Spirituelle Suche und Weisheit

Alle bisher genannten spirituellen Begriffe und Erscheinungen beruhen letztlich auf der Suche nach dem Einen, das alles andere einschließt und somit dem Fragen ein Ende bereitet in der Hoffnung, damit das Leiden zu beenden und in Glück und Frieden leben zu können. Was aber, wenn wir damit einer Täuschung aufgesessen sind und einsehen müssten, das diese ganzen dialektischen Gebäude sich schon mit einer einzigen Frage zum Einsturz bringen ließen? Wenn wir das Gute, das Glück und den Frieden, die Freiheit und die Erlösung anstreben und dieses alles auch erreichen, wo blieben das Schlechte, das Unglück und der Unfrieden, die doch mit ihrem Gegenteil auch in die Welt gesetzt wurden und die es es nun zurückzulassen gilt? Was ist dann mit denen? Verschwinden die einfach? Wenn sie verschwinden, gibt es Glück, Frieden und das Gute dann überhaupt noch und was haben wir dann letztlich erreicht? Der Positivist würde es wahrscheinlich Glückseligkeit nennen, der Pessimist würde wohl Langeweile dazu sagen, und was sagt der Weise dazu? Würde der Weise nicht sagen, das sowohl ein Nachdenken als auch ein Ignorieren dieser Fragen nicht zu einem Ergebnis kommen kann? Der Weise sagt dazu, das Suchen nicht zum Finden führt, und meint damit, das die ganze Mühe niemals zum Ziel führen kann, weil… Und auch hier gibt es wieder viele Begründungen, aber diese gelten entweder nur für jetzt oder nur für dich oder beides oder keines von beiden. Was aber meint der Weise aber damit?

Weisheit ganz allgemein gesagt, das sich der Mensch am Lauf der Welt, die sich in Immanenz (Tao, Gott) äußert, orientieren müsse. Da alles „von-selbst-so-ist, wie es ist“ ist, alles ständig im Wandel gegriffen ist, sind Natürlichkeit, Spontanität und Wandlungsbereitschaft die Grundlage für rechtes Handeln und Denken. In dem wir Harmonie bevorzugen und zurücktreten, bescheiden sind und ohne ein Ziel zu verfolgen unser Leben leben, kommt alles zu einem guten Ende. Für den Taoismus, der diese Grundsätze pflegt, gibt es die Unterscheidungen und Begriffspaare wie Gut und Schlecht, Glück und Unglück, Frieden und Unfrieden nicht, sondern diese treten im beständigen Wandel stets gemeinsam auf, werden in der Schrift auch oftmals zusammen in einem Zeichen verbunden und es gilt, diese Gegensätze zu überwinden, oder anders gesagt nicht in diesen Gegensätzen zu denken. Und der Weise begründet das damit, das diese Paare zwar zunächst kurzfristig zwecks Unterscheidung als hilfreich ansehen werden können, aber durch den Wandel keinem Wesen oder Ding dauerhaft zugeschrieben werden können. Damit wird eine Zuweisung grundsätzlich verhindert. Nichts ist daher von Dauer und so wird auch nichts als grundlegend betrachtet. Es kann auf diesem Grund keine Lehre aufgebaut und gesichert werden. Was bedeutet diese Sichtweise aber für ein Leben in einem westlichen Industriestaat, in Arbeitsteilung, Sozialverbund und einem kapitalistisch organisierten Wirtschaftssystem? Das ist eine sehr berechtigte Frage, und darauf gibt es bis heute wenige Antworten.

Zunächst einmal ist zu entscheiden, was wir definitiv erfahren haben und somit als Wissen aus eigenem Erleben zur Verfügung haben und Wissen, das wir nur gehört und erlesen oder uns nur vermittelt wurde. So ist zum Beispiel das Gros des Erlebens der Kindheit in der Regel erzähltes Wissen. Meine erste klare Erinnerung verweist auf das vierte Lebensjahr und besteht nur aus ein paar Bildern, die als Video nur Sekunden lang wäre. Die nächsten Erinnerungen verweisen bereits auf den Schulhof der Grundschule, weitere Erinnerungen gehen meist auf sehr einschneidende Erlebnisse (Beerdigung, Streit, Strafe) zurück. Der ganze Rest ist eher dunkel, unscharf und kaum zu einer Geschichte zusammensetzbar. Mit anderen Worten ausgedrückt ist meine Kindheitserinnerung entweder mir erzählt worden oder besteht aus sehr dezenten Fragmenten. Mit dieser Erkenntnis im Gepäck kann ich aus heutiger Sicht eigentlich nur sagen, das ich irgendwann mit 12 oder 13 Jahren wie aus einem Traum aufgewacht bin. Im Grunde war zu diesem Zeitpunkt bereits alles fertig, der Status in der Familie, die Ausbildungsrichtung und auch die Freundes- und Bekanntenkreise sowie das Gros der Interessen. Selbst die Schule samt meiner Leistungen darin entzog sich demnach so vollkommen meiner Einwirkung. Ich wurde in ein Leben geworfen, das seine Bestimmung bereits erhalten hatte. Die erste wirkliche Freie Gestaltung meinerseits bestand aus der Wahl meines Ausbildungsplatzes, der gegen den Willen meiner Eltern erfolgte und daher meine erste freie Entscheidung darstellte. Nur, die Wahl dazu bestand nicht etwa aus der unendlich großen Zahl an Berufen, sie bestand im meinem Fall aus genau zwei Alternativen, es ging also nur noch um ein so oder so. Weder die eine noch die andere konnte ich damals in voller Klarheit sehen. Ich entschied faktisch nur nach dem Kriterium, was ich nicht wollte.

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