Eine zweite Ode an die Un-Entschiedenheit: Sinn – Woher kommen/gehen wir?

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Sports, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit [1.Der antike Skeptiker Pyrrhon von Elis wendet die Unentschiedenheit in Form der Aoristie an und postulierte, dass die Dinge nicht unterscheidbar, unbeständig und damit nicht zu beurteilen seien. Daher dürfe man weder unseren Wahrnehmungen noch unseren Vorstellungen glauben, woraus die Pflicht entstünde, sich nicht zu entscheiden.] , der ich damit den zweiten Teil einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an Ansichten über den Sinn, wie er sich in philosophischen/wissenschaftlichen, religiösen und spirituellen Fragen äußern wie: Warum hat Gott uns erschaffen? Gibt es einen Schöpfer? Ist das Universum leer? Wozu leben wir? Gibt es Regeln fürs „richtige“ Leben?



Für den religiösen Menschen ist der Sinn des Lebens klar. Er lebt, um Göttern (in all ihren Namen und Formen) zu gefallen und so Vorteile innerhalb dieses Lebens als auch danach zu ergattern oder in einer anderen Perspektive zumindest ruhig und ohne Angst vor Strafe schlafen zu können. Nun wissen wir von der Philosophie, das alle Beweise, alle Ableitungen und Erläuterungen zur Frage „Gibt es (einen) Gott/Götter“, irgendwann auf Holzwegen sich wiederfinden. Holzwege, das sind Wege, die irgendwann immer dünner werden und letztlich im Nirgendwo enden. Und ist man dann am Ende des Weges angekommen, hilft nur noch Glauben. Zumindest scheinen so viele, meiner Ansicht sogar fast alle Menschen auf diese Frage zu reagieren, sofern sie sich ihr jemals gestellt haben. Die meisten anderen Menschen, die sich dieser Frage entziehen, lehnen das Stellen dieser Frage ab oder reden nicht darüber mit dem Hinweis auf Aberglauben und nennen sich dann Atheisten [3. Atheismus (von altgriechisch átheos „ohne Gott“) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des Glaubens an einen Gott oder Götter… Im Gegensatz dazu bezeichnen Deismus und Theismus ( theós „Gott“) den Glauben an Götter.] Sie stellen in Zentral-Europa heute wohl schon die Mehrheit.

Nun ist die Frage nach dem Sinn des Lebens in meinem Verständnis eine der elementaren Fragen, die ein nachdenkender Geist zu stellen in der Lage ist. Sie ergibt anders als die wissenschaftlichen Fragen , die nach „woher“, „wie“ und „warum so“ fragen, eine Antwort, die weite Teile des weiteren Lebens zu beeinflussen in der Lage ist. Sie stellt die Frage nach einem Zweck, einem Plan oder einfacher geschrieben nach einer Motivation, mit der mein Leben über die wie immer geartete Bühne gehen sollte und lässt somit keinen Spielraum offen. Die Entscheidung, es eben so und so zu denken und damit genau so und folgerichtig zu handeln versperrt die Möglichkeit der Offenheit, ganz gleich, ob ich mich für eine Theorie entscheide oder aber, gegensätzlich gedacht, diese Frage ausschließe. Die extremen Antworten sind also „Es gibt einen Gott und ich handele nach seinem Willen…“ oder „Ich ignoriere die Möglichkeit der Fragestellung vollkommen…“. Mit der ersten Entscheidung baue ich ein Fundament, auf der sich letztlich jede Frage des Lebens beantworten lässt, mit der zweiten Antwort verschiebe ich die Beantwortung in eine ungewisse Zukunft, ohne auch nur den Versuch zu machen, ein Fundament zu errichten. Bildlich ausgedrückt befände ich mich im ersten Fall auf einem Boot im riesigen Ozean, im Zweiten schwimme ich sozusagen ungesichert im wie immer gearteten Wasser, ausgeliefert an Wellen und Strömung.

Nun gibt es verschiedentliche Versuche, das Problem zu lösen, in dem ich Gott aus der Transzendenz in die Immanenz verschiebe und ihn nicht als Person, sondern alles Existierende als eine Ganzheit zu betrachten, die dann Universum und/oder Leerheit genannt wird. Als „polarer Teil“ der immanenten Ganzheit bin ich dann bildlich gesprochen Mensch und Gott zugleich. Als Manifestation der Leerheit ist es mehr oder weniger ebenso. Ob ich aus dem Ganzen an sich oder aus dem Nichts komme und dorthin zurückkehren werde, macht im Prinzip wenig Unterschied. In beiden Fällen gibt es dann eine Fülle von Erklärungsversuchen, die meist zusätzliche meist theoretisch-wissenschaftliche Vorstellungen in diese Theorien einfließen lassen, um die sich automatisch einstellenden Unwägbarkeiten zu beantworten. Eine weitere Vorstellung ist die des eines Geistes [4. nicht materiell, allumfassend, körperlos, zeitlos, endlos, nicht greifbar, jenseits der Naturgesetze (HpS)], also „Alles ist Geist“, zu der ich mich dann ebenfalls als ein „polarer Anteil“ denken kann.

Was alle Erklärungsversuche oben beinhalten, ist letztlich, das es eine Entscheidung geben muss, der ich mich dann in der einen oder anderen Weise verpflichte. Die abendländischen Religionen sind mehr auf Gott ausgerichtet, also auf eine Person in der Transzendenz, die alles bestimmt. Die asiatischen Religionen sind mehr auf einen polaren Anteil an der Immanenz ausgerichtet, sei es Universum, Geist oder Leere, zu denen es aufbauend immer Erklärungsversuche geben muss. Die Wissenschaften beschäftigen sich nicht mit dieser Frage. Sie vermeidet Entscheidungen zu Fragen, deren Antworten sich nicht belegen lassen können/werden. In der Summe der aufgezeigten Möglichkeiten bleiben also sarkastisch geschrieben zwei Extreme und eine Ignoranz.

Ich sehe nur einen einzigen Ausweg aus dieser misslichen Lage, in der denkendes Leben auf dieser Welt steht. Dieser Ausweg findet sich in der Möglichkeit, offen zu bleiben, sich eben nicht zu entscheiden. Jeder denkende Mensch steht doch vor der Frage, wie er einen Sinn in seinem Tun, das über das einfache „nur leben“ hinausgeht, findet. Und da es viele Möglichkeiten gibt, keine davon endgültig zu beantworten ist, bleibt für mich letztlich nur die Unentschiedenheit, die Offenheit, mit der ich mir die Freiheit vorbehalte, mich von Fall zu Fall, von Tag zu Tag oder sogar von Moment zu Moment neu zu positionieren. Ich gehe dabei davon aus, das Entscheidungen über Zugehörigkeiten erst dann getroffen werden müssen, wenn eine Wahl letztlich nicht mehr zur Verfügung steht. Wenn es keine Wahl mehr gibt, sind Entscheidungen eindeutig und ohne Qualen möglich. Ich denke da an die vielen Menschen in vielen Jahrhunderten, die sich entschieden hatten und in einer ihnen feindlich gesinnten Welt leben mussten, die sie letztlich nur unnötig zerstört hat. Ich denke da nicht nur an Pharisäer, Häretiker, an Hexen und Hexer, an Ungläubige und wie sonst noch religiöse Abweichler genannt wurden. Ich denke dabei auch an Zugehörigkeiten zu Völkern, Nationen, Ethnien, Rassen, Systemen und was es sonst so alles an Konstrukten gibt, die über Leben und Tod zu entscheiden sich anmaßen. Menschen mit Zugehörigkeit haben Kriege ausgelöst, Verfolgungen beschlossen und durchgeführt, haben damit immer wieder mit Füßen getreten, was wir Menschlichkeit [2. Der Begriff „menschliches Verhalten“ (mit Betonung des Attributs „menschlich“) hingegen hat einen normativen Gehalt, geht also von Vorstellungen darüber aus, wie der Mensch sein solle oder angeblich seiner wahren Natur oder idealen Bestimmung nach sei. Unter dieser Voraussetzung bezeichnet das Wort „Menschlichkeit“ in einer engeren Wortbedeutung Züge des Menschen, die objektiv als richtig oder gut gelten, zum Beispiel Mitleid, Nächstenliebe, Güte, Milde, Toleranz, Wohlwollen, Hilfsbereitschaft. Als subjektives Ziel der Selbstveredelung wird demgegenüber auch das Streben nach harmonischem Ausgleich von Sinnlichkeit und Sittlichkeit genannt. Wikipedia] nennen und Lebewesen ohne Not ihrer Freiheit beraubt. Unentschieden zu sein beraubt nicht ohne Not. Der Unentschiedene braucht zu essen, zu trinken und eine Bleibe. Und natürlich ist auch eine Gemeinschaft mit anderen hilfreich und lebenswert. Aber müssen die zugehörigen Mitglieder alle einer Ansicht/Meinung sein? Es genügt doch meist schon, nach einem Konsens [3. Der Konsens bedeutet die übereinstimmende Meinung von Personen zu einer bestimmten Frage ohne verdeckten oder offenen Widerspruch. Wikipedia DE] zu suchen, auch wenn das hier und da schwierig, langwierig und aufreibend sein mag. Ich sehe darin die einzige Möglichkeit, es doch wirklich mal mit „Freiheit“ zu versuchen. Frei zu sein heißt ja letztlich nicht, immerzu machen zu können, was mir gerade so in den Sinn kommt. Auch der freie Mensch muss sich hier und da entscheiden. Wer sich aber ohne Not(-wendigkeit) entscheidet, ist in meinen Augen nicht mehr frei! Er hat die Un-Freiheit für sich gewählt.

Ich sehe für die Menschen in Deutschland heute zum Beispiel keine Notwendigkeit, sich für oder gegen Zugehörigkeiten und besonders für einengende Regeln entscheiden zu müssen. Wir könnten alle weitgehend offen sein und es auch noch lange bleiben. Und das gilt für viele, sehr viele Schubladen unserer Gesellschaft. Hier gilt in meinem Verständnis immer noch als Leitgedanke der kategorische Imperativ [1. Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Auf unmittelbare Kritik reagierte Kant mit einem Anwendungsbeispiel in dem Aufsatz „Über ein vermeintes Recht“, aus Menschenliebe zu lügen. Wikipedia DE (Es lohnt sich, das dort einmal nachzulesen.)], den ich für die bisher beste Regel halte, die je für die Ausgestaltung von Gesellschaft in Freiheit gefunden wurde. Trotzdem würde ich sie ergänzen wollen um die Aufgabe, dem Ideal der Freiheit für alles Leben immer näher zu kommen. Das gilt besonders für die Unbill [2. Billigkeit (griechisch Epikie) ist ein im deutschen Recht vorkommender unbestimmter Rechtsbegriff, unter dem eine gerechte oder angemessene Anwendung allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen im Einzelfall verstanden wird. Wikipedia DE] des „Fressens und Gefressen-Werdens“ sowie die des „Verdrängens aus dem Lebensraum“. Diese in naher Zukunft nicht zu ändernden „Natur-Gesetze“ müssen so erträglich wie möglich für alle Wesen gestaltet werden.

Für mich ist „Freiheit an sich“ die Möglichkeit, sich nur dann entscheiden zu müssen, wenn es eine Not(-wendigkeit) dazu gibt. Dazu gehört es auch, Regeln zu befolgen, die einer funktionalen Ordnung wie einer Gesellschaft ihre Form geben. Dabei ist Konsens die einzige sinnvolle Bedingung, was auch einschließt, das die Personen/Wesen, die nicht mit diskutieren können, durch mitfühlende Parteinahme einbezogen werden. Das ist eine sehr große Aufgabe, fast schon eine Bürde, aber sie ist durchaus lösbar. Wir müssten uns nur eindeutig dafür entscheiden.




Eine erste Ode an die Un-Entschiedenheit: Glauben

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Glaubens, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit [1. Der antike Skeptiker Pyrrhon von Elis wendet die Unentschiedenheit in Form der Aoristie an und postulierte, dass die Dinge nicht unterscheidbar, unbeständig und damit nicht zu beurteilen seien. Daher dürfe man weder unseren Wahrnehmungen noch unseren Vorstellungen glauben, woraus die Pflicht entstünde, sich nicht zu entscheiden.] , der ich damit den Beginn einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an den Ansichten über den Glauben, die sich in Fragen äußern wie: Glaubst du an Gott? Welcher Glaubensgemeinschaft gehörst du an? Wie geht das zusammen, Zen-Meditation, Yoga und Christentum?



Zunächst einmal setzt die letzte Frage voraus, so scheint es zumindest, das bestimmte Formen des Glaubens und eine spirituellen Praxis immer nur in einem Gemeinschafts-Kontext gesehen werden können. Bei mir, der ich christlich aufgewachsen bin, Yoga unterrichte und übe, was allgemein mit dem Hinduismus zusammengebracht wird und im Zen-Stil meditiere, was allgemein, sprich in der Anschauung der Mehrheit eine buddhistische Praxis darstellt, würden so nahezu unkonvergente Grundanschauungen meiner Lebensbereiche mich permanent in Widersprüche verwickeln müssen. Das ist aber, so kann ich mit Bestimmtheit sagen, nicht der Fall.

Dem Christentum liegt grundsätzlich der Glaube zugrunde, das irgendwo da draußen außerhalb der Reichweite der Menschen sich ein Gott in der Transzendenz befinden müsse, der seinen Sohn als Mensch in unsere Welt geschickt habe, um unsere Sünden zu tilgen. Des Weiteren geistert der Heilige Geist allseits präsent durch unser Universum und beobachtet/berichtet (über) unser Tun und Handeln. Gott, Sohn und Heiliger Geist nehmen/haben also Einfluss aus der Transzendenz auf all unser Tun und richten darüber nach dem Tod. Jeder Mensch besitzt dazu eine persönliche Essenz, genannt Seele, die mit Gott in Verbindung stehend gedacht wird. Für mich stellt sich die Frage, warum es dann auf unserer Welt, die dem Glauben nach jetzt sündenfrei sein müsste, es nach wie vor so viel Gewalt, Krieg und Missgunst gibt. Bisher konnte ich mich keiner der reichlich kommunizierten Antworten anschließen, die sich in 2000 Jahren Geschichte an einer Erklärung versucht haben.

Nicht anders ist es mit dem Hinduismus, der ja mehr eine religiöse Sammelbewegung ist und der die Möglichkeit öffnet, jedem seinen ganz eigenen und für sich passende Gottesvorstellung zu wählen. Im Yoga heißt das, einen Persönlichen Gott zu haben. Die Gemeinschaft beruht mehr auf den Grundsätzen, die sich auf die Lehren der Upanishaden beziehungsweise auf Epen wie das Mahabharata beziehen. In diesen wird eine Gründung des Menschen auf Atman, eine persönliche Essenz des Geistes gesetzt, die mit der Essenz alles Menschlichen, dem Brahman in Verbindung steht. Durch das Menschsein ist dieser Atman dem Karma unterworfen, was soviel bedeutet wie das alle Handlungen des Menschen sich in gute oder schlechte Anhaftungen ausgestalten. Diese werden in diesem oder weiteren Leben abzuarbeiten sein und gestalten sozusagen dieses neue Leben nach der Wiedergeburt. Nun können wir dieses bisher nur glauben, nicht aber wissen oder nachvollziehen. Allerdings halte ich viele Annahmen oder Setzungen in den Lehren für so außergewöhnlich, das ich daran zweifle, das eine solche Konstruktion irgendwie auch nur annähernd die Wirklichkeit darzustellen vermag.

Schaut man sich den Buddhismus von seiner Gründung her an, so ist der Buddhismus auf zwei grundlegende Annahmen aufgebaut. Da ist zunächst einmal die Annahme, das es keinen Atman oder keine Seele gibt (anatman = Nicht-Selbst), was nichts anderes bedeutet als das sich nichts persönliches mehr in der auch hier angenommenen Wiedergeburt wiederfinden lässt. Die zweite Grundannahme ist die, das der Buddhismus sich darauf beschränkt, die Menschheit von Leiden jeglicher Art zu befreien. Was bedeuten diese Aussagen? Es gibt keinen Gott und kein persönliches Selbst (Seele, Atman). Ohne etwas grundlegend Festes, Ewiges, ist daher alles bedingt, also endlich, sterblich oder vergänglich. Daher wird, um der Sprache Genüge zu tun, das Gründende entweder als leer gedacht oder als eine Leerheit angenommen. Dann bringt der Buddhismus in seiner Eigenansicht nicht zwangsläufig den Frieden oder das Gute in die Welt, sondern befreit nur vom Leiden, und leiden tun Menschen in der Regel an ihren Ängsten, Sorgen, Nöten und falschen Vorstellungen. Die letzten werden oft als Gier, Hass und Verblendung angesehen. Im vollendeten Buddhismus bleibt der Arme also arm, der Reiche reich und der Kluge bleibt klug, aber alle Drei leiden nicht mehr. Gerechtigkeit spielt hier keine Rolle. Und aus der Abwesenheit vom Leiden entsteht eine ganz andere Gemeinschaft als die, die wir bisher kennenlernen konnten. In meinem Verständnis ignoriert der Buddhismus aber letztlich die Beobachtung, das sich Gemeinschaften immer werden organisieren müssen, das Organisationen aber immer Machtausübung und Kontrollmechanismen aufbauen und so immerzu das entsteht, was sich heute Korruption nennt, was wiederum die Grundlage bildet für Gier, Hass und Verblendung. Ich sehe hier, auf eine größere Allgemeinheit bezogen, einen Kreislauf, der sich nicht stoppen lassen wird. Somit funktioniert der Buddhismus nur in einem persönlichen Allein-Sein-Können. Dazu aber fehlt uns auf der Erde mit acht Mrd. Menschen sowohl der Raum als auch die Ressourcen.

Somit sind in den drei Weltsichten, mit denen ich Berührungspunkte habe, immerzu bedeutende Frage offen geblieben. Was aber spricht dagegen, sich eben keiner Glaubensgemeinschaft anzuschließen. Gott, Atman, Selbst und Leerheit, wozu brauchen wir das? Ist es nicht genug, festzustellen, das wir leben und darauf angewiesen sind, diesen Planeten mit allen Bewohnern zu teilen, ihn zu erhalten und zu versuchen, das Beste daraus zu machen. Das Beste ist doch wohl, ihn so zu lassen wie er sich in vielen Mio. Jahren selbst entwickelt hat. Ich habe auch einsehen müssen, das es Gerechtigkeit so nicht gibt. Diese Welt ist nicht auf Gerechtigkeit aufgebaut, sondern auf Funktionalität. Alle Substanz und Wesen stehen in Abhängigkeit zueinander. Auf keines/keinen kann verzichtet werden und keines/keiner ist unwichtig. Wir Menschen wissen nicht wirklich viel über das, was uns begründet, im Grunde wissen wir, wenn wir ehrlich sind, sogar gar nichts darüber. Wir sprechen zwar von einer Seele, einem Atman oder deren Abwesenheiten, und wissen doch nichts darüber. Mir hat das irgendwann zu denken gegeben, und ich habe für mich beschlossen, unentschieden zu bleiben in dieser Frage. Ich sehe jeden Tag, das Menschen sich in Weltsichten und Glauben flüchten, weil sie die offenen Fragen fürchten und Angst haben, etwas unwiderruflich falsch zu machen. Das ändert sich auch in der Unentschiedenheit nicht wesentlich. Aber als Unentschiedener gehöre ich keiner Organisation an, bin weder verpflichtet noch gebunden, sondern frei von Vorentscheidungen. Ich kann heute hier, morgen dort und überhaupt …, wann und wie immer ich will in der Welt sein. Ich denke, dass das der Freiheit, die wir doch so verehren, deutlich näher kommt als wenn ich mich entscheide, das Eine anzunehmen und auf alles andere zu verzichten. Allerdings, in der Unentschiedenheit ist der Mensch oft allein und meist auf sich selbst gestellt. Aber, ernsthaft betrachtet, ist Allein-Sein nicht allgegenwärtig, auch für den , der sich bereits entschieden hat.

Und was für den Glauben gilt, gilt auch in den anderen am Anfang genannten Themenbereichen. [3. Darüber werde ich ebenfalls bald etwas zu Bits bringen…] Sich im Entweder-Oder aufzuhalten ist durch die Angst begründet, ganz allein (da) zu sein. Daher schließen sich Menschen Gruppen, Organisationen und Staaten einschließlich deren Regeln an. Diese Angst selbst aber ist unbegründet. Jeder für sich ist allein. Jeder auf der Welt ist aber gleichzeitig in Gemeinschaft mit anderen. Das erstere schließt das andere doch nicht aus, sondern beide sind auf polare Weise miteinander verknüpft. Daher stehe ich zu Unentschiedenheit als Glaubensinhalt. Sie ist im obigen Fall nicht Nicht-Glauben, also Atheismus, bitte das nicht verwechseln. Ich behaupte weder einen Glauben noch streite ich ihn ab. Ich bleibe offen… Das ist genau betrachtet eine Haltung, die ohne Angriffs- oder Abwehrflächen zu haben auskommt, daher ist sie äußerst flexibel, denn sie hält offen, was bis zur Gewissheit offen bleiben sollte. Das Leben und die Gemeinschaft mit anderen gestaltet sich meiner Erfahrung nach einfacher auf diese Weise.