Fragen, Freiheit und der bevorstehende Lebensabend

Habe ich hier auf der Welt eine Aufgabe zu erfüllen?
Nahezu alle Kulturen, Religionen und Ansichten in und über die Welt beantworten diese Frage mit ja, und im gleichen Kontext würde eine Antwort nein stets als eine krankhafte Geistesstörung angesehen. Was ist oder kann also Aufgabe eines Lebens sein. Da wir auch hier in Relationen denken müssen sind viele Antworten möglich. Die grundlegendsten davon beinhalten immer die Fortsetzung, den Erhalt der Art, des Lebens und damit der uns bekannten Welt. Es ist bezeichnend für diese Fragestellung, das eine Antwort nein auch das Erlöschen der Frage bedeuten würde. Setze ich die möglichen Rahmen der Betrachtung enger, könne eine Antwort möglich sein, das Leben auf der Welt zu verbessern (Hunger, Armut, Not abzuschaffen) oder über eine Öffnung und Weitung des Bewusstseins neue Möglichkeiten zu erschließen.

Was ist wichtig?
Diese Frage fragt nach einem Rahmen, in den ich künftige Entscheidungen einbetten kann und mir eine Hilfe dabei gibt, die mir Sicherheit vermittelt. Doch wie wir gesehen haben in der Argumentation oben, gibt es keine richtige, keine einzige Antwort auf diese Frage außerhalb der Relativität. Auch hier ist der Rahmen von mir selbst zu setzen, und innerhalb dieser Konfiguration dann sind Entscheidungen sicher möglich. Es gibt sehr weite Rahmen, sehr enge Rahmen, beide mit der Möglichkeit großer Autoritäten oder auch, wie in den bereits genannten Weltanschauungen, der Verzicht auf Setzungen. Wichtig auf jeden Fall ist die Annahme, dass unser Leben als Art erhaltenswert ist und weitergeführt sollte. Damit verbunden ist auch die Sorge um die Erde, die zumindest heute noch die einzig mögliche Lebenswelt darstellt. Wichtig wäre also zu leben, das Leben und somit auch die Erfahrungen und Wissen darüber weiterzugeben an künftige Generationen.

Wie wir bisher sehen konnten kreisen die Fragen nach dem Grund und der Gestaltung eines Lebens immer um die gleichen Punkte, und wie immer die Fragen auch umgestaltet werden, die möglichen Antworten handeln von sich wiederholenden  Motiven:

  • Meine Antworten können immer nur relativ gestaltet sein, benötigen eine Rahmensetzung
  • Solche Rahmen werden Weltbild, Religion oder Kultur genannt. Sie regeln das Zusammenspiel einzelner Wesen.
  • Wichtig erscheint einzig die Weiterführung der lebendigen Welt, die zurzeit nur auf diesem Planeten bestehen kann.
  • Wir haben auf jeden Fall eine Aufgabe.

In den grundlegenden Fragen gibt es nicht Gerechtigkeit, nicht definierte Besitzstände, nicht Macht, nicht Status und nicht Notwendigkeit. Was wir leicht erkennen können ist die übermächtige Wirksamkeit der fortgesetzten Relativität aller Annahmen und die Notwendigkeit, sich für seine Person zu entscheiden. Was wichtig wird, ist in welchem Rahmen ich leben möchte: selbstbestimmt oder aus einer Nicht-Entscheidung heraus, indem ich fraglos akzeptiere, was gerade so ist. Letzteres bedeutet, in eine Kultur und Religion hineingeboren zu sein, dort ein durchgeregeltes Leben zu leben ohne Wenn und Aber, ohne Fragen und … ohne Unsicherheit, denn genau diese Sicherheit ist ja der Kern jeder kulturellen Anbindung. Seltsam für mich ist, dass die meisten Menschen die letztgenannte Möglichkeit wählen. Wenn ich so in die Runde meiner Gespräche schaue geht es überwiegend um Status (wie denken andere über mich, und ich über andere), geht es um die Bewältigung des Alltags in einer Kultureinbettung, die nicht hinterfragt wird, geht es um Gerechtigkeit (andere haben etwas, was mir vorenthalten wird…), geht es um Besitz (Haus, Familie, Boot, Besitz) und nicht zuletzt um Macht (wer bestimmt, was jetzt und morgen Alltag ist und wird). Wie aber sollen Antworten oder Möglichkeiten von Antworten zu Fragen gefunden werden können, wenn die Basis, der Hintergrund und das Fundament nicht ausgeleuchtet wurden. Und daher möchte ich jetzt eine weitere grundlegende Frage einfügen, die aufgrund der letzten Zeilen doch unabkömmlich zu sein scheint: Sind die Rahmen und Rahmenentscheidungen, die ich einmal getroffen habe, über ein ganzes Leben gültig, und muss ich nicht, zumindest wenn ein neuer Abschnitt des Lebens bevorsteht (Entscheidung für Familie, für ein anderes Umfeld, für einen Ruhestand), diese nicht von Grund auf neu zu setzen? Und muss ich vor allen anderen Fragen nicht dabei wieder mit der allerersten Frage 1 beginnen.

  1. Wer bin ich oder spekulativ: wer will ich sein?
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