Spirituelle Suche und Weisheit

Gehen wir in der Eingangsbeschreibung einen Schritt weiter und beschäftigen wir uns mit den Zielen, denen unser Aufbruch zugrunde liegen könnte. Ich meine die Suche nach Einheit, Befreiung, Erlösung, Erleuchtung, oder um eine Verwirklichung ins Wahre, Schöne, Gute oder auch nur in eine friedvolle Stimmung und Lebensführung. Wie kann ich mir das vorstellen? In den meisten Theorien um Befreiung überhaupt geht es doch um die Erringung einer Haltung, die als Einheit, Das Eine, Das All-Eine oder Gott, Atman, oder Monade beschrieben wird. Auch die altbekannte Seele, die es stets und immerzu zu retten gilt in christlichen Religionen, gehört hier in die Sammlung hinein. Keines dieser Begriffe, alle als Substantiv angelegt, liegt in irgend einer Form eine materiell oder wissenschaftlich zu begründende Substanz zugrunde. Substantive beschreiben Lebewesen, Gegenstände und Begriffe, so will es deren Definition. Begriffe wiederum beruhen auf hierarchischen Systemen, die sich aus Einzelbegriffen zusammensetzen und so komplizierte Vorgänge in einem Wort zu beschreiben vermögen. Ein schönes Beispiel hierfür ist Kants „Kategorischer Imperativ“, dessen Verständnis-Voraussetzungen ganze Bücher zu füllen vermag. Auch die Eingangs genannten Begriffe Einheit, Atman und so fort sind solche Begriffsbündel, die so leicht und einfach nicht zu verstehen sind. Erschwerend kommt hinzu, das verschiedene spirituelle Traditionen in Bezug auf den Inhalt dieser Begriffe sehr unterschiedliche Bündel benützen und diese als Begriff dann auch anders definiert sehen wollen. Die Befreiungen des Hinduismus, des Buddhismus und des Christentums haben, hört man in deren Erzählungen genau hinein, nicht viel miteinander gemein. Was allerdings wäre mit all diesen Begriffen, die ja auch alle auf eine absolute Einheit zielen, wenn Platon recht hätte und seine Behauptung sich als richtig erweisen würde, das der Mensch als Wesen und mithilfe der Sprache, die er pflegt, Einheit gar nicht denken kann. Was wäre also, wenn es Einheit zwar gäbe, aber der Mensch sie nicht erfassen könnte? Würde er sie trotzdem weiter anstreben wollen, anstreben können?

Wer sich dann etwa intensiver mit dem Thema beschäftigt, findet heraus, das sich sei nahezu 2500 Jahren unzählige Menschen mit diesem Problem beschäftigt haben und daraus eine unendlich Vielfalt an Zugängen geschaffen wurde, mit denen das Undenkbare denkbar gemacht werden kann, soll oder sollte. Jeder Religionsgründer, jeder Philosoph, jeder Weise, sie alle sind sogar in verschiedenen Weltgegenden und Kulturgebäuden zu Hause, beschreibt im Grunde seinen Zugang zu dieser Problemstellung. Es gibt Streit darüber, Disput genannt, es gibt verschiedenen Grundstrukturen, in denen diese Abhandlungen beschritten werden und fast ein jeder glaubte sich selbst mit seinen Ausführungen im Zenit des Universums angesiedelt zu haben. Grundsätzlich aber gibt es zwei große Strömungen, zwei Wege der Lösung. Die eine und am weitesten verbreitete Lösung erkennt einen Bereich des Begrifflichen als gegeben an, den der Mensch weder begreifen, denken noch erkennen kann, der damit transzendental ist und als gegeben, gesetzt verstanden werden muss. Transzendentalien sind Begriffe wie Gott, das Wahre, das Schöne, das Gute, die Vernunft, die Idee usw, die allem Seienden als Modus zukommen. Sie sind nicht jenseits des Begriffes, sondern sozusagen als Grundlage, Font im Begriff als Voraussetzung enthalten.

Die zweite Grundlage baut auf der Begrifflichkeit der Immanenz auf. Diese bezieht sich nicht auf Begriffe, sondern auf den Gegenstand, den der Begriff beschreibt und weist diesem eine innewohnende Eigenschaft zu, die weder durch Folgerung noch durch Interpretation abgeleitet oder begründet werden kann. Spinoza zum Beispiel beschreibt Gott als die eine Ursache aller Wirkungen, die allerdings auch andere Ursachen zwangsläufig mit einschließt. Immanenz bedeutet immer einen Einschluss aller Gegenstände und Bedingungen, die Leben und Welt hervorbringen. Eines der schönsten und weitreichendsten Beispiele für Immanenz-Denken und dies bezüglich allen Seins zeigt sich im Taoismus, in dem das „Tao des Himmels“ die rechte Beschreibung des Wegs benennt, der zum Heil und zum Gelingen führt. Immanenz wird allerdings in der heute federführenden westlich-orientierten Philosophie immer nur als Unterkategorie gesehen, wird mit Naturalismus oder als Einschluss ins Absolute angesehen, gleichgesetzt und wie eine Vorbedingung behandelt, die dann doch letztlich ins Gegenteil, also ins Transzendente hinüber führt. Schelling ist hierfür ein leuchtendes Beispiel.

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