Exkurs:
Grundsätzlich gibt es für jede Form des Lebens Phasen, die
allgemein als gültig angesehen werden können. Die Phase der
Kindheit und der frühen Jugend erfolgt in Abhängigkeit von den
Erwachsenen (Phase 1), die die Betreuung von jungen Menschen
übernommen haben. Dann erfolgt in noch sehr jungen Jahren die Phase
der Abnabelung von den ersten Göttern, die praktisch die Eltern
darstellen und Pubertät (Phase 2) genannt wird. Mit etwas Glück
trifft man, wie oben beschrieben, hier erstmals eine eigene
Entscheidung. Dann geht die Ausbildung in die zweite Phase, Beruf,
Passion, Orientierung genannt (Phase 3), in der Regel kombiniert mit
der beginnenden Aufgabe als Eltern, dann erfolgt eine
Stagnationsphase in einer beruflichen Routine, begleitet von der
Abnabelung der eigenen Kinder (Phase 4), dann kommt der Eintritt in
den Ruhestand (Phase 5), der dann von Stagnation begleitet (Phase 6)
mit dem Tod endet, entweder mit Krankheit und Pflege begleitet,
unterschiedlich lang oder auch kurz und überraschend. Was wir aber
immer sehen können, meiner Meinung auch müssen, ist die Tatsache,
das sich hier im Leben eines Menschen nur ein einziger
Abnabelungsprozess ausgebildet hat. Zumindest wird in unserer Kultur
und Wissenschaft in der allgemeinen Anschauung und kulturellen
Beschreibung nur ein einziger dieser Prozesse beschrieben und
behandelt, und das ist die Pubertät. Das ist meiner Ansicht nach
falsch. Warum sehe ich das so? Ab Phase drei gibt es in unserer
westlichen Kultur keine wirklich Wahl mehr. Es muss ja ein Einkommen
aufrecht erhalten werden. Jeder Bissen und jeder Schluck kostet. Der
erlernte Beruf, die gegründete Familie erlaubt maximal noch eine
berufliche Fortbildung, die zwar mehr Geld bringt, aber dafür über
Jahre hinweg die komplette freie Zeit bindet. Bleibt man einfach im
Beruf, erfolgen automatisch Stagnationsphasen. Nur wenige Berufe
erfordern lebenslanges Lernen, und so wird die Routine Tagesgeschäft.
Das nervt, erst sich selbst, dann die Umgebung, und führt nicht
gerade zu einer ausgeglichenen Stimmungsstabilität. Viele Ehen gehen
in dieser Zeit einfach zugrunde. Dann wird das Rentenalter erreicht.
Die Kinder sind selbstständig, die Routine erlischt und plötzlich
steht die große Freiheit vor der Türe. Ein leistungsloses
Einkommen, viel freie Zeit und 52 Wochen Urlaub. Nicht jeder
verkraftet das. Wohl dem, der jetzt über ein Hobby, einen
Bekanntenkreis in der gleichen Altersgruppe und/oder eine Passion
verfügt, die ein sinnvolles sich beschäftigen erlaubt. Vorbereiten
konnten sich nur wenige auf all diese Brüche. Die meisten Wendungen
und Wandlungen kommen unverhofft und ungeplant. Muss das aber so
sein?
Was ist daraus abzulesen? Warum schreibe ich das auf? Und natürlich habe ich mich gefragt, wie viel davon ist autobiographisch. Und auch die Frage habe ich gestellt, ob man dieses alles als eine allgemein gültigen Ablauf bezeichnen kann. Was mir persönlich immer mehr auffällt und zur Klarheit kommt, ist die Tatsache, das wir in unserer zivilisierten Welt zwar immer mehr Wahrheiten erkennen und Erscheinungen aufdecken, das daraus aber nahezu immer keinerlei Reaktionen erfolgen. Anscheinend, zumindest ist dies ein erster Erklärungsansatz, erkennt die große Mehrheit der Menschen zwar die Aussagen im Einzelnen, aber verfügt nicht mehr über die Fähigkeit, diese einzelnen Erkenntnisse zu einem Ganzen zusammen zu fügen. Ich für meinen Teil habe mir einige Traditionen spirituellen Arbeitens angesehen, und obwohl ich mich letztlich für zwei dieser Übungsweisen entschieden habe, halte ich alle anderen Möglichkeiten nicht für falsch oder unbrauchbar. Und um in Zen-Sprech diese Erkenntnis auszudrücken, all diese oftmals auch seltsam anmutenden Wege führen zu ein und demselben Ziel. Sie sind nur unterschiedliche Pfade im gleichen Gelände, denn: Der Weg liegt vor unseren Füßen, ist unendlich breit und ist so offensichtlich, dass er wie der Wald vor lauter Bäumen nicht wahrgenommen wird. Das Problem dabei ist, das ein Abstand zwar hilfreich wäre, um wahrnehmen zu können, aber nicht möglich erscheint. Denn von Allem als Einem kann es keinen Abstand geben. Es müsste also mindestens zwei geben, um eines davon wahrnehmen zu können. Und aus Zweien entsteht dann ein Drittes und daraus, wie es im Zen heißt, die Welt. Aber die Welt ist trotzdem nur Eines, und dieses Wissen im Hintergrund zu halten und doch in Teilungen zu denken ist das große Problem der spirituellen Suche überhaupt.
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