Es sind Interpretationen, die den Fluss zum Stehen bringen…

In vielen spirituellen Texten wird mit den Bedeutungen von ich, sein, selbst, Geist und Seele dialektisch gespielt. Ihr Verwendung bezieht sich auf Bedeutungen und Schlussfolgerungen, die genau betrachtet einen in sich geschlossenen Kreis bilden. In unzähligen Verkettungen werden diese Begriffe ineinander verwoben, werden zu Argumentationsketten verbaut, die letztlich immer wieder zu dem gleichen Ergebnis führen. Dieses Ergebnis kann wie folgt beschrieben werden: „Du tust nicht genug, daher…“. „Du musst mehr tun, damit…“ ist auch ein schönes Ergebnis dieser Ketten. Gemeint ist damit aber nur, das du etwas tun musst für andere, für die Organisation zum Beispiel, für den Guru, den Meister, für die Gemeinschaft und, und, und. Mehr tun, größer wirken, mehr investieren, ist das Ziel dieser Dialektik. Dabei sprechen alle Traditionen und besonders der Buddhismus davon, das unser Leiden daher kommt, das wir eben immer mehr wollen. In meiner Anschauung ist Freiheit nur in sich selbst verwirklichbar. Nur ich selbst kann für mich und damit auch für meine Umwelt frei sein. Mein einziges Wirken besteht dann darin, für andere ein Vorbild zu sein. Viele große Meister waren unscheinbar, wurden oft verkannt oder zogen sich in die Einsamkeit zurück, da sie ihr „nicht-wie-alle-anderen-zu-denken“ für sich und andere als Gefahr empfanden. Sokrates wurde gezwungen, den Giftbecher zu leeren, Laotse zog sich in seiner bekannten Geschichte in die Einsamkeit der Berge zurück und ward nie mehr gesehen, und unzählige Andere werden ebenso gehandelt haben, von denen daher nie etwas bekannt werden konnte. Anders zu sein war und ist immer noch gefährlich, und der Weise erkennt das auch und handelt entsprechend.

Wie kann ich mich also verhalten, meiner Meinung nach, gegenüber den oben beschriebenen Wortschöpfungen und Gefahren, die darauf basieren? Unsere Sprache verwendet nun einmal ich und sein, verwendet Selbst und Seele, und die Schöpfung ist auch, wie im letzten Satz zu sehen, nicht gerade selten. Ich helfe mir so, das ich Sprache generell als unvollkommen empfinde, ich Kommunikation insgesamt als unvollkommen empfinde, und das schließt so vielfältige Dinge mit ein wie Rituale, Gesten, Zeichen, Musik, Kunst, Literatur, Offenbarungen und die vielen anderen wortlosen Ausdrucksformen ebenso. Wir Menschen können eben nicht nur ausdrücken, was in uns vorhanden ist, sondern auch das, was wir gehört haben und nur vermuten, was uns suggeriert wurde, was uns Angst zu machen droht oder sich durch geschickte Manipulation in uns verfestigt hat. Und da wir zur Zeit erleben, das Kommunikation überhand nimmt und wir sozusagen fast erschlagen werden von der Vielfalt und dem Reichtum an Bedeutungen, empfehle ich einem alten Sprichwort gemäß: „Fragen zu stellen ist wichtiger als Antworten zu finden!“. Ich frage mich zum Beispiel immer häufiger, was ich meine oder gemeint habe, wenn ich einen Satz im Gespräch oder im Artikel wieder mal mit „Ich“ begonnen habe, frage mich, was für mich das Wort „selbst“ bedeutet, wenn es bei mir Verwendung fand, und vermeide Worte wie Schöpfung oder Seele in meinen Beschreibungen, da sie alles und auch nichts bedeuten können. Das Verb „sein“ allerdings und das Verständnis von Zeit sind in unserer Sprache unverzichtbar, und ich muss mir sehr bewusst darüber sein, was genau sie bedeuten und wie ich sie entsprechend verwenden sollte.

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