Spirituelle Suche und Weisheit

Nun sind Transzendenz und Immanenz ja Gegensätze, die beide bis zum Einen hin gedacht, aber nicht denkend realisiert werden können. Daher versuchen beide Richtungen, das Denken auf die eine oder andere Art auszugrenzen, auszuschließen. Aber im Einen geht ausschließen ja eigentlich ebenfalls nicht. Daher versucht der Weise auch nicht, das Denken auszuschließen, sondern zu vereinen. Und die Mittel zu diesem zunächst als unmöglich zu bezeichneten Sehen ist der Versuch, das Denken in Gegensätzen und Wertungen, die ja ebenfalls immer etwas ausschließen, zu meiden, soweit das eben möglich ist. Dies gelingt in der Annahmen der Wandlung, die immanent gedacht, sowohl das eine wie das andere als vorhanden betrachtet, aber durch den Abstand der Wandlung jeweils immer nur eines von beiden zur Existenz kommen lässt, das andere aber denkend als immanent mit einbezieht. So kann eine Aussage heute richtig, aber morgen bereits falsch sein, kann ein Rat für den einen richtig, für einen anderen aber falsch sein. Da nichts von Bestand angenommen wird, ist nichts als Gesetz, Regel oder Sein festgelegt. Alles besteht in Abhängigkeit zu anderen. Daher kann es für Weisheit auch keine Regeln, keine Festlegungen, keine Grundsätzlichkeit geben. Alles steht zu etwas in Abhängigkeit, um existent zu sein. Die Fachwelt nennt das relativierend denken. Es gibt nur endlose Relationen, keine feste Substanz. Daher auch die Aussage, das im Grunde genommen alles leer ist, da nichts, was existiert, ewig andauern kann. Alles ist im Fluss, oder besser gesagt im Wandel. Niemand kann sagen, wann dieser Wandel einsetzt und wie lange er andauert. Und da nichts ewig ist, was vergehen kann, kann das alles auch leer genannt werden. Und so ist auch der Satz zu verstehen, das „nur die Leere existiert“, denn ewig ist nur das, was nicht vergehen kann. „Sein an sich“, das ist die Lehre der Weisheit, gibt es nicht und kann es sogar gar nicht geben. Kein Gott, kein Selbst, kein Atman und keine Monade wird ewig andauern, kein Verstand, keine Vernunft und kein Sein kann als ewig gültig angenommen werden. Sein kann nur etwas in Bezug zu anderen. Dazu aber kann es nicht auf Das Eine reduziert werden. Es kann nur in Relation gedacht werden.

Wenn wir uns in Spiritualität bewegen, muss und sollte uns dieser Konflikt in jedem Fall klar vor Augen stehen. Das Eine ist und bleibt im Hintergrund, immer, ist nicht fassbar und nicht vermittelbar. Und ab zwei erst ist Dialektik, also Denken überhaupt möglich. Wir können uns daher der Wirklichkeit, der Wahrheit denkend nur annähern, aber das Ziel nie erreichen. Und nur, wer bereit ist, das auch zu verstehen, kann weise genannt werden. Die spirituelle Suche bleibt daher immer ohne Ziel. Es ist der Weg, um den es geht, es ist das Fortschreiten auf einem Weg (…der kein Ziel haben kann, weil ein Ziel den Weg am Ende verlöschen ließe…), auf dem spirituelle Suche stattfindet.

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