Zwei Worte begegnen uns immer wieder, wenn wir zur Meditation oder zum Yoga gehen, und die sind „loslassen“ und „Aufgabe“. Nun sind diese so leicht über die Lippen zu bringen, und sie werden daher auch recht oft in Unterricht und Übungsstunde verwendet, aber in der Praxis für den Hörer, den Teilnehmer sind sie sehr schwer umzusetzten.
Beginnen wir mit dem Wort „Aufgabe“. In unserem Alltagsverständnis ist eine Aufgabe meist eine Tätigkeit, die von einer Person an eine andere Person aufgegeben wird. Dieser Empfänger hat dann den Auftrag, sich dieser Aufgabe anzunehmen, sich körperlich, geistig und mit dem Einsatz von Zeit einzusetzen, um diese Aufgabe zu lösen, ein Ergebnis zu schaffen, das den Auftraggeber zufriedenstellt.
Nun kommt das Wort
„Aufgabe“ ja ursprünglich von dem starken Verb „aufgeben“,
was in der Alltagssprache ja bedeutet, das ich ein Ziel nicht zu
erreichen vermag und dann „aufgebe“, also die Flinte ins Korn
werfe oder akzeptieren muss, versagt zu haben. Unsere Vorstellung
heute von „Aufgabe“ hat genau betrachtet und unserer Logik
folgend eigentlich mit der ursprünglichen Bedeutung nicht nur nichts
mehr zu tun, sondern hat sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Das ist
schade, denn die ursprüngliche Bedeutung „aufgeben“ ermöglicht
es, einen interessanten Aspekt einer Aufgabenstellung zu betrachten.
Wenn wir nämlich eine Aufgabe bekommen oder annehmen, geben wir in
Wirklichkeit doch auch immer sehr viel auf. Zunächst einmal geben
wir auf, Widerstand gegen eine Tätigkeit zu hegen, die vielleicht
gar nicht von uns gewünscht oder angestrebt wird. Dann geben wir
auf, die zu investierende Zeit für andere Dinge verwenden zu können.
Wir geben damit ein Teil unserer Selbstbestimmung, die uns frei
bestimmen ließe, was wir wann und warum tun, ab. Und weiterhin nimmt
eine „Aufgabe“ ja großen Raum ein in unserem Denken, denn eine
nicht gelöste Aufgabe beschäftigt unseren Geist oftmals in einer
Weise, die wir nicht mehr kontrollieren können, von dem wir uns
nicht so schnell zu lösen vermögen. Sie nimmt sehr viel Raum ein
und läßt daher andere Dinge nicht mehr im Vordergrund erscheinen,
die uns vielleicht auch wichtig sind oder die uns wichtig sein
sollten. Auch diese Angelegenheiten werden dann als aufgegeben
erlebt. Sie sind im Alltag für eine bestimmte Zeit nicht mehr
präsent.
Eine weitere Beobachtung zu Aufgaben sticht direkt ins
Auge, denn das Ziel ist ja dabei, eine gestellte Aufgabe zu lösen.
„Lösen 1“ bedeutet in der Alltagssprache immer, etwas von einem festen Zustand in eine Bewegung zu bringen. So lösen sich Essensreste bei Spülen von einem Teller ab, so löst sich der Knoten der Wäscheleine, wobei diese ihre Nützlichkeit verliert oder die Befestigung eines Bildes löst sich, wobei dieses in Bewegung gerät und an einem anderen Ort aufgefunden wird. „Lösen“ oder loslassen bedeutet immer, das etwas von einem festen Zustand in einen bewegten Zustand gelangen kann oder soll. Wenn wir also eine Aufgabe erledigen, bringen wir immer etwas in Bewegung, wir verändern etwas, verwandeln es.
- Sich lösen heißt loslassen. Loslassen muss immer ich selbst. ↩