Es sind Interpretationen, die den Fluss zum Stehen bringen…

Eine Lösung des Problems mit dem „Sein“ ist die Setzung einer „Seele“. Diese ist unsterblich, ewig, wird uns ins Paradies nach guten Taten oder in die Hölle nach schlechten Taten eintreten lassen oder irgendwie wiedergeboren werden, um sich erneut zu bewähren. Wenn ich einem Menschen die Seele abspreche oder behaupte, diese sei verloren, werde ich große Reaktionen heraufbeschwören. Die Seele, auch gerne Monade oder Atman genannt, obwohl weder jemals erkannt, gesehen noch gewogen ist ein heiliges Gut. Sie erlöst vor der Angst. Aber sie verhindert auch das Leben. 2000 Jahre christliche Geschichte 1 zeigen mehr als deutlich auf, wie groß die Angst vor dem Seelenverlust sein kann und welche fatalen Wirkungen diese neue Angst zeugt. Diese sind in weiten Teilen der Welt auch heute noch oft größer als die Angst vor dem Tod. Haben wir mit der der Setzung der Seele also nur eine Angst gegen eine andere eingetauscht? War die Setzung der Seele nur ein cleveres Machtinstrument, das Wenigen die Macht über viele gab? Diese Frage möge jeder selbst für sich beantworten.

Was mich weiterhin beschäftigt, sind Worte wie Selbst, Geist, Schöpfung usw. Nun hören wir sehr oft in spirituellen Kreisen, das der/die Eine oder Andere auf der Suche nach dem wahren Selbst sich befindet. Das zur Zeit als aktiv empfundene Selbst wird folglich als unwahr aufgefasst, das wahre Selbst aber ist im unwahren Selbst verborgen und wird durch die Ausübung von Techniken aufgedeckt. Das „wahre Selbst“ also steckt direkt im oder hinter dem „unwahren Selbst“. Was geschieht dann mit dem unwahren Selbst, wenn das wahre Selbst erscheint? Stirbt es? Wie dem auch sei. Wahr und Unwahr sind also bis zur Läuterung gemeinsam in einem Ding zu Hause. Nach Aristoteles ist das aber trotzdem nicht möglich. Sein und nicht-Sein, wahr und unwahr? Wo ist da der Unterschied? Wer hat sein wahres Selbst schon jemals gesehen? Wer hat sein Selbst, ob unwahr oder wahr, schon jemals gesehen? Was machen diese Setzungen aus? Sie sind reine Spekulation. Warum verwenden wir sie dann aber dauernd?

Eine weitere wunderbare Bedeutung hat das Wort Geist. Es bezeichnet das mentale Konstrukt, das wir wie oben schon gesehen „Ich“ nennen und in eins gesetzt ist mit dem ebenfalls schon erwähnten Selbst. Eine besondere Rolle spielt das neben Geist verwendete Wort GEIST, das den Individuellen Geist weit überflügelt und ihn in eine kosmische Umgebung setzt und damit das ausdrückt, was die Summe aller geistigen Aktivitäten von Leben darstellt, auch gerne als Speicherbewusstsein 2 und Schatz des Lebens bezeichnet. In vielen spirituellen Traditionen ist daher als Übungsweg angelegt, von Geist zu GEIST zu gelangen, teilweise als Transzendenz 3 oder auch in dessen Gegenteil, als Immanenz 4 bezeichnet. Mentale Zustände, in denen diese Barrieren überwunden sind heißen dann Meditation oder Versenkung, Trance oder Hypnose. Allerdings beschreiben trotzdem viele Lehren von Bewusstseinstechniken diese Zustände als unvollkommen, ja sogar gefährlich und es wird davor gewarnt, sie dauerhaft zu erreichen und sozusagen in ihnen steckenzubleiben. Sie zeigen wie im Buddhismus beschrieben nur an, welchen Fortschritt die Übenden gemacht haben und diese werden immer wieder aufgefordert, auch diese Ergebnisse zu überwinden. Darüber hinaus fortschreitende Zustände heißen dann lichte Weite oder kosmisches Bewusstsein. Ich selbst kann dazu nichts sagen, denn diese beiden sind mir weder zugänglich noch bekannt.

  1. Empfehlung: Schatten über Europa, Rolf Bergmeier, ISBN 978-3-86569-075-3
  2. Alaya vijnana
  3. Gott, etwas außerhalb der Welt stehendes, der Grund, das der sinnlichen Wahrnehmung verschlossene.
  4. Das in allen Dingen enthaltene.
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