Die Workshopreihe für 2013 begann mit der Besprechung und Ausarbeitung der Motive für vorwärtsbeugende Übungen (VB), wobei der Rahmen gesteckt wurde von der einfachsten VB im Stehen bis zur Schildkröte. Die Motive, die dem Unterricht zugrunde lagen, kann man stichwortartig wie folgt beschreiben:
VB dienen zur Öffnung, Dehnung und Aktivierung der Rückenmuskulatur und der Beinrückseiten. Dabei geht die erreichbare Einwirkung immer von der schwachen zur stärkeren Körperregion. Bei der einfachen stehenden VB z.B. werden zunächst die Beinrückseiten (Oberschenkel, Wade), dann die Gesäß- und Hüftbeugemuskulatur und dann erst die Rückenmuskulatur erreicht. Das Prinzip der Übungen besteht also darin, durch eine schrittweise Öffnung der gesamten Muskelkette Raum und Wahrnehmungsfähigkeit zu fördern.
VB im Stehen werden in der Haltung so eingerichtet, dass die Schwerkraft die Dehnung bewirkt. Der Übende muss also lediglich in die Haltung finden und darin verweilen. Dabei ist oftmals ein leichter, angemessener Widerstand gegen die Schwerkraft hilfreich.
In den klassischen VB entsteht im Prinzip Uddianabandha (Bauchkontraktion) mit zunehmender Beuge automatisch. Mulladharabandha (Beckenbodenkontraktion) wird in der VB erst mit weitgehendem Fortschritt möglich und auch erst dann notwendig. Wichtig für alle Stufen ist viel mehr das Jalandharabandha (Nackenausrichtung), da die Ausrichtung der WS im Hals-/Nackenbereich die Öffnung der Frontseite (Brust, Bauch) sicherstellen kann, auf der die Öffnungsfähigkeit der Rückseite sich gründet. Mit anderen Worten gesagt kann eine Öffnung des Rückens nur über einem weiten Brust-Bauch-Gefüge ausgeführt werden. Das Bandha hält dabei wie ein Siegel diese Öffnungen aufrecht!
Da eine verkürzte Muskulatur nicht gleichzeitig halten, ziehen und loslassen kann, muss beim Öffnen der Beinrückseiten jegliche Kraftanstrengung in dieser Muskulatur vermieden werden. Um das Bein trotzdem öffnen zu können, wird der vordere Oberschenkelmuskel eingesetzt. Weitere Hilfe bei dieser Aufgabe wird durch die bewusste Öffnung der Leistenregionen erreicht. Das Strecken des Rückens wird durch das Nackenbandha und die Öffnung des Brust und Bauchraumes erreicht. Die Schulterregion ist dabei immer locker, offen und entspannt zu halten. Im Gegensatz zu verschiedenen anderen Yogatraditionen lehne ich ein Schließen der Schultern (Schulterblätter zusammenziehen) ab. Eine wichtige energetische Linie erfolgt durch Hebung (zum Kopf hin) und Streckung der Oberarme (in Richtung der Füße), wobei die Schulterpartie nicht eingespannt sein darf.
Wirklich große Risiken sehe ich beim Üben der VB nicht. Lediglich die Stärke der Zugwirkung durch Arme, Schwerkraft oder Helfer könnten zu Problemen führen, die von einem gemeinen Dehnungsmuskelkater bis zu einer leichten Zerrung gehen könnten. Mit etwas Feingefühl können aber auch diese Risiken leicht vermieden werden.
Der am häufigsten zu beobachtende Fehler bei VB sind der Ehrgeiz, Fortschritte erzwingen zu wollen sowie der falsche Einsatz von Zug und Belastung. Beide Motive verhärten die zu öffnende Muskulatur und sind somit ein Kampf gegen die eigene Kraftanstrengung, die von Mühelosigkeit wegführt und daher gegen eine erfolgreiche VB gerichtet sind.
Der WS fand in entspannter und gelassener Atmosphäre statt und erbrachte gutes Feedback von Seiten der Teilnehmer. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass die Übungen von den genannten Motiven befruchtet wurden und dass die VB der TeilnehmerInnen künftig als leicht und schön empfunden werden können.