Bandhas

Während die traditionellen Schriften und Anschauungen ein Bandha als einen energetischen Verschluss beschreiben, durch den Energie im Körper festgehalten werden soll und überwiegend im Pranayama Anwendung findet, betrachte ich diese Motive mehr als Siegel und verwende sie auch in der Asana-Praxis. Für mich wirken Bandhas nicht wie Verschlüsse, sondern stellen vielmehr ein energetisches Siegel über Reglern dar, die den Energiefluss in einer vorgegebenen Weise aufrecht erhalten, auch wenn sich die Pose in und während der Übungsausführung und Haltung  sowohl im Bezug zur Schwerkraftausrichtung (prana-apana-Ausrichtung) als auch zum Anspannungspegel hin ändert. Dabei wirken die großen Drei grundsätzlich immer zusammen. Während in der Einrichtung einer Haltung gestaltet der Übende seinen Energiefluss meist durch angemessene Muskelanspannung nahezu automatisch in der Weise, wie die Übung dies erfordert. Soll nun die Haltung länger gehalten werden und Mühelosigkeit und Leichtigkeit entstehen, muss diese Anspannung aufgegeben werden. Damit der Energiefluss trotzdem erhalten werden kann, werden die Bandhas vor der Lösung der Anspannung in sinnvoller Weise gesetzt. Diese wirken dabei wie ein Siegel auf einem Regler, das keine Änderung der Einstellung zulässt. Gespeist werden die Bandhas von den Muskulatur-Anteilen, die ständig unter Anspannung stehen müssen. Dazu gehört der Beckenboden (mulabandha, gespeist vom Verschluss der Ausscheidungsorgane), der Unterbauch (uddiyanabandha, gespeist durch die autonome Anspannung am Ende der vollständigen Yogaatmung) und der Nacken (yalandharabandha, gespeist durch die ständige Ausrichtung des Kopfes als zentrale Spitze der Wirbelsäule). Weitere Bandhas (Sie werden im Yoga oftmals Marmas genannt) sind wirksam durch Einstellung der Hand- und Fußgelenke sowie durch Rotationsbewegungen von Beinen und Armen. Da jedes Pranayama und jede Meditation ebenfalls eine Haltung erfordern, ist die Verwendung von Bandhas bei diesen Praktiken gut verständlich. Allerdings richten nicht die Bandhas eine Übung ein, sondern selbiges erfolgt in der Einrichtungsphase durch Muskelkraft in eine energetische Öffnung, die nur durch ein Siegel, eben die Bandhas, festgelegt bleibt. Da die Bandhas immer zusammenwirken, genügt die Setzung eines dieser Siegel, um alle anderen ebenfalls zu aktivieren. Der Übende wählt dabei das Bandha als Initiation, dass in der Haltung am zugänglichsten ist und/oder leicht verfügbar erscheint.




Workshop–Info zu „Die drei Bandhas“

Wie jeden ersten Sonntag im Monat fand auch am 1. Juli 2012 wieder ein Workshop statt. Das Thema diesmal: DIE DREI BANDHAS.

Wer sich mit Yoga beschäftigt und bereit ist, etwas mehr in die Tiefe der Lehre, so wie sie überliefert ist, hinabzusteigen, wird über diese „Verschlüsse, Riegel oder Bindungen“ sehr unterschiedliche Ansichten und Beschreibungen erfahren. Ich möchte hier nicht sehr viel darüber räsonieren, aber immer wieder werden sehr zu meinem Leidwesen Bilder zur Ausführung dieser Übungen gezeigt, die an zu leistender Schärfe und Anstrengung keinen Zweifel lassen.
Mein Zugang zu diesem Thema ist abweichend zum Genannten deutlich entspannter, gelassener!

• Zunächst einmal würde ich Bandha viel lieber mit dem Wort „Siegel“ übersetzen, dann pflege ich diese nur sehr fein und mit sehr wenig Muskelkontraktionen anzuwenden und würde auch nicht behaupten wollen, dass diese Siegel immer und zu jeder Gelegenheit angewendet werden sollten.
• Weiterhin gehören für mich persönlich alle drei genannten Bandhas (Mula-, Uddiyana- und Jalandhara-Bandha) in Ausführung und Wirkung zusammen, bewirkt Mulabandha (Beckenbodensiegel) doch ein nahezu automatisches Uddiyanabandha (Bauchsiegel) und eröffnet auch räumlich den Einstieg ins Jalandharabandha (Nackensiegel). In der Literatur wird dieses Dreigespann dann Mahabandha (großes Bandha) genannt.
• Dann sind Kontraktionen der Muskulatur nach meinem Befinden nur sehr begrenzt nötig, um das Bandha zu erfahren. Im Stehen würde dabei nur ein leichtes Zurückweichen der Bauchdecke und eine leichte Öffnung (Weitung) des Brustkorbes zu sehen sein. Die dabei erreichte Haltung ist frei im Atem und ohne Anstrengung leicht zu tragen.
• Dann ist Mulabandha weder eine Kontraktion der Schließmuskeln noch ein Zusammenziehen der Gesäßmuskulatur, sondern das Bandha wird nur mit der inneren Schicht der Beckenbodenmuskulatur, der Diaphragma pelvis bewirkt. Da die Beckenbodenmuskulatur durch die Aufgabe, die Körperöffnungen zu verschlossen zu halten, ständig unter Ruhespannung steht, greift Mulabandha sozusagen Energie dort ab und leitet sie nach oben, wo Uddiyana den Weitertransport bewirkt und Jalandhara den Zugang zum Kopf sicherstellt. Dieser Energiestrom versorgt dann die Haltung (Asana) mit der notwendigen Spannung (Tonus), so dass darüber hinaus keine muskuläre Anstrengung mehr nötig ist.
• Energie kann prinzipiell nicht gehalten werden, sondern ist seinem Wesen gemäß immer ein Strom. Daher bewirken die Bandhas auch kein Verschließen, sondern im Gegenteil ein andauerndes Offenhalten!

Wir haben im Workshop durch einfache Übungen versucht, die Wahrnehmung für diese Vorgänge zu stärken und diesen energetischen Strom bewusst zu erleben. Jede Asana, deren Bewegungsrichtung der Wirbelsäule folgt oder durch diese gestützt wird, kann unter Bandha-Einfluss nahezu mühelos gestanden und trotzdem als sehr fest erlebt werden.

HS(120719)