Yogasana – Asana als Übungspraxis

Das ist doch recht gesehen schon eine ordentliche Palette guter Wirkungen. Aber wie setzten wir jetzt die mehr allgemeinen Anforderungen für Asana um? Wie kann ich mir das vorstellen? Nun, eine Asana ist einfach eine Pose, die wie ein Rezept verstanden werden kann. Sie wird immer im Grenzbereich der Beweglichkeit gehalten. Wenn dann eine bestimmte Haltung eingenommen ist, beginnt man damit, diese entweder selbst zu korrigieren oder vom Lehrer korrigieren zu lassen. Dann legt man eine mäßige leichte Spannung in die Pose, um sie räumlich zu füllen oder sogar etwas zu heben. Diese Spannung, die meist zur Basis (Boden, Sitzen) geht und den Körper sich allgemein etwas verengen lässt, lässt man dann nach wenigen Sekunden langsam abflachen, bis sich der Körper wieder öffnet, weitet. An der Stelle (Schwelle), wo der Körper sich noch erdet, aber schon öffnet, weitet, hält man die Spannung bis zum Ende der Asana. Dabei öffnet sich sowohl der Atemraum (Prana) als auch die Ausrichtung zur Erdmitte (Apana) deutlich fühlbar. Die Pose erscheint dann fest und relativ mühelos. Durch stetiges Üben in dieser Form, darin enthalten ist der korrekte Einsatz von Bhandas und Marmas 1 werden sich Verspannungen, Schutzverspannungen und behindernde Blockaden lösen und zunehmend dem Körper mehr Raum geben. Mehr Raum bedeutet mehr Energie, denn Energie braucht Raum, da sie bewegt ist und nicht statisch gespeichert oder gehalten werden kann. Das ist in kurze Worte gefasst der grobe Aufbau einer einzelnen Asana aus meiner Sicht.

  1. Die Form einnehmen.
  2. Die Form korrigieren.
  3. Bhandas und Marmas einsetzen.
  4. Etwas mehr Spannung erzeugen und diese langsam zurückgehen lassen, beobachten…
  5. Die Form in der Wahrnehmung haltend etwas wirken lassen (stehen).

Die Übungsreihen, mit denen man dann im Alltag arbeitet, enthalten Übungen, die entweder in einer ganz bestimmten Weise eine Wirkung erzeugen sollen oder ist eher allgemein gehalten, was bedeutet, das systematisch der Körper nach Spannungen und Veränderungen durchleuchtet wird. Daher der Aufbau vieler Traditionen des Yoga in festgelegten Übungsreihen. Diese sind aber meiner Überzeugung nach mehr für Einsteiger gedacht. Der erfahrene langjährig Yoga-übende Mensch wird solche Reihen nicht brauchen. Er verfährt nach der Methode, „was ich in der Körperwahrnehmung bei mir gefunden habe, werde ich auch sofort angehen“. Daher ist eine eigene Übungspraxis zu Hause immer sinnvoll. Die vielleicht eine gemeinsame Übungsstunde in der Woche oder der Unterricht mit einem Lehrer ist nur ein Impulsgeber oder eine Kontrolleinrichtung. Sie dienen dem Erlernen neuer Asanas, der Erweiterung des geübten Portfolios und der Aufnahme von Tips und Tricks, mit denen die Übungen verfeinert werden können. Außerdem ist es immer auch interessant und gewinnend, sich mit Gleichgesinnten zu treffen, gemeinsam zu üben und sich auszutauschen.

Dieses in der Fülle nur leicht angeleuchtetes Beschreiben einer Asanapraxis (Yogasana) ist meine Art, mit diesem uralten Rezept aus dem Yoga umzugehen. Die Elemente religiöser Anteile, die häufig im Yoga beobachtet werden können, interessieren mich nicht. Das Geschäft mit Yoga ist für mich nicht von Bedeutung, und auch als Hobby würde ich Yoga ungern bezeichnen. Yogasana, Pranayama und Meditation sind für mich wie Körperpflege, wobei Körper und Geist in meinem Denken nicht getrennt sind. Beide gemeinsam brauchen diese Pflege, um ein gesundes und erfülltes Leben führen zu können.

Nun hat der Artikel schon vier DIN-A4-Seiten und Details wie Tips, Tricks und Wege zur Orientierung sind darin noch nicht enthalten. Jeder Mensch für sich ist nun einmal eine einmalige Übungsfläche. Das macht die Sachlage unübersichtlich. Jede Pose, jede Haltung, jede Übung und jeder Atemzug ist eine einmalige Sache. Es gibt wenig Regeln und wenige Schilder, mit denen eine solche Praxis einfach mal so durchgeführt werden kann. Auch ein Lehrer hat für sich genommen eine einmalige Struktur und kann daher meist nur für sich selbst sprechen. Da aber Menschen doch nicht so unterschiedlich sind, das gar keine Merksätze mehr gebildet werden könnten, und da Menschen lernen können, Mitgefühl zu entwickeln und tolerant zu sein, ist die Arbeit zwischen Lehrer und Schüler im Yoga immer auch ein Gespräch, ein Austausch und innerhalb eines freundschaftlichen Rahmens angesiedelt. So sehe ich meinen Yoga-Unterricht, und so werde ich es auch weiterhin halten. Wo nur wenige Regeln sinnvoll sind, sollten auch nur wenige als endgültig formuliert oder ausgewiesen werden.

Und um jetzt zum Anfang zurückzukehren: Manchmal ist es wichtig, auch Form zu üben und die Funktion hinten anzustellen. Denn erst die richtige Form lässt oftmals die Funktion erst im Licht der Aufmerksamkeit erscheinen. Yoga und Yogasana sind jeweils ein System 2, und keine Aneinanderreihung von Einzelübungen.

Die Wirklichkeit, in der sich alles abbildet, ist kein weit entferntes Land.
Sie steckt in dir selbst, mittendrin.
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  1. Bhandas und Marmas sind energetisch wirksame innere Bewegungen und Anbindungen, die uns in die Lage versetzen, eine Haltung mühelos zu halten. Sie wirken wie Siegel, die unsere optimale Haltung absichern.
  2. Systeme müssen gelebt werden, um erkannt zu werden. Zuerst folgt man jemanden, dem man vertraut. Dann versteht man, und fließt durch die Übungsreihen. Dann reihen sich die Übungen mehr und mehr von selbst. Und zum Schluss steigt man nur noch auf seine Matte und verlässt sie wieder. Und dazwischen ist… nichts!
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