Ursache-Wirkung-Prinzip in der Meditation

 

 

 

Exkurs: Bodhicittavivarana (Erleuchtungsgeist) von Nagarjuna

 

In den Überlieferungen beharren die Weisen darauf, auf den Glauben an das Bestehen eines beständigen Selbst und alle Daseinsfaktoren 1 zu verzichten und ganz im Herzen 2 zu ruhen.

Analysiert man das Selbst als ein beständiges, unberührbares Wesen, dann kann es nicht in den Daseinsformen existieren, da diese ja unbeständig sind. Zwischen Beständigen und Unbeständigen kann es keine Identität geben. Da das Selbst somit nicht als ein Objekt existiert, kann es auch nicht die letzte Ursache einer unbeständigen Sache sein. Existierte es als beständiges Subjekt, könnte man seine Eigenschaften in der Welt untersuchen. Wenn es beständig wäre, kann es nicht abhängig sein von etwas. Es müsste alle Dinge in einem Augenblick und nicht stufenweise hervorbringen. Mit Stufen, wie sie unsere Welt beobachtbar hervorbricht, würde es aber abhängig sein, wäre damit weder ewig noch wirksam. Auch kann das Selbst nicht seiend sein, denn Seiendes ist unbeständig und besteht nur jetzt im Augenblick. Daher kann es kein Selbst geben.

Die Welt ist voll von Ideen über Subjekte, Objekte, Elemente, Sinnbereiche, voll von Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewusstsein. Die Weisen lehren, dass all das Schaum, Blasen, Fata Morgana und Blumen im Himmel seien. Selbst Bewusstsein ist eine Illusion. Was immer an Subjekt oder Objekt erscheint, es gibt keine äußeren Objekte unabhängig von ihrer Wahrnehmung. Die Lehren, alles sei Geist, Bewusstsein wurden geäußert, um Menschen die Angst zu nehmen. Sie beschreiben nicht die letzte Wirklichkeit, die alles umgreifend nur eine Natur besitzt: Leere.

Geist, Bewusstsein, Selbst sind nur Namen. Sie wurden nie gesehen, haben weder Form noch Natur, sind nicht Subjekt oder Objekt, erscheinen nicht ohne einen Wahrnehmenden. Sie sind Seiendes, und Seiendes ist wie gehört nur eine Vorstellung. Leere aber ist die Abwesenheit von Vorstellungen. Wo etwas ist, kann nicht Leere sein. Leere ist ohne Zeichen und ohne Ursprung. Sie liegt jenseits des Denkens.

Leere ist wie ein leerer unbegrenzter Raum. Sie ist still, scheinhaft, unbegründet und löscht die cyclische Existenz 3 aus. Sie drückt Nicht-Ursprung, Nicht-Sein und die Abwesenheit eines Selbst aus. Auch Gutes und Schlechtes unterliegen dem Zerfall, sind unbeständig und daher ebenfalls leer. Nichts wird da zerstört und nichts ist ewig. Nur in der Illusion kann die Frucht der Taten erfahren werden. Nur da erscheint ein Spiegelbild.

Das erschreckt alle, die einen Glauben, ein Dogma brauchen. Wenn die Wahrheit aber angenommen wird wie erläutert, wenn sowohl das Herkömmliche als auch der Geist als Leere wahrgenommen wird, spielen Karma und Neigungen keine Rolle. Der Geist ist ruhig, abgeklärt, versteht die Wahrheit und erlangt so Freiheit.

Die Weisen wenden eine Reihe von Mitteln an, um diese Welt zu beschützen. Sie unterscheiden sich, sind aber letztlich alle durch Leere charakterisiert. Sie geben den Anderen, den Nicht-Weisen niemals auf. Dazu verlassen sie die Freuden der Meditation und betreten das gewöhnliche Leben, um den Leidenden zu helfen. Durch Mitempfinden und Lehren der Leere führen sie die Arbeit Buddhas fort in der Hoffnung, alle Lebewesen auf den Pfad der Heilung führen zu können. Sie folgen so dem Weg des Herzens  in unermüdlicher Weise.

  1. Formen, Gefühle, Wahrnehmungen, Geistesformationen, Bewusstsein (skandhas)
  2. Erleuchtungsgeist, Bodhi-Geist, Herzgeist
  3. Geburt, Tod, Wiedergeburt
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