Kommentar zum Spiegelartikel Die Macht der Heiler (34-2018)

Angeregt durch einen Artikel im Spiegel, der in relativ unwirscher Methode die Gesamtheit alternativer Heilmethoden samt Yoga, Qi Gong und Ayurveda in einen einzigen Topf wirft und verunglimpft, habe ich mich als praktizierender Yogalehrer dazu aufgerafft, ein gegen diesen Artikel  gerichtetes Gegengewicht zu setzen. Ausgehend von einem Beispiel einer Patientin mit chronischer rheumatoider Arthritis [1. Die rheumatoide Arthritis  ist die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke… Die Ursachen der Erkrankung sind bislang weitgehend ungeklärt. Es wird eine autoimmune Ursache angenommen… Diese Erkrankung gehörte zu den Holy Seven des Psychosomatikers Alexander. (Wikipedia)], die mit Globuli schlechte Erfahrungen gemacht hat, werden hier in zwei Artikeln  in unwissenschaftlicher Weise nahezu alle Richtungen der Naturheilkunde in einen Topf geworfen und entwertet. Dass die Autoren, einerseits eine nicht praktizierende Ärztin (Die Macht der Heiler) und andererseits ein Datenjournalist (Wohin das Qi fließt) keinerlei Erfahrung mit diesen Formen der Medizin besitzen können, da ihre Arbeit in einer Zeitungsredaktion keine Erfahrung auf dem beackerten Gebiet zulässt, klingt zwischen den Zeilen klar hindurch. Niemand, der sich wissenschaftlich mit alternativen Heilmethoden beschäftigt, streitet heute mehr ab, dass Akupunktur, Yoga und Ayurveda in verschiedenen Disziplinen der wissenschaftlichen Heilkunde durchaus sehr viel beitragen können, so diese Kunst von Menschen praktiziert und weitergegeben wird, die über Jahre und Jahrzehnte Erfahrungen in dieser Arbeit sammeln konnten. Weiterhin kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, das hier zumindest oberflächlich betrachtet die Arbeit der Volkshochschulen, die Gesundheitskurse anbieten, diskreditiert werden soll, aus welchem Grund auch immer. Zunächst eine Leseprobe aus den Artikeln:

Zitat aus dem Artikel (Orginalwortlaut, nicht bearbeitet) Die Macht der Heiler:

Eine Da­ten­ana­ly­se des SPIEGEL hat er­ge­ben: Fast je­der vier­te VHS-Kurs zum The­ma Ge­sund­heit be­inhal­tet un­wis­sen­schaft­li­che Eso­te­rik.

»Das Volk wird sys­te­ma­tisch ver­dummt und pro­biert dann zwei­fel­haf­te Be­hand­lun­gen aus«, sagt Ed­zard Ernst, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Kom­ple­men­tär­me­di­zin der Uni­ver­si­tät Exe­ter. »Wenn wei­te Tei­le der Be­völ­ke­rung glau­ben, es gebe tat­säch­lich so et­was wie die Le­bens­en­er­gie Qi oder Me­ri­dia­ne und Cha­kren, wenn also je­der Un­sinn pro­pa­giert und ge­glaubt wird, dann gibt es kei­ne Maß­stä­be mehr«, be­fürch­tet Ernst. »Dann wer­den die Gren­zen zwi­schen Wahr­heit und Un­wahr­heit un­scharf. Dann kann je­der Schar­la­tan sei­ne Mei­nung auf­ti­schen, und sie wird ge­nau­so ernst ge­nom­men wie die ei­nes Ex­per­ten.«

Zitate aus dem Artikel (Orginalwortlaut, nicht bearbeitet): Wohin das Qi fliesst:

In fast je­dem vier­ten Volks­hoch­schul­kurs aus dem Be­reich Ge­sund­heit wird ein frag­wür­di­ges al­ter­na­tiv­me­di­zi­ni­sches Ver­fah­ren ge­lehrt.
Hier­zu ge­hö­ren auch die häu­fig an­ge­bo­te­nen Yoga- und Qi­gong­kur­se, so­fern die­se nicht als rei­ne Fit­ness­gym­nas­tik im Pro­gramm an­ge­kün­digt sind. Oft wird ein Teil der Kurs­ge­büh­ren so­gar von den Kran­ken­kas­sen über­nom­men. Dass Yoga gut­tut, dar­auf deu­ten Stu­di­en hin, al­ler­dings hat die Leh­re, eben­so wie Qi­gong, eine Ne­ben­wir­kung: Sie ver­mit­telt ein un­wis­sen­schaft­li­ches und ir­ra­tio­na­les Kör­per­bild.
Die­se Aus­sa­ge zei­ge »ei­nen er­schüt­tern­den Grad an Un­ver­ständ­nis«, sagt Ed­zard Ernst und warnt da­vor, eine Heil­me­tho­de als wirk­sam an­zu­se­hen, nur weil man selbst oder ein Be­kann­ter da­mit po­si­ti­ve Er­fah­run­gen ge­macht habe. »Eine un­wirk­sa­me The­ra­pie er­scheint im Ein­zel­fall oft wirk­sam«, er­klärt er. »Das ist ganz nor­mal und kann am Pla­ce­bo­ef­fekt lie­gen oder am na­tür­li­chen Ver­lauf ei­ner Er­kran­kung, die sich häu­fig ein­fach von selbst bes­sert.«

Soweit einige der Originalzitate aus dem beschriebenen Artikel.

Zugegeben, in der Gesamtheit liest sich der Artikel durchgängig wie eine wissenschaftliche Arbeit. Allerdings zeigt sich bei näherem Hinsehen eine redaktionelle Blindheit ungeheuren Ausmaßes, die schon fast nicht mehr mit Fake News zu beschreiben ist. Das ist schon schlimmster Dogmatismus und Propaganda der obersten Kategorie.

Placebo Effekt: Was ist an der Wirksamkeit von Placebo Effekten eigentlich so schlimm? Egal welcher Fraktion der Heilkunde der praktizierende Heiler [2. Dazu zählen auch die Ärzte der sogenannten wissenschaftlichen Medizin] auch angehört, wesentlich ist doch wohl der heilende Effekt am Patienten. Und wenn der Glaube wie beim Placebo Effekt doch bereits zu heilen vermag, wozu braucht es dann noch das Messer oder die Pille der Monopol-Heiler?

Wer bietet denn die ganzen „Quacksalbereien“ (Wortzitat aus dem Artikel) so an? Nun es sind eben nicht nur Esoteriker in diesem Gebiet aktiv, sondern sehr viele Ärzte und fast alle Heilpraktiker sind in der Naturheilkunde und der alternativen Medizin unterwegs. Gerade die Angebote aus Arztpraxen, die als Zusatzangebote den Patienten verabreicht werden, erweitern doch heute schon mit hohen Steigerungsraten die Einkommen der Ärzteschaft. Ist hier der VHS-Kurs vielleicht nur eine lästige Konkurrenz, gegen die sich diese Artikel richten sollen?

Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit von Yoga, Ayurveda und der TCM (Akupunktur) zum Beispiel gibt es zuhauf und eine Suche (10 Minuten reichen da aus) in so „hoch-esoterischen“ Zeitschriften wie Geo und Zeit belegen das in eindrücklichen Zahlen und Bildern. So wird die Wirksamkeit von Akupunktur, Yoga und Ayurveda in vielen Studien eindrücklich belegt. Zur Akupunktur gibt es sogar Habilitationsschriften deutscher Ärzte in unseren Universitäten (LMU). Für Yoga sind Wirkungen gegen Schmerzen, Stimmungsschwankungen, Schlafproblemen belegt. Weiterhin ist eine Wirkung auf Neurotransmitter sowie Gene wissenschaftlich nachgewiesen. Auch die Wirkungsweise von ayurvedischer Ernährung und Behandlungen äußerlicher Art sind mehr als gut belegt. Dass die Anwendung diese Techniken anders als ein Arztbesuch zu entspannen vermögen, das Heiler deutlich mehr Zeit für ihre Patienten aufbringen und mit mehr Mitgefühl zu wirken verstehen ist allgemein bekannt. Und das Mitgefühl und Meditation heilsame Wirkungen entfalten kann ist ebenfalls mehr als bewiesen. Studien dazu gibt es zuhauf, und Meditation ist auch eine Praxis des Yoga (Siebte Stufe, Patanjali).

Was Studien zu Yoga und Ayurveda deutlich erschwert ist nebenbei gesagt die Tatsache, dass Yogaübende zum Beispiel seltener krank sind, mehr auf ihre Gesundheit achten, selten an verspannter Rücken- und Beinmuskulatur oder durch das Wirken des dem Yoga verwandten Ayurveda (Ernährung) seltener an Diabetes oder Bluthochdruck leiden. Somit sind die Wirkungen des Yoga nach wissenschaftlichen Mustern, also erst durch Ignoranz des Gesundheitssystems und Unwissenheit der Menschen krank geworden und dann durch gezielte Übungen oder Ernährungsumstellungen geheilt, schlecht in Studien zu belegen. Auch kenne ich in den Kreisen, die regelmäßig die Meditation pflegen, nur wenige Menschen, die an krankhaften Stress-Symptomen oder Aufmerksamkeitsdefiziten leiden.

Was weiterhin nicht bekannt gemacht wird, obwohl es dazu sehr einfach zu erhebende Daten geben könnte, ist die Wirkungsweise dieser alternativer Verfahren. Sowohl Yoga und Ayurveda als auch weite Teile der TCM arbeiten vorzugsweise mit präventiven Wirkungen. So bezahlt ein klassischer chinesischer Patient traditionell seinen Arzt nur dann, wenn er durch die Arbeit des Arztes gesund bleibt. Auch in Indien war und ist diese Form auch heute noch erhalten. Präventive gesundheitliche Arbeit versucht Krankheiten vorzubeugen, versucht, diese rechtzeitig zu diagnostizieren und für Abhilfe zu sorgen, solange dieses noch einfach und erfolgversprechend sich gestaltet. Ayurvedische Ärzte, selbst praktizierende Yogafachleute und TCM-Mediziner arbeiten sehr oft mit wissenschaftlichen Ärzten zusammen und verweisen auch ihre Patienten auf deren Heilmethoden, wenn Krankheiten bereits zu fortgeschritten (wie gefährliche Entzündungen) sind, hochwirksame Medikamente erfordern oder Geräte benötigt werden, die schon für die Bedienung einen Spezialisten (Operationen) erfordern.

Ich selbst übe seit 25 Jahren Yoga und halb solange Meditation, und ich kenne die Wirkungsweise dieser gesundheitsfördernden alternativen Tradition. Ich würde nie auf die Idee kommen, ernsthafte lebensbedrohende Erkrankungen wie eine Lungenentzündung, Krebs oder eine Blinddarmentzündung mit Yoga oder Bachblüten behandeln zu wollen. Yoga wirkt in all den Bereichen von Krankheit sehr gut, wo Bewegung eine Hilfe darstellt, wo Verspannungen und einseitige Belastungen zu körperlichen und mentalen Problemen führen. Allerdings ist es meist sehr schwer, bei Übungsteilnehmern, die mit Problemen solcher Art erstmals in die Yogastunde kommen, die Grundlage dafür zu schaffen, das Yoga auch wirklich schnell helfen könnte. Yoga ist präventiv wirkend aufgebaut. Die Übungen, die zur Gesundung beitragen können, sollten also schon verstanden und auch praktiziert werden können, wenn ein Leiden erstmals auftritt. Leider ist diese Vorbedingung in Europa meist nicht gegeben, und eine Intervention mit Yoga bei akuter Krankheit gestaltet sich, wenn überhaupt möglich, kompliziert und beschränkt sich meist auf die Nachsorge nach Krankheit. Viele Menschen tragen schwer an ihrem Alltag, sind körperlich (Dehnung, Kraft, Ausdauer, Atmung, Ernährung, Stress) nur nach langer Vorbereitung in der Lage, sich normal zu bewegen und somit wirksame Yogaübungen für sich selbst zu gestalten. Statt Yoga zu verunglimpfen, wäre es viel mehr angebracht, wenn wissenschaftliche Heiler darauf hinarbeiten würden, Yoga und andere Körperarbeitsmethoden flächendeckend im Lande zu verbreiten. Das dabei auf eine gute Qualität der Angebote zu achten wäre ist wohl selbstverständlich. Dabei ist es auch nicht besonders schlimm, wenn ein gesunder Teilnehmer Yogaübungen machen sollte, die nicht so ganz dem Sinn entsprechen, für den sie erfunden wurden. Es gibt nur wenige Übungen in dieser Tradition, die einem gesunden Körper schaden können, und die sind meist auch noch schwer zu erlernen und werden daher auch selten gerne ausgeführt. Sie sind einfach zu anstrengend und erfordern viel Geduld und Durchhaltevermögen. Das unterscheidet Yoga von den vielen Sportarten, für die gerne und oft auch im Spiegel Werbung in Sachen Gesundheit gemacht wird.

Viele Probleme in meiner Yogastunde, so zeigt sich in den Veranstaltungen und Gesprächen mit Teilnehmern, werden durch einseitige Belastungen auf der Arbeit und im Breitensport verursacht. So wird beim Lauftreff selten Gymnastik angeboten, wird oft sogar zu übertriebenen Leistungen (Marathon) angestachelt und es wird selten ein Ausgleich für einseitige Belastungen angeboten, wie sie im Tennis, Fußball oder selbst im Golf zwangsläufig auftreten. Die Angebote von Arbeitgebern sind meist kostenpflichtig, in der Freizeit angesiedelt und an Profanität selten zu überbieten. Diese Leute kommen dann, wenn sie Glück haben, meist viel zu spät für eine vollständige Genesung doch noch in eine Yogastunde. Viele andere allerdings werden dauerhaft mit Pflastern, Schmerzmitteln und Psychopharmaka abgespeist und/oder enden später in Streckvorrichtungen und auf Operationstischen. Wo bitte sehr ist hier die Logik und wo sind die Hinweise eines Spiegel-Magazins zu diesen Missständen, die nebenbei gesagt auch noch von der Allgemeinheit sehr teuer bezahlt werden müssen. Sie können lange suchen, es gibt sie nicht!

Fazit: Diese Artikel dienen bestimmt nicht der Information des Lesers, sondern diskreditieren und verunglimpfen Millionen von Yogaübenden, deren Betreuer und Aktivisten. Das alles sind Menschen, die sich meist für wenig Geld um die Volksgesundheit (ist nicht populistisch…) sorgen und die hochbezahlte Mediziner dort ersetzen, wo es nicht viel zu verdienen gibt, nämlich bei den gesunden und nicht chronisch kranken Menschen. In unserem System muss beim Patienten der Kopf stets erst unter dem Arm getragen werden, bevor sich ein Mediziner um seine Gesundheit kümmert. Dann ist es aber meist schon viel zu spät, um eine wirkliche Heilung noch herbeiführen zu können.  Beispiele dafür sind die explosionsartig gestiegene Anzahl von Hüftgelenksoperationen, die Stoßwellen Therapie, die seit dem Vertrieb der Geräte die „Kalkschulter“ zu einer Volkskrankheit macht und die vielen WS-Operationen, die nicht nachhaltig geheilt haben, sondern lediglich eine dauerhafte Einschränkung der Belastbarkeit zur Folge hatten. Was hier oft (nicht immer) Heilung genannt wird, ist meist in Wirklichkeit nur das Füllen bereits überfüllter Beutel einer elitären Gesundheitsindustrie und eine Steigerung des Bruttosozialproduktes durch Förderung chronischer Erkrankungen zulasten der Lebensqualität und Beutel des teuer versicherten Bürgers. Unzählige Skandale im Gesundheitswesen belegen das unmissverständlich. Ihre Anzahl ist deutlich höher als die von Missbrauch in der alternativen und präventiven Medizin. Dabei könnten Vorsorge und Aufklärung das Schlimmste frühzeitig (bereits in der Schule und beim Berufseinstieg) verhindern und, wie in meinem Fall, die arbeitenden Menschen später gesund und munter in den Ruhestand entlassen. Yoga, Ayurveda und TCM könnten dabei einen großen Beitrag liefern, wenn sie vor allem rechtzeitig und präventiv eingesetzt würden. Aber statt zu ermuntern, wird verleumdet. Das ist im Grunde nur ärgerlich!