Meditation – Dhyana und Zazen
Wenn wir heute in Wikipedia nachschlagen, um die Verwendung des Begriffes Meditation zu ergründen, werden wir erschreckt feststellen, das damit Alles und auch Nichts gemeint sein kann, das jede beliebige bewusstseinsbildende, esoterische und religiöse Richtung etwas anderes damit meint, alle meist nur ihre Dogmen und Glaubensinhalte vertreten und natürlich auch bestätigt sehen möchten und damit genau das tun, was man heute mit Themenbesetzung benennt und was zielgerichtet nur zu einer Meinungshoheit führen soll.
Zunächst einmal sollten wir beim Namen nennen, was schon einen Namen hat. Wenn wir also beim Sitzen in „Meditation“ in die Flamme einer Kerze schauen oder ein Mantra rezitieren, dann verfolgen wir die Technik des Dhyana, der yogischen Meditation. In einer Asana üben wir Asana, in Pranayama üben wir Pranayama. Wenn wir dabei Begriffe wie Shiva oder Vishnu verwenden, verfolgen wir eine hinduistische Meditationsform, die ebenfalls Dhyana genannt werden darf, aber einen religiösen, dogmatischen Hintergrund hat. Wenn wir Zazen üben, verfolgen wir eine buddhistische Meditationsform, die mit den Begriffen Nichts und Leere arbeitet. Wenn wir TZM verfolgen, üben wir mit einem begrifflosen Mantra, wenn wir kämpfen, betreiben wir Kampfsport oder –kunst, wenn wir tanzen, tanzen wir. Ich finde es einfach sinnvoll, die Dinge beim Namen zu nennen, auch wenn das Ziel all dieser Wege gleich sein sollte, was allerdings erst einmal hinterfragt und auch beantwortet werden muss. Selbst wenn wir eine positive Antwort dazu annähmen, erreichen wir -um eine Metapher zu gebrauchen- Lissabon entweder mit dem Flugzeug fliegend, mit dem Schiff schwimmend und über den Landweg fahrend. Jeder Weg hat seine Namen und seine Inhalte.
Worüber ich hier sprechen kann sind ausschließlich sind die Wege des Zazen und Dhyana, die ich selbst verfolgt habe oder verfolge, und das auch nur soweit ich darauf selbst Erfahrungen machen konnte und soweit ich in der Lage bin, darüber auch zu berichten. Nicht jede Erfahrung lässt sich auch gleich und leicht in Worten fassen, nicht jede Erfahrung eignet sich zur Weitergabe an Mitmenschen und natürlich gibt es auch Erfahrungen, die ich gar nicht weitergeben möchte, da sie mir zu persönlich erscheinen. Das ich trotz dieser Einschränkungen bereit bin, die Lehre des Sitzens in Meditation an Kursteilnehmer weiterzugeben, beruht auf der Einsicht, dass unsere Gesellschaft Menschen braucht, die zu einer Meditationspraxis fähig sind.
In jeder beliebigen Meditationspraxis können Erfahrungen gemacht werden, was an sich profan ist und sich daraus ableitet, das wir in jeder Sekunde unseres Lebens Erfahrungen machen können. Wenn wir allerdings in einer Übungspraxis auf Erfahrungen hinarbeiten, müssen wir uns darüber im Klaren sein, welche Erfahrungen wir denn zu machen wünschen, denn: Die Erfahrungen jeder Meditationsform werden in aller Regel in jeder Tradition anders beschrieben und auch anders benannt. So ist zunächst einmal die Unterscheidung wichtig, ob diese Erfahrungen einen mehr praktischen Nutzen haben sollen wie z.B. die Stärkung der Konzentrationsfähigkeit oder die Fähigkeit, gut einschlafen oder abschalten zu können, oder ob diese Erfahrungen dem Leben an sich als Erweiterung, Vervollkommnung oder Entwicklung dienen sollen. Die erstgenannten Motive können als „ich meditiere, um… zu ermöglichen“ zusammengefasst werden, die letztgenannten als „ich meditiere, um… zu werden“.
Dann ist es wie bei allen Erfahrungen notwendig zu entscheiden, in welcher Sprache und Form ich diese Erfahrungen ausdrücken, selbst leben oder weitergeben möchte. Arbeite ich also bei der Weitergabe in einem buddhistischen, christlichen oder hinduistischen Sprach- und Ausdrucksgefüge oder bevorzuge ich eher eine wissenschaftliche Form wie Psychologie, Psychoanalyse oder Philosophie. Während die religiösen Formen relativ genau gefügte Ausdrucksweisen besitzen, die grundlegende Dogmatiken nicht ausschließen können, sind die mehr atheistischen Formen vielgestaltiger, differenzierter und daher auch sehr viel mehr mit der Gefahr belastet, sich im Dschungel der Variationsmöglichkeiten zu verirren. Alle Sprachen, Wissenschaften, Religionen und Weltanschauungen haben bereits in ihrem Grundkonstrukt eine vorgegebene Sichtweise eingearbeitet, aus der innerhalb eines Beschreibungsversuches nicht oder nur schwer ausgebrochen werden kann. Lediglich die Absicht, sich auf „nur sich selbst leben“ zu beschränken, kann auf die Formulierung in Sprache verzichten; und auch dieses wird schwierig sein, lebt man doch selbst als Einsiedler nicht allein auf dieser Welt und könnte in die Not geraten, seine Reaktionen oder Nichtreaktionen anderen Menschen erklären zu müssen. Selbst Heilige haben sich in der Vergangenheit aufgrund ihrer Aussagen schon mal schnell in der Psychiatrie oder auch auf einem Hinrichtungsplatz wiedergefunden. In neuerer Zeit scheitern Ehen und Familien, Freundschaften und Sozialgefüge an einseitig ausgelegten und unerklärbaren Entwicklungen. Daher empfehle ich allen Meditierenden, sich vorab schon einer erklärbaren, verstehbaren Sprache zu bemächtigen.
Der Aufbruch in ein anderes Seins Gefüge, das viele Traditionen als hohes Ziel versprechen, sollte nur dann angestrebt werden, wenn man sich in seiner jetzigen eigenen Haut nicht (mehr) wohlfühlt. Der Weg endet immer im Unbekannten und kann seine Versprechen einlösen – oder auch nicht. Sich aufzumachen, um etwas Neues zu gewinnen aus Stolz, Ehrgeiz oder Prahlsucht wird, so ist in allen Schriften zu lesen, immer im Desaster enden. Was angestrebt werden kann ist (mehr) Freiheit, Weisheit und Entwicklung, und diese können nur dem Menschsein an sich dienen, nicht aber persönlichen Begehrlichkeiten. Gier, Hass und Verblendung sind, so sagt man im Zen, zu lösen, nicht zu pflegen. Meditation in moderner Form ist eine höchst persönliche Praxis, ist an sich nicht formalisierbar, ist nicht institutionalisierbar und nicht organisierbar. Ein Lehrer und eine Schule können Hilfe geben und einen Schutz- und Übungsrahmen setzen. Die Arbeit an sich aber ist immer dem Menschen selbst vorbehalten.
So vermittelt und praktiziert kann Meditation gelingen. Alles andere ist im meiner Vorstellung heute nur neuer und daher ungereifter Wein in alten verkrusteten Schläuchen.