über die Verbindungen auch andere Muskel- und Gewebepartien in die Anspannung folgen. Wenn ich aber über die große Kette im Ansatz der Beuge, also bei etwa 45° über gestreckten Beinen das Gesäß etwas anzuheben versuche, wird der entspannte Bauch wie von Zauberhand in die gewünschte Form gebracht und die Beuge geht, der Schwerkraft folgend, tief und leicht nach unten.
  • Und dann haben wir ja auch noch Hals, Nacken und den schweren Kopf. Gehe ich mit soweit als möglich geradem Rücken nach vorne, wird der Kopf nach unten fallen und Hals und Nacken in eine Enge ziehen, was sich nicht nur schräg anfühlt, sondern auch die Übung der Vorwärtsbeuge (VWB) behindert. Also muss der Kopf an der richtigen Stelle gehalten oder verankert werden. Dazu ist ein fundiertes Wissen darüber notwendig, wie das geschehen kann. Vereinfacht geschrieben wird dazu das Kinn etwas näher am Kehlkopf gehalten und der Nacken etwas entgegen der Beugerichtung sanft aufgerichtet. Kopf und Rumpf beugen sich nach vorne, der Nacken aber geht leicht in die Gegenrichtung. Das Ganze nennt man im Yoga Bandha, Verschluss oder Siegel. Den genauen Ablauf kann man nur in der Arbeit mit einem ausgebildeten Lehrer erarbeiten. Die individuellen Unterschiede bei Teilnehmern sind zu groß, um hier ein für alle gültigen Ablauf beschreiben zu können.
  • Dann haben wir noch Arme, die mit ausgebreiteten Händen auf dem Boden stehen. Diese sollen, das Bild erscheint eindeutig, den Körper nicht am Fallen durch die Schwerkraft hindern. Sie dienen lediglich dazu, die Schlüsselbeinregionen daran zu hindern, über den Hals in die Enge zu fallen. Auch das würde die VWB behindern, und das schon durch das Gefühl am Hals, wie abgeschnitten zu sein. Wir stützen also nur die Schultern samt Schlüsselbeinen, aber nicht den Rumpf mit unseren Armen ab. Geht der Rumpf tiefer, müssen aber auch die Schlüsselbeine tiefer gehalten werden. Wird die Beuge tiefer, müssen die Arme gebeugt werden, denn sie sind dann zu lang. Dafür gehen die Hände außen an den Füßen vorbei nach hinten. Ein gutes Maß, wie das geschehen kann, stellt die Ausrichtung der Unterarme dar. Sie stehen stets nach allen Richtungen senkrecht zum Boden und stützen nur die Schlüsselbeinregionen so ab, das keine Enge am Hals entstehen kann.



So, und jetzt, wenn alle diese Vorbedingungen erfüllt sind, stehen wir in der Grundhaltung der VWB und die Arbeit des Yoga kann beginnen. Jetzt erst haben wir den Eingang, von dem am Anfang des Artikels die Rede war, erreicht. Jetzt beginnt Yoga.
Aus der optimal ausgerichteten Pose wird jetzt eine Haltung. Diese versucht zunächst einmal, alle noch vorhandenen Spannungen zu lösen. Dabei wird die Haltung so locker und leicht, das wir spüren, wie der Körper auf den wenigen Punkten, die das Hauptgewicht tragen, ausbalanciert werden muss. Diese Balance-Bewegungen gehen unregelmäßig und sind nur bei absoluter Stille der Haltung zu spüren. Je länger wir in der Haltung verweilen, desto mehr überflüssige Haltearbeit kann von uns bemerkt werden. Und dann beginnt das Lösen dieser unseligen Spannungen, die wir in der Alltagssprache gerne Verspannungen nennen. Wir alle haben viele davon, und sie entstehen immer wieder neu. Yoga in der Arbeit mit dem Körper ist, diese immer wieder aufzuspüren und zu lösen. Hilfreich dabei sein können ganz sanft und superkleine Bewegungen an den Rändern der detektierten Spannung. Wenn sie aufgelöst sind, wird die WS vom Becken aus wie ein dicker Strick gerade zum Boden herunterhängen. Der Kopf kommt dabei den Füßen sehr nahe und je nach Körperbau stehen dann die Hände komplett hinter oder neben den Füßen auf dem Boden mit ausgebreiteter Hand.

Nach diesem Ausflug in die kleinteiligen Details einer Asana (Haltung) komme ich zurück zum Yoga im Allgemeinen. Jede Asana hat genau betrachtet wie die VWB eine große Anzahl von Motiven, Einrichtungen, Korrekturen und Intensionen, die für ein wirkungsvolles Yoga in die Haltung einfließen können und sollen. Wie bereits angemerkt, ist das Lösen überflüssiger und schädlicher Spannung das Hauptmotiv in der Arbeit mit Asana. Genau betrachtet haben wir also beim Einnehmen einer Asana drei Stufen zu bewältigen. Diese sind:

  • Die Bewegung in die Grundpose hinein, welche durchaus einige spezielle Bewegungen erfordern kann, wie in der VWB gezeigt (Bauch zurücknehmen).
  • Die Korrektur der eingenommenen Pose mit dem Wissen, über das wir bereits durch Erfahrung oder Korrektur durch einen Lehrer verfügen.
  • Das Verweilen und Lösen des überflüssigen Ballastes.
  • Das Verweilen in der Stille (Bewegung, Atem und Gedanken).

Weiter oben hatte ich Übungen erwähnt, mit der in der Orthopädie eine Beweglichkeitsprüfung durchgeführt werden kann. Aufgezählt sind hier aber nur Übungen, die jeder für sich allein und ohne Hilfe von Therapeuten und Gerätschaften durchführen kann. Ich persönlich halte diese Vorbedingung für verbindlich, wenn auch für Übende im Alter von 60+ durchaus leichte Abstriche gemacht werden sollten. Und ich muss zusätzlich für meinen Yoga-Unterricht erwähnen, das sich ohne diese Normalbeweglichkeit Yoga nur sehr eingeschränkt üben lässt. Ich betrachte also meinen Unterricht bei Einsteigern und Neuzugängen zunächst einmal unter dem Aspekt, ob Normalität vorliegt oder erst zurückgewonnen werden muss und gehe dann erst in die energetischen Feinheiten, wenn die Voraussetzungen dafür zumindest annähernd erreicht sind.

Die Übung sind:

  1. Nackenmuskulatur
    Kopfbeuge nach vorne: Der Kopf kann mit den Händen soweit nach vorne geführt werden, das die Kinnspitze das Brustbein erreicht.
  2. Lendenbereich und Kniebeuger
    Die sitzende VWB: Bei gestreckten Beinen können die Zehen mit den Langfingergrundgelenken erreicht werden.
  3. Lendenwirbelsäule und Archillessehne Die sitzende Hocke kann eingenommen werden mit vollem Bodenkontakt beider Füße.
  4. Beugeseitige Schultermuskulatur
    Die Langfinger beider Hände können sich hinter den Rücken berühren, wenn ein Arm von unten und der andere über die Schulter hinter den Rücken geführt werden.
  5. Oberschenkelstrecker
    Im einbeinigen Stand, gebeugtem Knie und der Berührung der Ferse zum Gesäß sollten beide Knie direkt nebeneinander stehen können.
  6. Hüftbeuger
    In der Bauchlage kann der Oberschenkel eines Beines vom Boden angehoben werden. Bei Hilfestellung durch einen Partner solle das Knie locker eine Handbreit Abstand zum Boden erhalten.



Kommen wir jetzt zu einigen Grundsätzen, mit denen Yoga in der Regel arbeitet.

  1. Da ist zunächst einmal der zeitliche Ablauf oder die Art und Weise, wie man an die Grenze seiner Beweglichkeit herangeht. Um den Schutzmechanismus (Antistreckreflex) eines zu öffnenden Muskels zu umgehen, gehen wir stets langsam, ruhig und hochkonzentriert an die Haltung heran. Das heißt im Besonderen, das übertriebene Kraftanstrengungen (z.B: Mit den Händen in die VWB ziehen), Schleuderbewegungen (z.B.: Heftiges und schnelles Armkreisen), Wippbewegungen (z.B.: Schmetterling mit Wippen der Beine) und Ausweichmöglichkeiten zu nutzen (z.B.: Bei Rückbeugen nur den unteren Rücken zu beugen) nicht den Vorgaben für Yoga folgen und daher vermieden werden müssen.
  2. Ein weiteres Motiv ist darin gegeben, das wir stets an der Grenze unserer Beweglichkeit arbeiten. Das ist dort, wo sich eine spürbare Streckung bereits deutlich wahrnehmen lässt, aber die Grenze zum Schmerz noch nicht angekratzt ist. Durch die Wahrnehmung des Zuges auf Muskeln, Sehnen und Bänder lernen wir nicht nur unseren Körper kennen, sondern sorgen auch dafür, das der Körper reagiert und mehr Bewegungsraum zur Verfügung stellt. Weiterhin werden die Muskeln dazu befähigt mehr Energie aufzunehmen, zu tragen und zu verarbeiten, was durch größere Beweglichkeit, mehr Kraft und Ausdauer belohnt wird. Die höhere Beweglichkeit vermeidet oder lindert Krankheiten wie Rheuma, Arteriosklerose und die Ablagerung von Kalk (z.B.: Kalkschulter). Kraft und Ausdauer sprechen eigentlich für sich. Sie sorgen medizinisch gesehen für einen ausgewogenen Blutdruck, entlasten das Herz und erhöhen die Leistung beim Gehen und/oder Treppensteigen.
  3. Während die erstgenannten Motive für den Breitensport und ein durchaus fortgeschrittenes Alter der Teilnehmer gelten sollten, sind für geübte und trainierte Sportler und jüngere Menschen durchaus weiterführende Möglichkeiten, in Yoga zu arbeiten, gegeben. Hier bilden aber die Anforderungen des ausgeübten Sportarten sowie der Allgemeinzustand des Übenden sind dann die Ausgangslage für Erläuterungen. Diese sind vielfältig und müssen einzeln, besser gesagt individuelll abgestimmt werden. Eine junge Turnerin sollte hier anders eingestellt werden als zum Beispiel ein Tennisspieler oder eine Fußballerin. Von daher gehe ich hier an dieser Stelle nicht weiter in Details.

Die vorangestellten Seiten und Erläuterungen sind nur ein winzig kleiner Teil, der bei eine intensiven Nutzung von Yoga von Bedeutung ist. Sie dienen dazu, die immer selben Erläuterungen innerhalb der Übungsstunden zu vermeiden und so Raum zu schaffen für weitere nützliche Tips und Tricks. Das gesamte Kompendium, das über Yoga gesagt werden könnte, füllt mehrere Bücher. Stück für Stück wird das alles, wenn die Zeit reif ist, in den Yoga-Unterricht einfließen.

Der vorliegende Artikel beschreibt die grundlegenden Anforderungen, die ein Neueinsteiger beim Besuch einer Yoga-Übungsstunde berücksichtigen sollte. Nicht immer kann der Übungsleiter oder Lehrer diese allgemeinen Motive erläutern, da in Gruppen sonst sehr viel Zeit mit diesen grundlegenden Fragen verbracht werden müsste.

Ich wünsche allen Übenden viel Spaß und ein gutes und erfolgreiches Gelingen ihrer Yogapraxis!




Wir brauchen eine andere Weltsicht für den Gebrauch von Yoga

Wann immer wir uns, ob das mit einer uns fremden Religion, einer uns fremden Technik, Weltsicht oder Sichtweise auf das Leben zu tun bekommen, sollten oder müssen wir uns sogar darüber klar zu werden versuchen, wo wir eigentlich selbst in dieser Frage stehen.



Wenn wir uns zum Beispiel mit Yoga beschäftigen und uns mit den Hintergründen der Techniken, Konzentrationen und Meditationen beschäftigen, treten wir ein in eine uns fremde Denkweise, die für uns, das ist meine Ansicht, erst erschlossen werden kann, wenn wir unseren eigenen Standort kennen oder zumindest als Umriss zu erkennen in der Lage sind. Ein entsprechendes Bild werden wir vorfinden, wenn wir uns, in der westlichen Denkweise verhaftet, mit Zen, Vipassana, TCM oder Thai-Techniken beschäftigen und in deren Grundlagen einzudringen versuchen. Ich möchte daher hier einmal kurz versuchen, den typisch westlichen Standort zu umreißen.

Alle indo-europäischen Sprachen und Kulturen, zu denen wir in Europa gehören, besitzen ein für diese Gruppe an Sichtweisen eine ganz typische Struktur. Beginnend damit, das hier immer auf ein transzendentales Wesen (Gott) ausgerichtet gedacht wird, nimmt die Basisbewegung dieses Denkens zumeist eine Form an, in der die Wirkung einer Ursache folgt. Wir nennen das Kausalität. Eine weitere sehr wesentliche Grundlage indo-europäischen Denkens sind die logischen Grundsätze, die von Aristoteles sehr detailliert ausgearbeitet wurden und die bis heute unsere Denken bestimmen. Einer der wesentlichsten Sätze dabei ist die Feststellung, das Sein und Nicht-Sein nicht gleichzeitig eine Sache begründen können. Gerne wird bei dieser Sicht schon übersehen, das Sein und Nicht-Sein selbst bereits Setzungen sind, das heißt somit, aus meiner Sicht, das Setzungen mit Setzungen festgelegt werden sollen. Die Wissenschaften, die sich mit den daraus resultieren Problemen beschäftigen, die zu einer Formulierung derartiger Grundsetzungen führen, nennen wir Philosophie, die Liebe zur Weisheit, und die Fachrichtung innerhalb der Philosophie dabei nennt sich Ontologie, die Wissenschaft vom Sein.

Neben den indo-europäischen Denkweisen gibt es viele andere Varianten einer Grundlegung für das Denken. Verbreitet sind diese bei vielen Naturvölkern, wie den indianischen Völkern auf dem amerikanischen Kontinent oder den Aborigines in Australien. Eine weitere für uns sehr wichtige Sichtweise finden wir in einer großen Kulturnation, China, namentlich Taoismus genannt und den auf dieser Tradition aufbauenden Formen wie den Konfuzianismus und Chan. Der in der chinesischen Kultur auftretende Taoismus, mit dem ich mich erst später im folgenden Text etwas näher beschäftige, besetzt eine ganz andere Grundhaltung des Denkens. Allerdings müssen wir, um diese zu verstehen, uns in das klassische China zurückversetzen, da die relevanten Texte dieses Taoismus in der klassischen chinesischen Schrift überliefert sind, die sehr viele heute übliche und durch die Europäer ins Chinesische eingebrachte Sprachwendungen nicht kannte. So gibt es in der klassischen chinesischen Schrift keine Verben, es gibt kein Sein und keine seiner Abwandlungen, und es gibt kein Ich, zumindest nicht so, wie es in Europa gewöhnlich verwendet wird. Daher sind die klassischen Schriften wie das Daodejing, das Iging oder der Zwuangzi sehr schwer in eine europäische Sprache zu übersetzen. Weiterhin kennt diese Schrift und die ihr zugrunde liegende Denkweise keine Transzendenz, kennt keinen Gott und verwendet keine Kausalität. Die Denkweise ist also dezidiert Immanenz-Sichtig, verwendet kein Selbst und Sein als Bodensatz, ist rein prozessorientiert, kennt aber, und das macht es für uns interessant, als Verfahren die Dauer, die Neigung und die Wandlung und ist auch in der Lage, diese zu beschreiben. Vielleicht soviel zunächst einmal als Hintergrund.

Wenden wir uns jetzt, nach diesem winzig kleinen Ausflug in die Geisteswissenschaften, den Sichtweisen zu, die erforderlich sind, um zum Beispiel mit Yoga zu arbeiten. Yoga ist so aufgebaut, das es der Gesunderhaltung des Körpers und des Geistes dient. Dazu werden Übungen und Praktiken geübt und ausgeführt, die zu Prävention und Heilung dienlich sind. Auch Ayurveda, die indische Medizin, dient in diesem Sinne, wobei die Ernährung und die bekannten Anwendungen eine große Rolle spielen. Das große Prinzip des Yoga-Übens und Yoga-Sich-Verhaltens ist Vorbeugen, ist Prävention. Wir merken das, wenn wir Yoga-Übende beobachten, sehr schnell, denn der gesunde, entspannte und unverbrauchte Mensch wird mit den meisten Übungen schnell und gut zurecht kommen. Gut, in Europa sind entspannte und unverbrauchte Menschen schwer zu finden. Daher wird zunächst bei den Einführungen von Yoga auch auf Entspannung und Erholung sehr großen Wert gelegt. Leider muss aber trotzdem immer darauf hingewiesen werden, das unsere hier in Europa übliche Lebensweise nicht viel zu Entspannung und gesundem Sein beisteuern kann. Hektik, Zeitmangel, Anspruchsdenken und Stress sind mittlerweile allgegenwärtig. Und ein weiteres Manko kommt einer schnellen Einführung ins Yoga, zu dem auch die Meditation gehört, meiner Ansicht nach hinzu. Die Motive wurden bereits weiter oben genannt. Es sind zu nennen das Prinzip Kausalität, das typisch europäische Anspruchsdenken sowie das Fehlen der Prinzipien eines Prozess-Verständnisses, das mit den Begriffen Wandlung, Neigung und Dauer gut beschrieben werden kann. Denn, Heilung und Gesunderhaltung sind immer Prozess.



Beginnen wir mit dem Anspruchsdenken. Sehr oft sehe ich Menschen in den Yoga-Unterricht kommen, die sich aus den bereits benannten Gründen verspannt, verletzt oder schon geschädigt haben. Ihr Ziel ist, den Körper durch die Übungen zu reparieren, um dann ihr gewohntes Verhalten wieder aufnehmen und fortführen zu können. Das Wundern ist dann aber groß, wenn sie feststellen, das selbst nach gelungener „Reparatur“ die alten Störungen schon bald wieder auftreten und sogar noch stärker sich ausbilden als zuvor. Das nenne ich Anspruchsdenken, denn das ist in etwa so, als wenn ich ein Auto nach Grabenfahrt und Reparatur wieder in den selben Graben steuere und erwarte, also den Anspruch habe, das dieses Mal keine Reparatur erforderlich sein wird. Vielmehr wäre hier und da eine Änderung in der Lebensplanung anzugehen, um weitere Erkrankungen zu verhindern.

Gehen wir zügig zum nächsten Punkten, dem Fehlen des Prozess-Verständnisses. Nach der zuletzt genannten „Reparatur“ wäre es angesagt gewesen, die Übungen in vollem Umfang weiterzuführen, um zumindest in Zukunft größere Schädigungen zu meiden, wenn ich schon weiter mache wie zuvor, ich also meinen Anspruch nicht aufgeben kann. Eine einmal aufgetretene Störung, die durch Stress oder Überforderung verursacht wurde, wird immer in der Form eines Prozesses hervorgebracht, der sozusagen ein Muster generiert. Dieses Muster wird dauerhaft gespeichert und kann jederzeit bei gleichen oder ähnlichen Belastungen wieder aufgerufen werden. Daher müssen, zumindest für eine gewisse Zeit, die befreienden Übungen fortgesetzt werden, selbst wenn eine Genesung bereits eingetreten ist. Mit einfachen Worten ausgedrückt: Reparatur abgeschlossen, Yoga beendet? Das geht so ohne weiteres nicht. Um eine Wandlung herbeizuführen, die von Dauer geprägt ist, müssen diese falschen Muster sozusagen „überschrieben“ werden. Diese Veränderung braucht viele Wiederholungen, viele zielführende Impulse und somit einen langen Atem. Ich selbst würde den Zeitraum für diesen Prozess in Jahren ausdrücken.

Und kommen wir zu letzten Punkt in der oben aufgeführten Liste, der Kausalität. Für das Üben von Yoga würde das bedeuten, das ich immer fragen müsste, wozu eine Übung denn eigentlich gut sei. Nun betrachte ich zumindest das Yoga als ein Übungssystem, wobei die verschiedenen Übungen sich ergänzen, sich begründen oder sich gegenseitig fördern können. Selbstverständlich können bestimmte Übungen bestimmte Reaktionen hervorrufen. Aber eine Ursache/Übung hat eine Wirkung? So einfach ist es selten, auch wenn unsere Mediziner das anscheinend immerzu anzunehmen pflegen. Auch viele Ursachen können nur eine Wirkung haben, oder eine Ursache kann viele Wirkungen hervorrufen, oder viele Ursachen führen zu vielen Wirkungen? Was von alledem ist richtig? Und auch aus dem Blickwinkel einer bestehenden Störung ist die Forschung nach der Ursache doch mit der gleichen Problematik behaftet. Eine Yoga-Therapie ist immer mit dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ verbunden. Welche Übung hilft? Welche mögliche Ursache muss beseitigt werden? Welche Kombination führt auf den Weg zur Heilung? Das sind die Fragen, die zu beantworten sind. Grundsätzlich gilt, was zur Heilung/Gesundheit beiträgt, ist gut und sinnvoll. Und diese Fragen können nur durch „Ausprobieren“ beantwortet werden. Das heißt auch, das manch falscher Schritt korrigiert werden muss, manch sinnvoller Schritt ständig zu wiederholen ist und eventuell auch hier und da Anpassungen notwendig werden können.

Viel sinnvoller für das Erhalten von Gesundheit mit Yoga ist der Ansatz, bereit zu gesunden Zeiten mit den Yoga-Übungen zu beginnen. Zunächst einmal werden so bereits Impulse in eine gute Richtung gesetzt, bevor überhaupt Störungen auftreten. Und sollten dann wirklich mal Störungen auftreten, sind die Übungen, die zur Reparatur beitragen können, bereits eingeübt und als Muster verfügbar, nur ist dieses Muster jetzt förderlich und nicht mehr schädigend. Und dann gibt es einen sehr großen Vorteil gegenüber den oben genannten Reparaturen: Gesund Yoga zu üben macht Spaß und ist extrem entspannend. Und Yoga zu üben ist sparsam: Man braucht nur eine Matte und etwas Zeit.



Kommen wir jetzt zu einer Sichtweise, einer Weltsicht, die in der Lage ist, die nachfolgenden Sichtweisen zu vereinen und diese auch in der Gesamtsicht zu verstehen. Für einen Heilungs-Prozess ist dieses Verstehen elementar. Ich beschreibe hierfür zunächst einmal das abrahamitisch geprägte westliche Weltverständnis, das in meinen Augen das Verstehen von Yoga erschwert und das alle darauf gründenden Religionen umfasst: Christentum, Judentum, Islam. Auch unsere Wissenschaften sind leider diesem Denken verhaftet. Ähnlich, aber im Detail anders begründet und mit einer etwas anders laufenden Dialektik versehen sind die hinduistischen Anschauungen. Alle Genannten gründen auf Kausalität. Dieses Prinzip ist für die Wissenschaften und deren Entwicklung besonders wertvoll, zeigt aber auch massive Schwächen wie zum Beispiel bei Einsatz in hoch komplexen Systemen. Nun ist der Mensch und seine Art zu funktionieren, zu denken, das komplexeste System, das wir Menschen selbst kennen. Hier also kausal an die Problematik heran zu gehen, wäre also nicht ratsam. Der Taoismus, den ich bereits erwähnt habe, bietet für das Denken eine Alternative zur Kausalität. Wir beschreiben diese mit den Worten Wandlung, Dauer, Neigung und Prozess. Wenn ich also Kausalitäts-Denken für den Heilungs- oder Gesundheitsprozess eines Menschen nicht verwenden möchte, ich also nicht bevorzugt nach der Ursache, sondern der Möglichkeiten zur Heilung suche und fahnde, bieten sich diese Begriffe sehr schnell an. Es ist in diesem Denken gar nicht wichtig, aus welcher Ursache heraus etwas ist, wie es ist. Sondern wir befinden und immerzu in einem Prozess (des Lebens), und um zu einer Heilung zu kommen, müssen wir Krank-Machendes durch Heilsames ersetzen, müssen wir uns selbst wandeln, müssen dann dieses Heilsame mit Dauer (dauerhaft) einbringen und einüben und somit dem Prozess, in dem wir uns immerzu befinden, eine andere, bessere Neigung zu geben. Das bedeutet, das wir mit Yoga zum Beispiel, das, wie oben bereits gesehen, ein komplexes Übungssystem ist, breitgefächert Üben oder aber uns der langjährigen Erfahrung eines Lehrers bedienen, um in einer bestimmten Zeitspanne ganz gezielt an Motiven arbeiten. Trotzdem wird auch unter einem Lehrer später ein breitgefächertes Üben notwendig sein, um dem System gerecht zu werden.

Langer Rede, kurzer Sinn:
Wenn wir Yoga verstehen wollen und uns des Yoga zur Prävention oder Heilung bedienen, müssen wir unser Kausalitäts-Denken zur Seite legen und uns dauerhaft eines Prozess-Denkens bedienen. Der bei uns übliche „Mach-mich-wieder-Ganz-Gedanke“ ist hier vollkommen unsinnig. Unser Körper ist kein Besitz, kein Auto, keine Maschine, die repariert werden kann. Er ist Ich und Welt! Er ist genau gesagt eine Einheit aus Körper, Geist und Welt. Ich werde bei den Erklärungen zum Yoga immerzu mit der Problematik konfrontiert, die mit dem oben beschriebenen Anspruchs- und Kausalitätsdenken direkt zu tun haben. Diese verhindern oftmals die Wirkungen des Yoga-Systems durch eine falsche Herangehensweise. Meine vordringliche Aufgabe als Yoga-Lehrer ist daher, diese Gedankenwelt zu durchbrechen und auf andere Bahnen zu führen. Denn mit einem falschem Denken ist Yoga weder zu verstehen noch zu gebrauchen.




Padmasana und Meditation (Sitzen im Lotussitz)

Um Padmasana, das Sitzen im vollen Lotussitz, ranken sich viele Geschichten und Beschreibungen. Diese gehen von „für einen Europäer fast unmöglich“ bis zu „in wenigen Wochen erlernbar“. Viele Meditierende möchten gerne diese Sitzhaltung für ihr Zazen / Sitzen in Meditation nutzen, jedoch scheitern viele dabei, da sie entweder zu wenig über diese Asana wissen, diese mit unzureichenden Vorübungen oder gar mit Gewalt zu erreichen suchen und/oder einige Anpreisungen oder Beschreibungen nicht oder nur ungenügend verstehen. Ich habe mich daher entschlossen, ein wenig Licht ins Dunkel dieser Asana zu bringen.

Der komplette Artikel steht auf Parimoksa, meiner Seite für Themen der Meditation. Über ” mehr ” wird diese Seite geöffnet.

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Gelingende spirituelle Praxis – Unterricht vs. Übungsstunde

Wir erleben gerade jetzt in den Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens und der Schließungen von Studios und Praxen, wie wichtig es ist, das spirituelle Praktiken wie Yoga und Meditation in ihren vielfältigen Formen nicht nur unter gruppendynamischen Voraussetzungen praktiziert werden können, sondern das jeder Einzelne in seiner ganzen Individualität in der Lage sein muss, für sich und zu Hause zu üben. Dazu wäre es notwendig, die Praxis der Spiritualität nicht nur als Übungsstunden in Studios anzubieten, sondern diese wunderbaren Erkenntnisse der Meister der Vergangenheit immer auch zu unterrichten und dafür Sorge zu tragen, das wirklich jeder zu jeder Zeit seinen spirituellen Sehnsüchten nachgehen kann. Vielleicht bestätigt die Pandemie-Zeit, die wir gerade erleben, diese meine Ansicht.



Unterrichten heißt konkret, nicht nur die oberflächliche Praxis weiterzugeben, also Übungsstunden anzubieten, sondern auch über Hintergründe, über Methoden, über Aufbau und Abfolgen und die Möglichkeiten, Informationen zu recherchieren und Erkenntnisse zu schöpfen gesprochen werden muss. Wie baut sich zum Beispiel eine Übungspraxis im Yoga auf, worauf ist bei Zusammenstellungen von Übungsreihen für die eigene Praxis zu Hause zu achten und wie kann ich mich selbst dazu motivieren, um, wie beim Beispiel Yoga, auf die Matte zu gehen, oder beim Beispiel Meditation sich aus sein Kissen zu setzen und zu üben. Und gerade diese Informationen müssen nicht nur in Lehrer(innen)-Ausbildungen, sondern auch und ganz besonders und von Anfang an in der ganzen Breite der Teilnehmer(innen) gestreut werden. Das erfordert Aufwand, Geduld und großen Einsatz in der Ausbildung von Lehrer(inne)n, erfordert Geduld und Einsatz im alltäglichen Unterricht von den Lehrer(inne)n und viel Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft einschließlich Geduld, besonders wegen häufiger Wiederholungen des Stoffes, bei den Übenden. Und vielleicht ist es eine Überlegung wert, sich einmal Gedanken zu machen über die Grundlagen, die wir mitbringen müssen, um überhaupt eine spirituelle Praxis beginnen zu können. In meiner Beobachtung sind viele seltsame Vorstellungen, Erwartungen und Einstellungen zu diesen Themen in der Breite der übenden Menschen zu verzeichnen, die sich, etwas kabarettistisch ausgedrückt, auch oftmals aus wissenschaftlicher Sichtweise in Phantasie- und Märchenwelten bewegen und die in ihren Aussagen durch nichts zu belegen sind. Das macht sie aber nicht deshalb allein schon falsch. Jede Ansicht, auch wenn sie den Wissenschaften, den Traditionen und den allgemein als anerkannt geltenden Möglichkeiten widersprechen, sind ernst zu nehmende Wirklichkeiten eines Menschen.



Weiterhin werden im Grunde in üblichen Übungsstunden nur die Vorzüge und ganz tollen Ziele und Möglichkeiten einer Praxis betont, selten aber wird vor den Gefahren und den unvermeidlichen Folgeerscheinungen gewarnt, die eine Praxis immer, und das nicht nur bei falscher körperlichen Anwendung, heraufbeschwören kann. Jede Körperarbeit birgt auch Gefahren, jede Vorstellungswelt beeinflusst das alltägliche Leben und jeder neu geweckte Wunsch nach Verbesserung, Bewusstseinsweitung, Optimierung oder Spezialisierung der persönlichen Möglichkeiten birgt Konsequenzen. Und jede Konsequenz verändert das alltägliche Leben.

  • Nahezu jeder Mensch unserer Gesellschaft lebt in einer Beziehungsstruktur, hat Freunde, Verwandte, Kollegen, Nachbarn und Tätigkeitskreise privater Natur, die stets ihre Sicherheit dadurch erhalten, ihre Mitglieder in gewohnter Weise zu erleben. Verändert sich Verhalten und/oder Ansichten eines Mitglieds, steht dessen Teilhabe an den gewohnten Strukturen in Frage. Besonders dann, wenn die spirituelle Praxis greift und mehr und mehr nicht nur als Ausgleichssport betrachtet wird, sind Auswirkungen auf das private Umfeld unabwendbar.
  • Körperliche Übung jeder Prägung verändern die Struktur und das Verhaltensmuster unserer Körper, verändern die Art und Weise des Fühlens und Erlebens. Außerdem verändern sie ebenfalls die Struktur unserer physischen Hülle. So wird beim Yoga die Muskulatur weicher, die Bewegungsmöglichkeiten weiten sich, oftmals auch ungewollt, und stellen damit ganz andere Anforderungen an die Belastungen des Lebens. Mit weicher Muskulatur und hoch-beweglichen Gelenken muss einfach anders umgegangen werden. Sie brauchen zur Sicherung der Stabilität andere Trainingsinhalte und hier und da natürlich auch Schutz vor übergroßer Belastung. Besonders die Saisonsportarten wie Skifahren sind hier ohne ausreichendes Vorbereitungstraining in der Ausübung problembehaftet.
  • Weiterhin seien hier Praktiken wie die Meditation oder das Pranayama angesprochen, die die Sensibilität und Wahrnehmung des Übenden deutlich erweitern können. Man muss dabei wissen, das dieses eben nicht nur in der Richtung „positiv“ stattfindet, sondern das dieses immer für das ganze Spektrum gilt. Auch als negativ geltende Wahrnehmungsmöglichkeiten werden erweitert und nicht jedem Menschen gefällt das auf Anhieb. Die beiden genannten Praktiken verändern aber nicht nur die Wahrnehmung des Übenden, sondern dieser wird in der Folge auch von seiner Umgebung anders wahrgenommen. Auch das muss man mögen und verarbeiten, und manchmal habe ich den Eindruck, das viele darauf einfach schlecht vorbereitet sind.

Es sei noch einmal angemerkt, das ich hier in diesem Artikel nicht von den Übenden spreche, die spirituell wirksame Übungen wie Yoga als Ausgleich für Berufsbelastungen, als Vorbeugung vor Krankheiten oder als Gesundheitspflege praktizieren. Ich spreche vielmehr von den Übenden, die gepackt werden von der Sehnsucht nach Veränderung des eigenen Seins, sei es die gefühlte eigene Rolle in der Gesellschaft, sei es die eigene Wahrnehmung oder auch die erlebte Wahrnehmung durch andere [1. Ich zum Beispiel war, solange ich zurückdenken kann, d.h. schon in der Familie, in der Schule, im Beruf und hier und da auch bei Freizeitaktivitäten, Mobbing-Aktivitäten anderer ausgesetzt und habe mich daher zu einem Einzelgänger entwickelt, was weitere Probleme mit sich brachte, da unsere Gesellschaft das Einsiedeln generell skeptisch betrachtet. Um zurückzufinden bzw. die größten Problemfelder meines Lebens zu begrenzen, habe ich mit Karate-Do, Yoga und wenig später mit einer Meditationspraxis begonnen. Heute bin ich zwar gefühlt immer noch Einsiedler, aber ich habe durch diese Praxen gelernt, mich relativ problemlos in sozialen Umfeldern zu bewegen, zumindest, ohne groß anzuecken oder aufzufallen.].

Woran arbeitet eine spirituelle Praxis eigentlich? Was sind dabei Zielvorstellungen und wie sind diese zu erreichen? Was an den Beschreibungen ist Mythos und was ist erreichbar? Und welche Voraussetzungen muss ich mitbringen, damit eine Praxis dieser Art gelingen kann? Das sind die Fragen und Felder, die einer Antwort bedürfen.



Was den Menschen auszeichnet und vor vielen anderen Lebensformen unterscheidet, ist seine Neigung, Beziehungen aufzubauen und so mit anderen zusammen zu arbeiten, das sich auch große Aufgaben bewältigen lassen. Wir haben heute in der Menschenwelt eine hoch differenzierte Arbeitsteilung, so das nahezu jeder hochspezialisierte Leistungen zu erbringen vermag. Diese werden dann allen anderen zur Verfügung gestellt, so das schlecht erfüllte Aufgaben wie die Herstellung von Waren oder die mangelhafte Bereitschaft zu Dienstleistungen nur selten in Erscheinung tritt. Wie jeder nachvollziehen kann, beschreibt dieses einen Idealzustand. Aber auf diese Weise hat der Mensch tatsächlich seine Vorherrschaft und seine Räume in der Welt geschaffen und diese gegenüber anderen Lebensformen dauerhaft verteidigt. Allerdings befeuern die Systeme und Einrichtungen, die dafür notwendigerweise geschaffen wurden, auch große Verwerfungen innerhalb der Menschenwelt. Genannt seien Armut und Reichtum, Macht, Ohnmacht und Krieg, Krankheit, Schwäche und Siechtum sowie die allgegenwärtige Angst, innerhalb der Menschenorganisationen durch den Rost zu fallen, sprich allein zu sein und keine Hilfe bzw. Teilhabe durch andere mehr zu erhalten. Was wir heute als vordringliche Beschränkung des Menschen in westlichen Gesellschaften erkennen können, ist, das Angst mehr und mehr einem Grundmotiv des Denkens wird. Die Angst vor den Paketen Krankheit, Armut, Ohnmacht und dem Alleinsein sind die Grundängste, die dann zu Gier, Hass und Verblendung [5. Wie das z.B. in der buddhistischen Terminologie genannt wird.] führen. Diese werden, um aktiv sein und wirken zu können, stets begleitet von einer gehörigen Portion Nichtwissen, den sich daran anschließenden Irrtümern und somit von einer falscher Selbsteinschätzung. Und genau hier setzt jede spirituelle Arbeit zunächst einmal an. Die richtige Einschätzung der Stärke seines Körpers, Erkenntnisse über dessen Funktion und Möglichkeiten sind ein Grundpfeiler jeder spirituellen Arbeit. Ein weiterer Grundpfeiler ist im Erkennen seines Nichtwissens angelegt, das in seiner Folge ja die vielen Irrtümer erst möglich macht und die dann zu zusätzlichen Problemen des Lebens führen. Jede spirituelle Arbeit beginnt daher damit, eine richtige Selbsteinschätzung zu generieren. Ein weiteres Feld sind Erkenntnisse über die vielfältigen Konzepte und Konventionen, die dem Einzelnen vorschreiben, wie und in welcher Form er zu leben habe und die häufig einer spirituellen Öffnung im Wege stehen. Aber auch jede spirituelle Tradition schreibt eine spezielle Form vor, in der das „richtige“ Denken sich einzufinden habe, um dabei sein zu können/dürfen. Das ist zeitweise notwendig und wichtig, darf aber nicht zu einem neuen Dogma gerinnen. Dann wäre es keine Öffnung mehr, sondern nur ein Wechsel in eine andere Anschauung. Und dann seien noch die vielen Gruppendynamiken erwähnt, die gerne dazu führen, das der Einzelne eben nur noch genau das macht und für möglich hält, was seine Freunde, Mitstreiter und was alle anderen, durch die Medien dargestellt, auch machen.

Eine Selbsteinschätzung und/oder eine eigenständige Entscheidung, die zu einem spirituell wirksamen Weg führt, kann aber nicht in Wort, Schrift, Bild oder Film weitergegeben werden. Man erkennt das daran, das viele Bücher von vielen Menschen gelesen werden, aber nur wenig des Inhalts jemals umgesetzt haben. Das ist in der Arbeit mit Büchern menschlich und durchaus normal. Ganz anders ist die Arbeit mit kompetenten Lehrern. Sie erfolgt hier fast ausschließlich aus der Zwiesprache zwischen Lehrer und Schüler und über den Umweg von „Erfahrungen machen können“. Der Lehrer hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen und Übungen zu schaffen, diese auszuwählen, diese so zusammenzustellen, das sie einem Schüler die Möglichkeit geben, Erfahrungen zu machen, dieser also etwas bemerkt, erkennt, realisiert, was ihn direkt angeht. Aus dieses Erfahrungen heraus generieren Körper und Geist das Wissen, das dann zu einer anderen Selbsteinschätzung führt. Es sind also Erfahrungen, die das Rad der Veränderungen in Gang setzen. Und wer jemals einem Kind beim „Laufen lernen“ zugesehen hat, versteht, was ich hier auszudrücken versuche. Sind erste Erfahrungen eingetreten, wirken diese als Motiv für das Weitermachen. Das Rad dreht sich weiter und weiter. Neugierde, wie weit das noch gehen kann, sich das noch öffnen wird, kommt bald hinzu und lässt das Rad sich immer weiter und weiter drehen.

Dieses Rad setzt die spirituelle Entwicklung in Gang, körperlich, mental und geistig. Sie wird oftmals als Sehnsucht ausgedrückt, Sehnsucht nach einer Veränderung meines Seins, welche sich in Ruhe, Gewissheit, Mut und Gelassenheit ausdrückt und als innerer Frieden wahrgenommen werden kann. Die Angst weicht dann der mutigen Gelassenheit, der Aufschrei verhallt in der Stille, und vieles von dem, was ein Leben erstickt hat, weicht vor der Freude am Leben zurück, die im Raum von Stille und Gelassenheit langsam aber stetig sich immer weiter ausbreitet. Und plötzlich hat sich das Leben gewandelt, die frühere Selbsteinschätzung verliert ihre Wichtigkeit, denn allem voran bestimmt jetzt die Freude am eigenen Sein die Abläufe des Tages. Widerstände werden aufgeben, die Ansichten anderer sind und bleiben zwar wichtig, berühren aber mein Sein innerlich nur wenig. Ich stehe dann fest und sicher auf dem Boden des Lebens, spüre Freude und Stille in mir und bin begeistert angesichts der wiederentdeckten Buntheit der Welt. Ich habe mein Leben zurück gewonnen.



Kommen wir nach diesem kleinen Ausflug zurück zur Praxis. Wir müssen als erstes einmal uns über Motivation und die Hintergründe unseres spirituellen Übens klar werden. Dazu kommt dann die Selbsteinschätzung, von der ich oben bereits gesprochen habe, die uns bewusst sein muss, um überhaupt Veränderungen zu bewirken und diese dann auch erkennen zu können. Dann muss ich mir, um zu verstehen, Einblick und Zugang in die Systematik der begonnenen Übungen erarbeiten, um zu begreifen, was ich da eigentlich tue, weil nur Verstehen Wissen erzeugt und mir das ein gewisses Maß an Sicherheit bietet. Wenn ich dann alles zusammenstelle, ich also weiß, warum und weshalb ich übe, wenn ich weiß, wie mein Üben wirkt und was es zu erreichen im Stande ist, kann ich mich auch selbst motivieren zu üben und bin erstmals in der Lage, einerseits für mich eine Entscheidung zu treffen, darauf folgend mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und dieses vielleicht sogar zum Positiven zu wenden, sei es bezüglich Gesundheit, Mut, Gewissheit oder Sicherheit. Wie geschieht das alles in der alltäglichen Praxis? Wie bereits angeführt, brauche ich von Zeit zu Zeit einen kompetenten Lehrer(in) als Gesprächspartner [4. Das kann auch ein(e) Freund(in) sein, der neben mir seine spirituelle Praxis übt, die gleichen Stunden besucht oder unter der gleichen oder einer vergleichbaren Tradition für sich arbeitet.], mit dem ich Zwiesprache halten kann und mir so hilft, zu verstehen. Dazu bedarf es eben nicht nur der Übung, sondern des Unterrichts oder zumindest eines Blickes von außen. Dieses wird mich in die Lage versetzen, eigenständig und ohne Aufforderung von Seiten einer Autorität [2. Diese kann auch Krankheit sein, Überlastung oder Stress…, weil mich auch diese unter Druck setzen können.] meine Übungen durchzuziehen. Ich empfehle dazu in etwa die nachfolgende Konfiguration. Wichtig ist es, täglich zu üben. Dazu genügt eine sinnvolle und meinen jeweiligen Anforderungen genügende Kurzübungspraxis von 10 bis 30 Minuten bei Körperübungen und/oder zwei Standardrunden [3. Standardrunden in der Meditation sind so viele Minuten lang, wie ich dies mir vorgenommen habe oder wie es mein Lehrer(in) mir empfiehlt. Das können 5 Minuten sein, aber auch die klassischen 25 oder sogar länger…] in der Meditation. Dann sollte ich mindestens einmal pro Woche bei den Körperübungen eine allgemeine Praxis durchführen, die alle Körperpartien arbeiten lässt und im Falle von Yoga mindestens 90 Minuten andauert. Entsprechend wären in der Meditation dann dreimal zwei Runden zu meistern. Und dann ist es notwendig , innerhalb von zwei bis vier Wochen einmal mit einem Lehrer(in) oder einem Freund zusammen zu arbeiten. [3. Das kann in Zeiten von Pandemien auch über Telefon, Skype oder Zoom erfolgen, wenn ein direktes Zusammentreffen nicht möglich ist.] Mit diesem(r) sollte ich meine Fragen besprechen, mir die Richtigkeit und Wirksamkeit meiner Praxis bestätigen lassen und er/sie gibt mir Ratschläge und Anregungen für mein weiteres Vorgehen. Und natürlich erhöht diese Bestätigung meine Motivation, auch in Zukunft weiter zu machen.

Sollten Sie also die Sehnsucht verspüren, ihre spirituelle Praxis auch in der Zeit einer Pandemie weiterzuführen, empfehle ich die oben beschriebene Vorgehensweise. Machen Sie eine kurze tägliche Praxis, nehmen Sie sich einmal in der Woche die Zeit, grundlegend zu üben und halten Sie den regelmäßigen Kontakt zu einem/ihrem Lehrer(in) aufrecht oder versuchen Sie, einen solchen aufzubauen. Stellen Sie sich und anderen Fragen, lesen sie nach, recherchieren Sie und versuchen Sie zu verstehen, was Sie da und wofür Sie das eigentlich tun wollen. Ihre Sehnsucht [4. Sehnsucht: inniges, schmerzliches Verlangen…] hat einen Grund. Sie bezeichnet eine Lücke, einen Mangel oder oft sogar eine Möglichkeit, die sich gerade offenbart und die Sie wahrnehmen sollten. Der Sehnsucht zu folgen und damit auf einem ihrem Inneren entsprechenden Weg zu sein macht Sie glücklich und zufrieden. Nutzen Sie die Chance, die sich gerade jetzt bietet, wo mögliche gesellschaftliche Ablenkungen auf ein Minimum geschrumpft sind!




Leben und Konsumieren

Für jeden Yogaübenden kommt irgendwann der Punkt des „Nicht mehr zurück Könnens“, oder auf neudeutsch ausgedrückt: „The point of no return“. Es ist wie ein langer Aufstieg an einem Berg. Irgendwann sind wir schon sehr weit oben und Nebel zieht auf, und um weiterzugehen, müssen wir nur einen weiteren Schritt tun, aber dieser Schritt geht ins Nichts. Dieses Nichts ist nicht Leere, Raumlosigkeit oder „da gibt es nichts mehr“, sondern dieses Nichts ist das Unbekannte, das, was nicht mehr voraussehbar ist. Und diesen Schritt weiterzugehen muss der Übende wollen, wirklich wollen. Da gibt es keinen Halt mehr, kein Sicherungsseil und kein Führer. Ab hier geht er allein auf unbekannten Wegen.

In diesem Punkt entscheidet sich, ob der Teilnehmer ein Übender ist oder ein Konsument. Der Übende kennt seine Aufgabe, und seine Übung ist immer und zu jeder Zeit. Er übt sich, ganz gleich, wo er sich gerade befindet oder was er gerade macht, in der Technik des Sich-Bewusstwerdens, was immer „ein Schritt ins Unbekannte bedeutet“, ein Schritt ohne Seil und Sicherung! Einige Möglichkeiten seien erwähnt:

  • Da gibt es im Laufe eines Tages zB die Morgenmeditation, die man aus diesem Gesichtswinkel als Einübung der Übung zur Bewusstwerdung betrachten kann.
  • Da gibt es die tägliche Hatha-Yogapraxis, also Asana und Pranayama, in der der Übende konsequent und zielgenau an seinen Schwächen arbeitet. Ist er sich seiner Schwächen bewusst, weiß er/sie, was in praktischer Art und Weise zu üben sich anschickt. Kein Lehrer und kein Buch kann dem wirklich Übenden diese Verantwortung abnehmen.
  • Da gibt es die Zeit der Kommunikation mit den Mitmenschen und ganz gleich, ob diese als Freund oder Feind sich darstellen, sich bewusst zu sein, welches Gefühl gerade mein Handeln trägt, welcher Gedanke hinter den Worten steht und welche Absicht meine Worte verfolgen: dies nennt man „sich bewusst zu sein“.
  • Da gibt es die Zeit der Arbeit, in der der Übende alles störende weitestgehend ausblendet und sich vollkommen konzentriert. Ist er/sie dabei sich seiner Konzentration bewusst, so wird er/sie in jedem Augenblick dieser Zeit mit einem geringen Anteil der Aufmerksamkeit im Allgemeinen verbleiben, denn Konzentration kann nur dann bewusst sein, wenn sie sich auf dem Nicht-Konzentrativen abbildet.
  • Dann gibt es die Zeit der Ruhe, in der eine Umkehrung der Zeit der Arbeit erfolgt. Ein sehr großer Teil der Teil der Aufmerksamkeit befindet sich im Allgemeinen, nicht fixierten, und nur wenig Energie wird aufgewendet, um das Andere wie Arbeit, Hobby oder Yogapraxis zu reflektieren.

 

Diese Beispiele mögen genügen. Der Übende des Yoga unterscheidet sich vom Konsumenten des Yoga auf sehr eindeutige Weise. Der Übende arbeitet beständig und selbstständig an seinem werden. Er nutzt den Lehrer, das Buch oder die Tradition, um zu wachsen, aber findet sich von diesen Hilfen gerade keine, dann arbeitet er allein aus sich selbst heraus. Dieses „aus sich selbst heraus arbeiten“ unterscheidet den Übenden vom Konsumenten. Es ist nicht die Kleidung, der Schmuck und das Getue um die Übung herum, es sind nicht die Lebensweisen und die Lebensphilosophien, nicht der Glaube oder die Lebensumstände, sondern dieses „aus sich heraus weiter gehen“, was den Übenden auszeichnet.




Bandhas

Während die traditionellen Schriften und Anschauungen ein Bandha als einen energetischen Verschluss beschreiben, durch den Energie im Körper festgehalten werden soll und überwiegend im Pranayama Anwendung findet, betrachte ich diese Motive mehr als Siegel und verwende sie auch in der Asana-Praxis. Für mich wirken Bandhas nicht wie Verschlüsse, sondern stellen vielmehr ein energetisches Siegel über Reglern dar, die den Energiefluss in einer vorgegebenen Weise aufrecht erhalten, auch wenn sich die Pose in und während der Übungsausführung und Haltung  sowohl im Bezug zur Schwerkraftausrichtung (prana-apana-Ausrichtung) als auch zum Anspannungspegel hin ändert. Dabei wirken die großen Drei grundsätzlich immer zusammen. Während in der Einrichtung einer Haltung gestaltet der Übende seinen Energiefluss meist durch angemessene Muskelanspannung nahezu automatisch in der Weise, wie die Übung dies erfordert. Soll nun die Haltung länger gehalten werden und Mühelosigkeit und Leichtigkeit entstehen, muss diese Anspannung aufgegeben werden. Damit der Energiefluss trotzdem erhalten werden kann, werden die Bandhas vor der Lösung der Anspannung in sinnvoller Weise gesetzt. Diese wirken dabei wie ein Siegel auf einem Regler, das keine Änderung der Einstellung zulässt. Gespeist werden die Bandhas von den Muskulatur-Anteilen, die ständig unter Anspannung stehen müssen. Dazu gehört der Beckenboden (mulabandha, gespeist vom Verschluss der Ausscheidungsorgane), der Unterbauch (uddiyanabandha, gespeist durch die autonome Anspannung am Ende der vollständigen Yogaatmung) und der Nacken (yalandharabandha, gespeist durch die ständige Ausrichtung des Kopfes als zentrale Spitze der Wirbelsäule). Weitere Bandhas (Sie werden im Yoga oftmals Marmas genannt) sind wirksam durch Einstellung der Hand- und Fußgelenke sowie durch Rotationsbewegungen von Beinen und Armen. Da jedes Pranayama und jede Meditation ebenfalls eine Haltung erfordern, ist die Verwendung von Bandhas bei diesen Praktiken gut verständlich. Allerdings richten nicht die Bandhas eine Übung ein, sondern selbiges erfolgt in der Einrichtungsphase durch Muskelkraft in eine energetische Öffnung, die nur durch ein Siegel, eben die Bandhas, festgelegt bleibt. Da die Bandhas immer zusammenwirken, genügt die Setzung eines dieser Siegel, um alle anderen ebenfalls zu aktivieren. Der Übende wählt dabei das Bandha als Initiation, dass in der Haltung am zugänglichsten ist und/oder leicht verfügbar erscheint.




Asana

Asana, richtig ausgeführt und gestaltet, ist ein vollständiges Trainingssystem, dass gerade in der modernen bewegungsarmen Arbeitswelt einen guten Ausgleich ermöglicht. Asana als Übungspraxis begründet sich durch die Motive der nachfolgende Aufzählung, die niemals vollständig sein kann:

Asana wirkt wohltuend und begünstigend auf unsere Gesundheit.

Wie jeder Körper auf diesem Planeten ist auch der menschliche Körper verschiedenen Kräften ausgeliefert, die zum Teil von außen auf selbigen einwirken als auch aus der Verfasstheit des Körpers selbst stammen. Als größte äußere Kraft wirkt die Schwerkraft auf den Körper ein. Diese Kraft, wie physikalische Experimente und Gesetze belegen, ist zwar riesig, wird aber in der Regel nicht wahrgenommen.  Trotzdem ist sie vorhanden und jeder lebendige Körper agiert auf verschiedenste Weisen, um diese Kraft zu neutralisieren oder zu kompensieren. Dazu öffnet sich der Körper permanent in eine für ihn günstige Ausdehnung, in der die Möglichkeit für den Transport von Gasen und Flüssigkeiten gegeben ist.  Weiterhin wird die Schwerkraft als Gegenkraft benutzt, um feinste Regulierungen auszuzuführen. Ist die Muskulatur und das Gewebe verkürzt oder nicht elastisch genug, werden einerseits diese Regulierungen erschwert oder sogar unmöglich und andererseits ist die Ernährung der Zellen durch Einschränkungen der Leitungskapazität der Blutgefäße eingeschränkt. Asana verfolgt daher aus gesundheitlicher Sicht das Ziel, den Körper soweit in Form zu halten, dass eine uneingeschränkte Versorgung und Regulierung aller Körperfunktionen und -zellen gewahrt bleibt.

Asana in Verbindung mit Konzentration sorgt für eine funktionale Wahrnehmung innerer Gegebenheiten.

Wie alle autonomen Lebewesen verfügt auch der Mensch über Systeme und Mechanismen, um den Körper zu schützen, zu heilen und zu verteidigen. Diese sensorischen Systeme agieren nur dann vollkommen, wenn die körperliche Funktionalität voll zu Verfügung steht. Werden Alarmsignale, die sich überwiegend nur im Fühlen zeigen (Schmerz, Unwohlsein, Intuition), übertönt und daher nicht wahrgenommen, werden die erforderlichen Maßnahmen nicht oder zu spät eingeleitet und der Körper erleidet Schaden (Krankheit, Tod).  Fühlen ist als älteste Sinnestätigkeit das Sprachrohr des Körpers. Während fehlende Konzentrationsfähigkeit nach innen die feinen sensorischen Anregungen nur nicht findet, macht verhärtete und verkrampfte Muskulatur und Gewebeanteile  schon die Aussendungen dieser Impulse unmöglich. Asana schafft, entwickelt und verbessert durch Konzentration und Öffnung die Vorbedingungen für das Fühlen innerer Vorgänge.