Workshop-Info zu „Körperspannung, Beweglichkeit, Energiefluss“

Die Thematik dieses Workshop beschäftigte sich mit der Frage, wie „ich in eine Haltung hineinkomme“, „wie ich diese Haltung einrichte“, um sie stehen zu können und „wie der Fluss der Energie gestaltet sein muss“, um die Vorgaben Patanjali’s (fest und mühelos) zu erfüllen. Dazu haben wir zu Beginn eine Gliederung vorgenommen, mit der eine zu untersuchende Haltung in Betrachtungsphasen zerlegt werden kann:
1. Das Einnehmen der Haltung (bewegend, dynamisch)
2. Das Korrigieren der Haltung aus dem Wissen heraus (mental, rational, erinnernd)
3. Das Energetisieren der Haltung (ausfüllend, fest, mühelos)
Sich in eine Haltung hinein bewegen erfordert Körperspannung, eine ausreichende Beweglichkeit und natürlich auch Energiefluss. Überhaupt sind diese drei Motive immer zusammen anzutreffen. Sie sind daher ein wenig so zu betrachten wie die drei Doshas im Ayurveda. Sie ergänzen sich zu einem Ganzen.
Körperspannung ist der Initiator jeder Bewegung. Wird der Impuls zur Bewegung gesetzt, ist die Körperspannung relativ hoch, in der Bewegung fällt die Spannung auf ein sinnvolles Maß zurück und in der energetisierten Haltung zum Ende erreicht die Körperspannung den Wert, den man in der Physiologie „Tonus“ nennt und der als vollkommen entspannt gelten kann, denn unter diesen Wert wird einer wacher Mensch seine Spannung nur in Ausnahmefällen fallen lassen können.
Anders steht es mit Beweglichkeit. Beweglichkeit ist ein Motiv mit Persönlichkeitsmerkmalen. Nicht jeder Mensch ist gleich beweglich und innerhalb der Muskulatur und der Gewebe des Einzelnen gibt es weitere große Unterschiede. Nicht jede Haltung (Asana) ist daher für jeden Menschen gut und wirksam. Vielmehr muss der Übende diese Haltung auch weitestgehend entspannt (mit wenig Körperspannung) einnehmen können, um die Wirkung der Asana, die erst mit der gelungenen Energetisierung beginnt, genießen zu können. Ist die Körperspannung zu groß, kann Energie nicht fließen und die Haltung wird zu einer Dehnungsübung (was durchaus auch erwünscht sein kann).
Die Energetisierung der Haltung ermöglicht das Herabsetzen der Körperspannung auf Tonus-Niveau. Dabei übernimmt der Energiefluss, der immer als Bewegung gefühlt werden kann, die Fixierung der Haltung. Meist werden dazu Motive der Polarität verwendet, wie sie im Yoga mit den Energiepaaren „Prana/Udana und Apana“ beschrieben werden. „Prana/Udana“ sind dabei sich öffnende, sich ausdehnende Wahrnehmungen, „apana“ sind Wahrnehmungen der Schwere. Liegen beide Wahrnehmungen (Schwere und Ausdehnung) nebeneinander oder ineinander in einer Asana vor, kann die Haltung energetisiert genannt werden und benötigt nur noch das Tonus-Niveau an Körperspannung, wobei dieses oftmals bewusst herbeigeführt werden muss.
Diese drei Motive verschlingen sich ineinander und sind entscheidend für die Auswahl der zu übenden Asanas. Will ich energetisiert (wirksam) Üben, muss die gewünschte Haltung entspannt eingenommen werden können. Gelingt das nicht, ist die Übung lediglich eine Dehnübung. Zu nahezu allen Asanas gibt es vereinfachte Variationen, die auch von weniger beweglichen Teilnehmern entspannt eingenommen werden können. Diese sind daher in einer auf Wirksamkeit ausgerichteten Übungsfolge den vollen Asanas vorzuziehen.
Wenn ich also eine wirksame Haltung einnehme, beginne ich mit einer hohen Körperspannung für die Bewegungsinitiation bis zum Erreichen der äußeren Endhaltung. Läuft dann die Bewegung, reduziere ich die Spannung kontinuierlich, um die Haltung korrigieren zu können. Hierbei greife ich auf meinen Erfahrungsschatz zurück, der meist im regelmäßigen Zusammenwirken von Lehrer und Teilnehmer aufgebaut wurde. Als dritte Stufe folgt das Einrichten und Aufbauen der Energieströme (Ausdehnung und Schwere), die von einer sich zum Tonus absenkenden Körperspannungsreduktion begleitet wird. In der energetisierten Endhaltung spüre ich dann immer eine Bewegung, die sich entweder mit oder gegen die Schwerkraft etabliert. Bewegungen außerhalb der Schwerkraftrichtung benötigen Bhandas, um dauerhaft fließen zu können. Diese Bewegungen werden dann durch das energetische Gefüge gespeist und reißen daher niemals ab. Aus dem Zusammenwirken dieser Einrichtungen entsteht am Ende eine Haltung, die „fest und mühelos“ und „wirksam“ genannt werden darf.
Wir haben im Workshop versucht, diese Vorgehensweise in verschiedenen Asana zu erspüren und nachzuvollziehen. Hierbei wurde mehr als deutlich, dass Beweglichkeit wie anfangs beschrieben eine entscheidende Rolle spielt und dass nicht jede Haltung für jeden Teilnehmer geeignet ist, um das volle Wirksamkeitsgefüge zu entfalten. Zum Trost sei gesagt, dass auch die nicht gelungene Haltung schrittweise auf die Beweglichkeit hinarbeitet, die zur Erfüllung der Aufgabe zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich ist.
Das Thema ist neu in meiner WS-Reihe und daher danke ich allen Teilnehmerinnen für ihre Geduld und die große Aufmerksamkeit, die schon hier und da durch die Schwierigkeit der Motive und die Möglichkeiten der Darstellung auf die Probe gestellt wurde.




Workshop–Info zu „Die drei Bandhas“

Wie jeden ersten Sonntag im Monat fand auch am 1. Juli 2012 wieder ein Workshop statt. Das Thema diesmal: DIE DREI BANDHAS.

Wer sich mit Yoga beschäftigt und bereit ist, etwas mehr in die Tiefe der Lehre, so wie sie überliefert ist, hinabzusteigen, wird über diese „Verschlüsse, Riegel oder Bindungen“ sehr unterschiedliche Ansichten und Beschreibungen erfahren. Ich möchte hier nicht sehr viel darüber räsonieren, aber immer wieder werden sehr zu meinem Leidwesen Bilder zur Ausführung dieser Übungen gezeigt, die an zu leistender Schärfe und Anstrengung keinen Zweifel lassen.
Mein Zugang zu diesem Thema ist abweichend zum Genannten deutlich entspannter, gelassener!

• Zunächst einmal würde ich Bandha viel lieber mit dem Wort „Siegel“ übersetzen, dann pflege ich diese nur sehr fein und mit sehr wenig Muskelkontraktionen anzuwenden und würde auch nicht behaupten wollen, dass diese Siegel immer und zu jeder Gelegenheit angewendet werden sollten.
• Weiterhin gehören für mich persönlich alle drei genannten Bandhas (Mula-, Uddiyana- und Jalandhara-Bandha) in Ausführung und Wirkung zusammen, bewirkt Mulabandha (Beckenbodensiegel) doch ein nahezu automatisches Uddiyanabandha (Bauchsiegel) und eröffnet auch räumlich den Einstieg ins Jalandharabandha (Nackensiegel). In der Literatur wird dieses Dreigespann dann Mahabandha (großes Bandha) genannt.
• Dann sind Kontraktionen der Muskulatur nach meinem Befinden nur sehr begrenzt nötig, um das Bandha zu erfahren. Im Stehen würde dabei nur ein leichtes Zurückweichen der Bauchdecke und eine leichte Öffnung (Weitung) des Brustkorbes zu sehen sein. Die dabei erreichte Haltung ist frei im Atem und ohne Anstrengung leicht zu tragen.
• Dann ist Mulabandha weder eine Kontraktion der Schließmuskeln noch ein Zusammenziehen der Gesäßmuskulatur, sondern das Bandha wird nur mit der inneren Schicht der Beckenbodenmuskulatur, der Diaphragma pelvis bewirkt. Da die Beckenbodenmuskulatur durch die Aufgabe, die Körperöffnungen zu verschlossen zu halten, ständig unter Ruhespannung steht, greift Mulabandha sozusagen Energie dort ab und leitet sie nach oben, wo Uddiyana den Weitertransport bewirkt und Jalandhara den Zugang zum Kopf sicherstellt. Dieser Energiestrom versorgt dann die Haltung (Asana) mit der notwendigen Spannung (Tonus), so dass darüber hinaus keine muskuläre Anstrengung mehr nötig ist.
• Energie kann prinzipiell nicht gehalten werden, sondern ist seinem Wesen gemäß immer ein Strom. Daher bewirken die Bandhas auch kein Verschließen, sondern im Gegenteil ein andauerndes Offenhalten!

Wir haben im Workshop durch einfache Übungen versucht, die Wahrnehmung für diese Vorgänge zu stärken und diesen energetischen Strom bewusst zu erleben. Jede Asana, deren Bewegungsrichtung der Wirbelsäule folgt oder durch diese gestützt wird, kann unter Bandha-Einfluss nahezu mühelos gestanden und trotzdem als sehr fest erlebt werden.

HS(120719)