Eine vierte Ode an die Un-Entschiedenheit: Präventives Yoga

Ich werde immer mal wieder mit einer Situation konfrontiert, Stellung beziehen zu müssen zu Themen, die für mich nicht entschieden sind, die für mich (noch ?) offen sind. Dabei ist es relativ gleich-gültig, ob das Themen der aktuellen Politik, der Religion, des Sports, der Ernährung, der Weltsicht oder gar der Seins-Philosophie sind. Ich möchte hier darlegen, warum die Unentschiedenheit, der ich damit den vierten Teil einer mehrstrophigen Ode [1. Ode = Liedtext] widme, in all diesen Fragen so ungeheuer wirksam und vorteilhaft ist. Erläutern möchte ich das hier an Ansichten über Yoga, genau genommen über eine Form, die ich „Präventives Yoga“ nenne und deren Voraussetzungen erst erarbeitet sein müssen, bevor es begonnen werden kann.



Der Artikel ist ebenfalls wie sein Vorgänger deutlich länger geworden, als zunächst von mir beabsichtigt. Aber: Ich brauchte diese Länge, um ausdrücken zu können, was ich meine.

Die Unentschiedenheit, mit der wir leben müssen, …

… wenn wir Yoga praktizieren. Hierfür muss ich sehr viel weiter ausholen, als wenn ich schreiben würde: Yoga und seine Übungspraxis ist gut für die Gesundheit. Es kann Gesundheit fördern und diese auch wieder herstellen, so denn genügend Zeit zur Verfügung steht und die Übungen, die dazu notwendig sind, korrekt und zielführend angewendet werden. Aber, und das ist für mich hier in diesem Artikel entscheidend, dafür war und ist Yoga eigentlich nicht gedacht. In meiner Anschauung ist Yoga in seiner klassischen Prägung (Patanjali) präventiv ausgelegt und soll, wenn bereits als gesunder Mensch begonnen, die Gesundheit für eine lange Lebenszeit erhalten. Dazu werden bei Patanjali zunächst einmal Rahmenbedingen (yama, niyama: so etwa vergleichbar mit Moral und Ethik) formuliert, dann werden Körper und Atemübungen vorgestellt, die den gesund vorgefundenen Körper gesund erhalten können und dann geht es mit großer Konsequenz zur Einübung der Stille und weiterführend zur Meditation.

Exkurs: Natürlich helfen Yogaübungen wie Asana und Pranayama auch bei der Herstellung oder Wiedererlangung von Gesundheit. Dafür braucht es einen langen Atem, denn diese Gesundheit kann ja „nicht eingenommen“ werden, sondern müssen „durch Umgestaltung der ungesunden Anteile“ erarbeitet und in der Folge dessen auch gefestigt werden [1. Ich möchte es einmal mit einem Hausputz vergleichen. Zuerst einmal wird der Raum gründlich gereinigt, dann erfolgt die aufwendige Tätigkeit, die Sauberkeit auch für einen längeren Zeitraum zu erhalten. Den sauberen Raum zu erreichen ist ja kein in sich abgeschlossenes Ereignis, das Bestand hat, sondern es wird in seiner Folge ein Prozess angestoßen, die eigentlich nie zu einem Ende kommen kann, soll die Sauberkeit erhalten bleiben.] Im Yoga heißt das für einen Beginn der Praxis, das alle krankmachenden Anteile [1. Verspannungen, schlechte Gewohnheiten in allen Lebenslagen, falsche Nahrungsvorlieben, energetische Blockaden, Bewegungsmangel, häufiges stundenlanges Sitzen, usw.] dauerhaft umgestaltet werden müssen. Dazu werden die Stufen 3-5 verwendet, also Körper- und Atemübungen sowie die Fähigkeit, seine Sinne [1. Yoga kennt sechs Sinne. Zu den fünf bekannten kommt noch das Denken hinzu.] im Zaum halten zu können. Sind diese Aufgaben gelöst/erfüllt, kann mit dem „präventiven Yoga“ fortgesetzt werden.

Dieser Artikel beschäftigt sich ausschließlich mit dem präventiven Yoga. Dazu sollten als Voraussetzungen für den Beginn genannt werden:

1. Gesundheit, oder besser ausgedrückt die Abwesenheit von Krankheit.

2. Eine angepasste Ausformung der Lebensumstände und seiner Gewohnheiten.

3. Ein ausreichende bis gute Form des Alltags, die nicht-schädigend mit Körper und Geist umgeht.

4. Ein unbelastete Einbettung in eine Gesellschaft mit anderen Menschen.

Gewöhnlich sind Menschen in Mitteleuropa stets geneigt, diese Voraussetzungen bei sich selbst als gegeben anzusehen. Dem kann und werde ich nicht zustimmen können, und ich denke, das wird, so nicht ein Wunder geschieht, auch noch lange so bleiben. Warum schreibe ich das so? Die Menschen in unseren westlichen Gesellschaften werden doch älter als in allen anderen Lebensgefügen. Ja, das stimmt, aber sie werden nicht gesund älter, sondern können meist das hohe Alter nur mit eine Unzahl von Medikamenten und operativen Eingriffen erreichen. Häufig ist alt-werden mit Bewegungseinschränkungen, ärztlich verordneten Nahrungsrestriktionen, häufigen Einnahmen von Medikamenten, mangelnder Beweglichkeit sowie Kraftlosigkeit und allen Arten von Schwindel- und körperlichen und geistigen Degenerationserscheinungen verbunden. Ich bin der festen Überzeugung, das viele dieser Einschränkungen vermieden werden könnten, wenn die Menschen rechtzeitig, also noch in gesundem Alter, mit Präventionsaktivitäten beginnen würden. Aber, wie bereits gesagt, dafür müssten sie zunächst einmal zu einer relativen Gesundheit gelangen; relativ deshalb, weil Verletzungen und Behinderungen, die nicht gerichtet werden können, verbleiben müssen und sozusagen „das Best-Mögliche“ daraus gemacht werden muss.

Zu 1. Abwesenheit von Krankheit

In der Regel basiert unser Gesundheitssystem auf der Bekämpfung von bereits sich herausgebildeten Krankheiten, und das sehr oft erst dann, wenn diese bereits stark ausgeprägt sind, sich als chronisch erweisen und für wirksame Gegenmaßnahmen ohne Chemie oder Messer es bereits zu spät ist. Dann mit Yoga anzufangen, ist zwar nicht vergebens, aber eine mühsame und zeitaufwendige Angelegenheit. Eine sinnvolle Yogapraxis setzt voraus, das der Übende zumindest mit den Grundhaltungen der Asana- und Pranayama-Arbeit vertraut ist und über genügend Kraft, Ausdauer, Körperwahrnehmung und Beweglichkeit verfügt, um diese auch in einem geschwächtem Zustand einnehmen zu können. Das sehe ich heute meinen Beobachten zufolge bei vielen, die mit Yoga beginnen, als meist nicht gegeben an. Wenn sich also eine Einschränkung bereits etabliert hat, ist der Beginn mit Yoga sehr viel schwieriger, als wenn gesund begonnen wird. Woher kommen die ganzen Einschränkungen, die fälschlich zu lange als „noch“ gesund angesehen werden. Da ist der Arbeitsalltag, das sind einseitige Belastungen im Sport, da sind die Setzungen von Prioritäten wie Karriere und das Geld-verdienen-müssen usw. Und natürlich spielt auch Unwissenheit eine große Rolle. Ich empfehle, jung und gesund mit dem Übungen im Yoga zu beginnen. Dann sind die Grundlagen gesetzt, um bei Bedarf Unstimmigkeiten angehen zu können. Yoga so begonnen schafft ein hohes Maß an Körperwahrnehmung, was in der Folge den Menschen auch in die Lage versetzt, auch beginnende Schwierigkeiten mit Gesundheit/Krankheit frühzeitig erkennen zu können. So sind die Gegenmaßnahmen, die (noch) mit Yoga möglich sind, auch problemlos anwendbar.

Zur Gesundheit, wie sie für präventiv wirksames Yoga erforderlich ist, zählen auch eine normal ausgestaltete Beweglichkeit [1. Dazu gibt die Orthopädie folgende Normen vor: 1. Eine Vorwärtsbeuge im Stehen mit geraden Beinen, die mit den Fingern den Boden zu berühren imstande ist; 2. die Fähigkeit, die Hände hinter dem Rücken zu verbinden, wobei eine Hand über den Kopf geführt wird, 3. die Fähigkeit, im Sitzen mit ausgestreckten Beine die Zehen mit den Handgelenken berühren zu können; 4. in der Bauchlage einen Oberschenkel mindestens 10 Zentimeter ohne Mühe anheben zu können; 5. sich ohne Abheben der Fersen in die Hocke zu begeben; 6. in einem tiefen Ausfallschritt nach vorne sollten die Oberschenkel einen 180° Winkel zueinander erreichen; 7. in der Rückenlage sollte ein angewinkeltes Bein mit dem Knie auf der Gegenseite abgelegt werden können, ohne das sich die gegenüberliegende Schulterseite vom Boden abheben muss.], eine für den Alltag ausreichende Kraft [1. Beispiele: Treppensteigen können, einen Einkauf nach Hause tragen können, …] sowie eine ausreichende Ausdauer [1. Beispiel: …um einen langen Spaziergang machen zu können, um hier und da auch einmal eine Arbeit über einen längeren Zeitraum im Stehen durchführen zu können, …]. Mit anderen Worten gesagt: Es sollte ein ganz normaler aktiver Alltag bewältigt werden können. Die Beweglichkeit ist insofern besonders wichtig, da viele Organe, Gelenke, Faszien und andere Körperpartien Bewegung in ihrer Umgebung benötigen, um gut funktionieren zu können.



Zu 2. Lebensumstände und Gewohnheiten

Viele Menschen unserer Zivilisation neigen dazu, alle persönlichen Bedürfnisse den Parametern Arbeit und Familie unterzuordnen, und sie vergessen dabei, wie wichtig es ist, sich um sich selbst zu kümmern. Lebensumstände aber sind nicht festgeschrieben und schon gar nicht in Stein gemeißelt. Sie können verändert werden. Das Leben ist kein Gefängnis, wo ganz klare und oft auch erzwungene Regeln gelten. Wenn ich doch bemerke, das die Art und Weise, in der mein Leben abläuft, mir weder bekommt noch mir gut tut, oder mich sogar stark belasten und/oder sogar schädigen, ist doch ein Wechsel in besser geformte Umstände erforderlich. Außerdem ist doch jedem, der früh am Tag die vielen Menschen sieht, die sich mit Bewegungseinschränkungen zur Arztpraxis quälen, klar sein, das er/sie älter werden wird und es ein Wunder wäre, ohne Einschränkungen ganz leicht durchs ganze Leben huschen zu können. So sagen mir viele Yoga-Einsteiger, sie hätten früher eigentlich nie Zeit gehabt, eine Yogapraxis zu beginnen. Sie nehmen an, das dabei mindestens 90-120 Minuten täglich oder 2-3 mal in der Woche notwendig wären. Dem ist nicht so. Ich denke, das einmal pro Woche eine 90 minütige Übungsreihe unter Anleitung plus 10-15 Minuten jeden Tag [1. …mit gesetzten Schwerpunkten entsprechend der Belastung oder nach Vorgabe eines Lehrers…] eine ausreichende Praxis darstellen, solange (noch) keine hartnäckigen Einschränkungen vorliegen.

Exkurs: Halten wir zunächst einmal fest: Der Mensch ist eine Einheit aus Körper und Geist. Und stellen wir weiterhin fest, das viele Organe und ihre Funktionen ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen. So hat zum Beispiel eine niedrig-gradige oder stille Entzündung [1. Stille Entzündungen spielen sich konstant im Körper ab und äußern sich anfangs mit diffusen Symptomen. Dazu zählen: Schlappheit, Müdigkeit, Antriebslosigkeit. Allgemeines Krankheitsgefühl. Häufige Infekte. Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Paradontose, Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit, …] ganz bestimmt eine oder mehrere Ursachen, die nicht ganz so einfach nach dem „wenn, dann…“-Schema betrachtet oder sogar diagnostiziert werden können. Falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, Schädigungen und Einschränkungen aller Organe, Stress, übermäßige körperliche Belastungen, eine Überlastung des Körpers und was sonst noch alles können dies mit verursacht haben. Von Alkohol und anderen Unsitten will ich gar nicht erst anfangen zu schreiben. Wäre es nicht schön, wenn manche der genannten möglichen Ursachen schon frühzeitig zu erkennen gewesen wären. Man hätte rechtzeitig Abhilfe schaffen können. So aber setzt sich die ganze Kolonne mit stetig steigender Anzahl von Missständen in Bewegung, die so einfach gar nicht (mehr) zum Stillstand gebracht werden kann. Der geübte Yoga-Praktizierende erkennt viele dieser Schwierigkeiten schon sehr früh, weil er für Veränderungen im Körper sensibilisiert ist. Viele weit verbreitete Beschwerden der heutigen Zeit beruhen auf diesen oder ähnlichen Prinzipien. Es ist doch so, das ein Missstand, der nicht erkannt wurde, eine ganze Latte von weiteren Missständen nach sich ziehen kann/wird. Und Missstände sind nicht nur Organversagen oder Verletzungen, sondern sind auch zu vieles Sitzen, zu wenig Bewegung, einseitige Ernährung usw., also Motive, die oft gar nicht mit Gesundheit in Beziehung gebracht werden. Meiner Erfahrung nach werden solcherlei wirksame Motive alle sehr frühzeitig von Körper und Geist angekündigt. Mangelnde Bewegung wird durch Unruhe angezeigt, vieles Sitzen erzeugt schwere Beine und Schwächen im Herz/Kreislauf-System. Und was einseitige/falsche Ernährung anrichtet, muss ich nicht extra beschreiben, das geht von der Magersucht bis zur Fettleibigkeit, von Störungen des Verdauungssystems bis zu Vergiftungen und Mangelerkrankungen. Wenn wir immerzu nur Symptome zu lindern oder abzustellen gedenken, wird eben die Kolonne der Schwächen immer länger. Eines zieht das Nächste und das Weitere hinter sich her, und irgendwann ist dann Schluss mit der lustigen Kolonnenfahrt, und der Körper zieht die Notbremse: Chronische Krankheit.

Zu 3. Sich nicht Selbst-schädigend verhalten

Um zu erkennen, welche aktuellen Reaktionen im Körper ablaufen, muss der Übende sensibilisiert sein, sonst erkennt er diese nicht und/oder interpretiert seine Beobachtungen falsch. Im Grunde genommen ist gesundes Leben doch sehr einfach:

1. Sich weder körperlich noch geistig überlasten.

2. Sich seinen körperlichen Stärken und Schwächen entsprechend verhalten.

3. Zeitweise auftretende Einschränkungen und ebensolche Dauereinschränkungen berücksichtigen [1. Jeder wird älter und verliert somit langsam aber sicher Körperspannung und Kraft. Mit 70 ist man keine 20 mehr. Schwangere Frauen sollten keine große Lasten tragen. Übergewichtige sollten auf ihre Ernährung achten. Die Einnahme von Medikamenten (z.B. Antibiotika) erfordern oftmals eine angepasste Nahrungsaufnahme. Zucker und Nicotin sind Suchtmittel. Und so könnte es noch Seitenweise weitergehen…]

4. Sich frei machen von Vorurteilen, Zwängen und ungeschriebenen Gesetzen. [1. Das ist notwendig, da jeder der genannten Punkte zumindest für Ärger, Leid und Lasten sorgen, wenn nicht sogar zu psychischen Störungen führen wird, die durchaus bereits als Krankheit angesehen werden können.]

Sich nicht-Selbst-schädigend verhalten heißt nicht, sich den Regeln der Ernährungsmoden zu unterwerfen. Ich zum Beispiel esse, was mir schmeckt und gut bekommt, und vertraue Sie auf meine eigene Wahrnehmung, und nicht auf Werbung und Studien. Auch werde ich mich nicht verleiten lassen, irgendwelche Dinge zu tun (Sport, Untersuchungen, Einschränkungen), die mir nicht selbst in den Sinn gekommen, also mir von außen zu-diktiert werden. Ich achte darauf, das ich die mir mögliche Beweglichkeit erhalten kann und mache Übungen dazu. Weiterhin achte ich darauf, ob und wie mein Alltag mir gelingt. Kann ich meine Einkäufe tragen, kann ich meinen Gartenarbeiten, meinen Wohnungsarbeiten, meine sportlichen Hobbys nachkommen, ohne danach erledigt, abgespannt oder übermäßig müde zu sein? Sollte hier und da ein Symptom auftreten, schaue ich mir das genau an und sorge mit Yoga oder anderen Maßnahmen für Abhilfe.



Zu 4. Die Einbettung in eine Gemeinschaft

Ich würde eine Empfehlung für alle aussprechen: Sich in ein gesellschaftliches Gefüge einordnen sollte immer angestrebt werden, sofern sich dieses nicht Menschen-feindlich verhält. Sollte es das doch tun, und ich gehöre ihm bereits an, ist Selbstschutz immer wichtiger als Gerechtigkeit. Nur so kann heute ein Mensch sein Leben sinnvoll gestalten. Anderes Beispiel: Ich werde, um meine Wasserkisten nach Hause zu transportieren, mich mit Sicherheit nicht auf ein Fahrrad verlassen, nur weil das in Mode gekommen ist. Ich mag mein Auto. Es war mit 18 Jahren und aus der Provinz stammend im Jahre 1972 ein Werkzeug zur Erlangung von Freiheit. Und ich werde es weiter verwenden, bis es mir verboten wird. Ich mag es auch nicht, zu einer Veranstaltung oder Feier durch das Fahrrad nass, durchgeschwitzt und abgehetzt anzukommen. Wozu ich allerdings gerne bereit bin, ist, mich an die mir vorgegebenen Gesetze zu halten. Ich bezahle meine Steuern und fahre auf der rechten Seite einer Fahrbahn. Aber, was nicht verboten ist, ist grundsätzlich erlaubt. Und was mir erlaubt ist, lasse ich mir nicht durch irgendwelche Mobbing-Gruppen absprechen. Was ich ebenfalls ablehne, ist meine Ansicht mit Druck, unlauteren Mitteln und voller Lautstärke durchsetzen zu wollen. Ich sagte es: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Und wenn mir mal was nicht passt, und weil es eben nicht verboten ist, reagiere ich darauf mit Toleranz [1. Kommt vom lateinischen „tolerare“ und heißt nichts anderes als ertragen, erleiden, erdulden.] Die Gesellschaft erlässt Gesetze. Wenn ich ihr angehören möchte, sollte ich sie befolgen. Alles andere ist, um es gelinde auszudrücken, unpassend. Wenn ich trotzdem Protest anmelden möchte, schreibe ich eine Veröffentlichung oder gehe auf eine angemeldete Demonstration. Dafür gibt es wie für alles andere Regeln. Und wenn mir die bestehenden Regel nicht gefallen, melde ich mich in einer Partei an und versuche so, diese zu ändern. Sachbeschädigung, Behinderung und Nötigung sind Straftaten, aber mit Sicherheit kein Protest. Nur so kann eine Gesellschaft bestehen. Ich kenne keinen anderen Weg. Wenn ich das nicht akzeptiere, sollte ich mir eine andere Gesellschaft suchen. Es gibt genug davon auf dieser Welt. Die Einbettung in eine Gesellschaft ist heute absolut notwendig. Ich kenne keinen Ort auf der Welt, wo dieses anders gestaltet wäre. Wenn ich ein freies, gesundes und gestaltendes Leben führen möchte, muss ich das wohl oder übel in Kauf nehmen. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Hier fehlt leider jede Alternative. Ich empfehle, sich mehr und mehr unauffällig zu verhalten, weil: Menschen im Rampenlicht verlieren ihre Freiheit, nicht, weil sie diese durch den erworbenen Ruhm verlieren könnten und/oder abhängig werden, sondern weil andere sie unmöglich machen werden. Meine Beobachtung sagt eindeutig, das „berühmt“ und „frei“ selten miteinander harmonieren.

Soweit zu den Voraussetzungen. Kommen wir zurück zu dem, was ich Eingangs „Präventives Yoga“ genannt habe. Yoga so verstanden dient für einen Menschen, der die vier Punkte (s.o.) [1. Nicht-Selbst-schädigend, den Umständen angemessen, Abwesenheit von Krankheit, Einbettung in eine Gemeinschaft] gemeistert hat, hauptsächlich dazu, sich die so erworbene Freiheit zu erhalten. Regelmäßiges leichtes Üben von Yoga spürt jede Form von Anspannungen, Blockaden, Organschwächen und Belastungen sicher auf. Und jeder Übende kann dann relativ früh mit Gegenmaßnahmen beginnen, sei es, das ein Arzt zu Rate gezogen werden, eine Gewohnheit geändert, eine Beziehung angepasst oder ein Arbeitsalltag verbessert werden müsste. Zuerst kommt immer die Wahrnehmung einer Notwendigkeit, bevor diese in Handlungen oder Lebensveränderungen gestaltet werden kann. Das Yoga so nebenbei auch meist noch verhindert, das Blockaden überhaupt entstehen, Verspannungen sich fest etablieren oder Stress sich negativ auswirken kann, kommt noch fördernd hinzu. Dazu kommt eine gut trainierte Körperverfassung, eine durch und durch bewegliche und belastbare Muskulatur und ein Geist, der nicht verlernt hat, wahrzunehmen, zu lernen und seine Umwelt zu verstehen. Konflikte entstehen nicht, Leiden entsteht nicht, Mangel und Degeneration werden zumindest gebremst. Kann ich jemand mit diesen Aussagen zum Yoga locken? Bei mir war das erfolgreich. Ich bin fast 70 jahre alt und gesund und munter, komme ohne Medikamente aus und bin für mein Alter fit wie ein Turnschuh.

Unentschiedenheit

Wo kommt aber jetzt noch die Unentschiedenheit hinein, wo ich doch auf mehreren Seiten detailliert und ziemlich genau erklärt habe, was zu tun und zu lassen sei. Nun, das stimmt so nicht ganz. Denn erklärt habe ich nur den Weg, der zur Freiheit von Beschränkungen, dem Ausgangspunkt einer präventiven Yogapraxis, führt. Was ich nicht erklärt habe und auch nicht erklären kann, ist die Technik, das Rezept oder das Konzept, wie sie danach dauerhaft zu erhalten ist. Das kann ich auch nicht, weil: Es gibt keine Technik, kein Rezept und kein Konzept, das, sind die Voraussetzungen erfüllt, zum Erhalt derselben beitragen könnte. Ich nutze nur meine Übungen, um sich einschleichende Fehler aufspüren zu können. Gibt es keine: schön, gibt es welche: auch schön, weil ich sie nämlich jetzt kenne und beseitigen/umgestalten kann. Und alles darüber hinaus ist der Freiheit anheim gegeben, und die ist so individuell, so wechselhaft und unplanbar wie der Mensch und sein Leben. Und so wird wieder einmal, diesmal über Yoga ausgesprochen, ein „Schuh“ der Unentschiedenheit daraus. Wohin er mich tragen wird, weiß ich nicht und will auch eigentlich auch nicht (mehr) wissen. Freiheit heißt doch, jetzt und hier für mich jederzeit Entscheidungen treffen und sie vollziehen zu können/dürfen. Da gibt es keine Regeln außer die meiner Gemeinschaft und die meiner Möglichkeiten. Und selbst das ist/kann nicht für alle Zeit als festgezurrt (gelten). Und wenn etwas offen ist, unentschieden eben, gibt es wenig darüber zu berichten.




Es gibt viel nachzudenken…

Es gibt viel nachzudenken, denn die Stimmungsfarben der Erinnerung verblassen mehr und mehr und mit den Jahren kommt die Zeit der Aufgaben immer näher.Aufgaben sind aufzuarbeiten, solange die Farben noch leuchten und nicht im Dunkel des damals versinken, und aufarbeiten heißt aufgeben. Die Neigung, festzuhalten ist mächtig, Energie und Raum sind zwar unendlich im Sein, aber begrenzt für ein Wesen. Somit erfüllt eine Aufgabe immer beide Perspektiven der Begrifflichkeit, die stets mit lösen beginnt und die mit davon sich lösen endet. Dualität und Begrifflichkeit sind mächtige Werkzeuge des Denkens, aber sie haben immer mehrschneidige Kanten. Denken wie es vorherrscht bevorzugt die Reflexion der Vergangenheit, die über die Gegenwart in die Zukunft projiziert. Und spätestens dieser Satz trennt die Inhalte des Denkens in mindestens zwei Portionen. Da ist einerseits das Wissen, das ganz klar Bilder, Schlussfolgerungen, Ableitungen und Formel aufweist und einen Blick in die Zukunft zulässt, und da ist die Erfahrung, die stets nur gegenwärtig gelebt werden kann und unablässig der Veränderung unterworfen ist.

Wissen und Erfahrung sind nie in Reinform vorhanden, sondern treten stets durchmischt auf. Zweitausendfünfhundert Jahre Philosophie-Geschichte legen Zeugnis davon ab, das Reinformen nicht verwirklichbar sind. Und hier sehen wir auch, welche Steine dem nur schlussfolgernden Denken einerseits und dem rein intuitiven Denken andererseits in den Weg gelegt sind. Wenn aber immer nur Mischformen vorliegen, muss es immer irgendwo eine Schwelle geben, wo erinnern und erfühlen ineinander fließen. Diese Schwelle zu finden jeden Tag aufs Neue ist eine erste, individuelle Aufgabe, die zu lösen ein sich zu lösen ermöglicht. Erfahrung zeigt sich in vielen Formen. Die einfachste Form ist die des Lebens an sich, die im Todeskampf und im Lebenswillen sich äußert. Gewaltig, unerbittlich wird hier Wissen und Erfahrung der Vergangenheit ignoriert zugunsten neuer, vollkommen unerprobter Verhaltensweisen. Sucht und das was wir so nennen zeigt immer in diese Richtung, und wir alle sind süchtig, sei es nach Leben, nach Atem oder Nahrung, nach Rausch, Betäubung oder Freiheit. Sucht so gedacht ist mächtiges Wissen von Erfahrung in Form eines Stromes, der sein Bett schon gestaltet hat, unaufhaltsam, reißend, vorhersehbar. Ganz anders zeigt sich die Stimmung, die, obwohl ebenso getränkt von Wissen und Erfahrung, bei Regen als Fluss und bei Trockenheit als Rinnsal, keine konstante Strömung und Kraft aufweist. Hier verschiebt sich die Schwelle, aufgrund welcher Kraft auch immer, als ein Anschwellen und Erblassen. Es ist das Veränderliche in der Stimmung, die uns zu schaffen macht, die mal aufrütteln, mal erbleichen lässt und die nicht zugesteht, das Morgen vorauszusehen. Hier angesiedelt erscheint das allzu Menschliche, die Stärke im Schwachen, die Schwäche im Starken, Gezeiten mit unbekannter Ursache. Anders als die Stimmung ist die Prägung mehr von Dauer. Der Sucht nicht ebenbürtig, erscheint sie mehr wie ein konstant fließender Bach, der, von einer Quelle gestärkt, noch auf der Suche nach Festigkeit sein Bett nicht endgültig gefunden zu haben scheint. Hier wirkt eine in vielen Durchläufen gefestigte Erfahrung auf einem festen Sockel von Wissen. Die Schwelle ist zwar fest verankert, aber durch ihre Verankerung erscheint ihr Wirkungsort räumlich begrenzt.

Sucht, Stimmung und Prägung sind die drei Pfeiler der Erfahrung. Sie sinnvoll leben zu können heißt sie kennen und unterscheiden zu können. Ein unterscheidendes  Kriterium dazu ist Stetigkeit, ein zweites Kraft, ein drittes Vorhersehbarkeit. Schön wäre ein stetig gespeister Fluss im Bett eines Stromes, mal anschwellend, mal locker fließend, aber immer in Fülle und Bewegung, ein stetiges Fließen in festen Bahnen dem Ozean entgegen. Leben ist Gestalten, auch wenn Extreme gemieden werden. Nur noch ein Bach der Prägung zu sein ist schon lebendiges Sterben. In der Jugend ein Bett sich gegraben habend, sollte Altern ein steter Fluss werden und niemals Erlöschen im Rinnsal sein. Dann noch irgendwann die drei Pfeiler zu überwinden und nur Ozean zu sein, der zum Ziel erlöste Fluss, das wäre die letzte Aufgabe, die ein letztes Aufgeben beinhaltet. Dann ist Stille, sagen die Gelehrten, ein schöner Gedanke…