Yogasana – Asana als Übungspraxis

Wenn wir uns im westlichen Kulturkreis über Yoga unterhalten, sind dabei meist die Praxis von Übungsstunden der Kern des Gesprächsthemas. Und ganz allgemein wird davon ausgegangen, das nahezu jeder Übungen des Yoga schon einmal gesehen hat, sie mit anderen Worten kennt und daher auch eine Vorstellung davon besitzt, was diese Übungen bewirken, wie sie ausgeführt werden und warum sie geübt werden. Das aber ist ein großer Irrtum.

Ich habe mich entschlossen, diesen Artikel zu schreiben, weil mir wieder einmal ein Versuch beim Lesen in die Hände gelangt ist, der dieses falsche Urteil angeht und versucht, eine etwas andere Sichtweise auf Asana zu formulieren. Allerdings geht mir dieser Versuch 1, so richtig auch die beschriebenen Inhalte sein mögen, beileibe nicht weit genug. Yogasana auf „Form folgt Funktion“ zu reduzieren ist eine in meinen Augen ungeschickte Simplifizierung der Möglichkeiten, die eine Arbeit mit und in Asana wirklich bietet. Auch ragt dann die praktische Ausgestaltung der Übungsbeschreibung, die das Ende des Artikels schmückt, nicht einmal einen halben Schritt über die Arbeit mit Einsteigern hinaus.

Die folgende Beschreibung ist eine Anregung für Menschen, die mit ihren Yoga-Übungen kein exakt formulierbares Ziel verfolgen. Für die Begleitung einer Heilung, einem gezielten Energieaufbau bei Mangelerscheinungen oder anderer therapeutischen Maßnahmen sind andere Grundsätze von Nöten. Sowohl die Vorgehensweisen als auch die Intensitäten liegen dann ganz wo anders.

Zunächst einmal ist Yoga in seiner Gesamtheit ein System, das neben Körperarbeit (Asana) auch Atemarbeit (Pranayama), und Meditation (Pratjahara, Dharana, Dhyana, Samadhi) mit all seinen Prägungen ausweist. Es geht sogar, und das ist wenig bekannt oder wird zumindest selten gelebt, von einer ausformulierten Moral- und Ethikvorstellung (Yama, Niyama) aus. Weiterhin gibt es in der Kultur, aus der Yoga stammt, einen Gesundheitssystem namens Ayurveda, das mit Yoga vernetzt und nur in Verbindung mit Yoga und seiner Praxis vollständig wird. Yoga selbst beschreibt somit nur ein Teilbereich dessen, was deren Entwickler über die Jahrhunderte hinweg mit der Kombination Ayurveda, Yoga und Religion (Hinduismus) zu erreichen suchten. Yoga stellt in dieser Kombination drei große Funktionen dar, die mit Prävention (Gesundheitsvorsorge), Bewegungstherapie (Spannungsabbau, Rehabilitation) und einer Erforschung des Körpers, des Geistes und deren Möglichkeiten beschrieben werden kann. Nur in diesem Kontext ist Yogasana sinnvoll zu verstehen. Soweit der kleiner Überblick über die Einbettungen des Themas.

In Yogasana übe ich mit einer Praxis, in der ich den Körper in eine bestimmte Pose bringe, diese halte und die so verspricht, für mich ganz bestimmte Ziele zu erreichen. Ich gehe also davon aus, das durch die Ursache Asana eine gewünschte Wirkung herbeigeführt wird. Das ist die meist formulierte Erläuterung zu Asana, und sie mag ja auch zum Teil stimmen, aber sie erscheint mir sehr ungenau, sehr wage und zusätzlich noch sehr profan zu sein. Zunächst einmal sei erläuternd erwähnt, das meist nicht eine Ursache allein zu einer bestimmten Wirkung führt, sondern das eine bestimmte Ursache allein schon viele Wirkungen hervorrufen kann. Und mehr noch, meist werden wir erstaunt feststellen, das viele Ursachen viele Wirkungen nach sich ziehen und das somit eine genaues Urteil selten in Präzision möglich ist. Also zu sagen, das die Asana wie z.B. der Kopfstand diese bestimmte Wirkung erzeugt, ist mehr als ungewiss, und das kann auf nahezu alle Übungen übertragen werden. Yoga wirkt meiner Ansicht nach als System, und um Yoga beschreiben zu können, muss ich daher auch systemisch argumentieren. Darin spielt dann eine bestimmte Übung nur eine sehr begrenzte Rolle. Weiterhin muss ich beachten, welche Intention (Ziele) der Übungsteilnehmer mit seiner Praxis verfolgt. Das kann sein, das hier lediglich ein Ausgleich zur Arbeitswelt geschaffen werden soll, kann aus Gründen der Gesundheit wie der Bekämpfung von Rückenschmerzen motiviert sein oder ist einfach durch das Sozialverhalten und dem Spaß und der Freude an Bewegung begründet. Für alle diese Motive gilt das gleiche Übungssystem, werden die gleichen Übungen eingenommen und die gleichen Regeln befolgt? Ist das so? Ist Yogasana wirklich die alles umfassende eierlegende Wollmilchsau? Und jetzt heißt es wohl üben, üben und üben?

  1. Viveka 58 – Form folgt Funktion
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